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Der Sohn des Pharao

2. Oktober 2009

Saudi-Arabien mag Mitglied der G-20 sein, dennoch bleibt Ägypten die wichtigste Nation der arabischen Welt. Hier zeichnet sich ein Trend ab: Der Präsident will seine Macht an den Sohn vererben.

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Sohn des ägyptischen Präsidenten Gamal Mubarak (AP Photo/ Shehta Hosni)
Gamal Mubarak: Karriere im ParteiapparatBild: AP

In den meisten arabischen Staaten scheint sich ein System der dynastischen Erbfolge zu etablieren. Für die acht arabischen Monarchien ist das keine Neuigkeit, für traditionelle Republiken hingegen schon, hatten Länder wie Syrien, der Irak oder eben Ägypten in den 1960er Jahre als "progressives Lager" doch im damaligen arabischen "Kalten Krieg" die vom Westen unterstützen konservativen arabischen Monarchien wie Saudi-Arabien bekämpft.

Syrien als Vorbild

Hosni Mubarak als Vizepräsident neben dem Präsidenten Anwar Sadat (Foto: AP)
Hosni Mubarak als Vizepräsident neben dem Präsidenten Anwar SadatBild: AP

Damals hätte es sich niemand vorstellen können, dass es ausgerechnet in Syrien, der ältesten arabischen Republik, im Jahre 2000 erstmals zum Übergang der Präsidentschaft vom Vater auf den Sohn kommen würde. So verwundert es nicht, dass sich im Ägypten des seit 1981 amtierenden vormaligen Luftwaffengenerals Hosni Mubarak die Nachfolgediskussion auf einen Namen konzentriert: seinen jüngeren Sohn Gamal Mubarak.

Der wenig charismatische, 1928 geborene Hosni Mubarak herrscht - gestützt auf eine loyale Armee und einen großen Polizeiapparat - zwar ungefährdet, ist aber nicht wirklich populär. Für die Eliten stellt sich seit dem Ende der 1990er Jahre immer dringlicher die Frage einer möglichst bruchlosen Nachfolgeregelung, soll doch der Nachfolger ihre Macht, ihren Einfluss und ihren Reichtum unberührt lassen. Ein Kampf um die Präsidentschaft würde all dies gefährden und könnte das strategisch wichtige Land destabilisieren, was auch nicht im Interesse der Amerikaner ist, die Ägypten jedes Jahr mit Milliarden Dollar stützen.

Präsident Hosni Mubarak hat im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern Gamal Abdel Nasser und Anwar Al-Sadat bis heute keinen Vizepräsidenten ernannt, weswegen die Nachfolgefrage nicht geklärt ist. Inzwischen geht man in der ägyptischen Öffentlichkeit davon aus, dass der Präsident seinen Sohn Gamal als Nachfolger etablieren will. Auch in Washington hat Hosni Mubarak seinen Sohn schon eingeführt.

Der Sohn macht Karriere

Ägyptens Präsident Hosni Mubarakund sein Sohn Gamal nach einer Konferenz in Kairo (Foto: AP Photo)
Gemeinsamer Aufritt: Hosni Mubarak und sein Sohn GamalBild: AP

Der 1963 geborene Gamal Mubarak hatte zuerst als Investmentbanker gearbeitet, bevor er mit der 1998 gegründeten Stiftung "Zukünftige Generation" in die Öffentlichkeit trat und von der regimenahen Presse schnell als "Stimme der Jugend" zum Hoffnungsträger stilisiert wurde. Seine Stiftung, offiziell zur Förderung des Führungsnachwuchses in der Wirtschaft bestimmt, wurde schnell zum Sammelbecken regimeloyaler junger Reformer. Anfang 2000 stiegen Gamal und einige seiner Verbündeten aus der Wirtschaft in die Führung der regierenden, die innenpolitische Szene dominierenden Nationaldemokratischen Partei (NDP) auf.

Diese stand damals noch unter der Führung reformunwilliger Gerontokraten, die vielfach ihre Karriere in den Tagen der ägyptischen Revolution gegen die Monarchie 1952 begonnen hatten. Zwei Jahre später stand der nächste Parteitag schon unter Gamal Mubaraks Motto "Auf dem Weg zu einem Neuen Denken". Neu eingeführte Kampfkandidaturen brachten Verbündete Gamals in die Parteiführung, ohne dass es zu einer innerparteilichen Demokratisierung kam. Eine Kabinettsumbildung sorgte 2004 dafür, dass Parteigänger des Präsidentensohns Schlüsselministerien besetzten. Damit festigte Gamal Mubarak besonders im Ausland sein Image als junger, dynamischer Reformer, wozu auch ein eigener Facebook-Auftritt dient.

Nachfolgekandidat aus Mangel an Alternativen

Liberale Oppositionspolitiker wie Ayman Nur wurden, notfalls auch mit einer willfährigen Justiz, marginalisiert, so dass heute neben der dominierenden Regierungspartei nur noch die islamistischen Muslimbrüder eine echte Opposition darstellen. Sie wagen es allerdings nicht, das Regime direkt herauszufordern, zumal auch die Parlamentswahlen bestenfalls als halbfrei bezeichnet werden können. Eine islamische Republik Ägypten ist nicht nur für den Westen, sondern auch für viele der oft recht liberalen Ägypter ein Alptraum. Deshalb kann sich Gamal Mubarak gegen die Muslimbrüder auch ohne eine echte Demokratisierung Ägyptens als moderner Reformer profilieren – oder auch nur als das kleinere Übel.

Die Verfassungsänderung von 2005, die erstmals konkurrierende Präsidentschaftskandidaten erlaubt hat, wird als weiterer Schritt hin zu einer dynastischen Erbfolge der Familie Mubarak gesehen. Das von der NDP dominierte Parlament muss Präsidentschaftskandidaten nominieren, weshalb erwartet wird, dass bei der nächsten Präsidentschaftswahl, regulär 2011, nur unpopuläre beziehungsweise Zählkandidaten gegen den Präsidentensohn antreten werden.

Noch nicht ganz am Ziel

US-Außenministerin Hillary Clinton spricht mit Gamal Mubarak bei einem offiziellen Empfang im Weißen Haus (Foto: AP)
Einführung in diplomatische Kreise: Gamal Mubarak mit US-Außenministerin ClintonBild: AP

Allerdings sind auch die Hindernisse auf diesem Weg nicht zu übersehen. In Ägypten ist das Militär ein selbstbewusster Machtfaktor. Nicht zufällig sind alle vier bisherigen Präsidenten aus seinen Reihen gekommen. Bei vielen höheren Militärs stößt der Zivilist Gamal Mubarak auf wenig Begeisterung. Bis heute gilt darum der mächtige Geheimdienstchef Omar Suleiman als mögliche Alternative. Allerdings ist er selbst bereits in den Siebzigern.

Auch die gewachsene und meinungsfreudige Zivilgesellschaft steht einer dynastischen Erbfolge kritisch gegenüber, was nicht nur in der kleinen Oppositionspresse seinen Niederschlag findet. Außerdem haben die von Gamal Mubarak geförderten Reformen dem Land zwar hohe ausländische Investitionen und eine dynamisch wachsende Wirtschaft gebracht, aber die Kluft zwischen Arm und Reich nicht verringert. Profitiert hat primär eine dünne Schicht regimenaher Unternehmer, darunter auch die beiden Präsidentensöhne. Die aufgrund des Bevölkerungswachstums alljährlich benötigten hunderttausende zusätzlichen Arbeitsplätze konnten schon in den vergangenen Boomjahren kaum geschaffen werden, in einer Weltwirtschaftskrise ist dies ein Ding der Unmöglichkeit. Letztlich wird es aber wohl der innerhalb der Regimeeliten sowie in In- und Ausland weit verbreitete Wunsch nach fortgesetzter Stabilität sein, der Gamal Mubarak zum nächsten ägyptischen Präsidenten und direkten Nachfolger seines Vaters macht.

Autor: Johannes Krug

Redaktion: Stephanie Gebert/Anne Allmeling