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Alarmstufe Rot für Energiekonzerne

Henrik Böhme11. März 2015

Zu träge und kein Plan B: Deutschlands Energiekonzerne stecken in einer Existenzkrise. Eine Zeit lang werden sie noch durchhalten, doch ihre Geschäftsmodelle tragen nicht mehr, meint Henrik Böhme.

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Bild: fotolia/stefan delle

"Schatz, hast Du schon die Brennstoffzelle angemacht?" In zehn oder 20 Jahren wird diese Frage alltäglich sein in deutschen Haushalten. Die Energie für Wärme und Strom werden die Menschen dann zum großen Teil selbst erzeugen. Mittels Solarpanelen auf den Dächern oder eben Brennstoffzellen im Keller. Das Zauberwort heißt Dezentralisierung. Der Strom, der anderswo gebraucht wird - für die Straßenbeleuchtung, für die E-Loks der Bahn, für den Bäcker um die Ecke - der kommt zu einem großen Teil aus erneuerbaren Energien - also aus Wind, Sonne, Wasser oder Biomasse. Selbst große Industrieanlagen werden ihren Strom selbst erzeugen können.

Atomkraftwerke werden dann abgeschaltet sein, das ein oder andere Kraftwerk werkelt noch vor sich hin und verfeuert Kohle oder Gas. So oder so: Die Energielandschaft in Deutschland wird sich dramatisch verändern. Das zeichnet sich schon seit Jahren ab. In solch einem System aber funktionieren die Geschäftsmodelle der bisherigen Energieversorger nicht mehr. Die waren auf groß und schwer angelegt. Die beim Bau teuren Atommeiler und Kohlekraftwerke sorgten regelmäßig für Milliardengewinne, und der Rest kam wie von selbst. Das machte die Unternehmen fett. Und wie das so ist: Sie wurden faul und machten Fehler.

Eon wollte auf Teufel komm raus in Spanien auf Einkaufstour gehen - ein Millardendeal, der in die Hose ging und dem Unternehmen bis heute schwer auf dem Magen liegt und für einen gigantischen Schuldenberg gesorgt hat. Konkurrent RWE hat ähnliches zu bieten: Man kaufte vor Jahren das Londoner Wassernetz. Erst danach kletterten die Experten ins unterirdische Labyrinth und sahen einen gigantischen Investitionsbedarf. Das Geschäft wurde weiterverkauft - mit riesigem Verlust, versteht sich. Aber noch warfen die Kraftwerke ja zuverlässig Milliardengewinne ab. Mittlerweile ist das anders: Beide Konzerne schieben jeweils mehr als 30 Milliarden Euro Schulden vor sich her.

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Henrik Böhme, DW-WirtschaftsredaktionBild: DW

Dann vor vier Jahren die unglückselige Katastrophe von Fukushima, die zum Super-Gau des dortigen Atomkraftwerkes führte - und zur Entscheidung der deutschen Regierung, bis 2022 aus der Atomenergie auszusteigen. Das traf die vier großen Energiekonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall ins Mark. Denn die per se schwerfälligen Tanker hatten schon bis dahin den Sinn der Energiewende nicht begriffen. Dieser nachhaltige Eingriff ins Geschäftsmodell wird nun, das zeigt sich jedes Jahr zur Bilanzvorlage der Unternehmen aufs Neue, zum Sargnagel.

Die Unternehmen versuchen nun hektisch, zu retten, was zu retten ist: Man trennt sich vom Fett, dass man angesetzt hat. Kostensenkung, Entlassungen, Abspaltung - das ganze, altbekannte Programm. Okay, auch der Stromkunde im Privathaushalt wird wieder entdeckt, man bietet ihm alles für das vernetzte Haus an. Allein: Man traut den Quasi-Monopolisten nicht mehr so recht über den Weg. Junge Unternehmen können das mindestens genau so gut - bloß viel effizienter und oft auch besser. Next Kraftwerke, ein Startup aus Köln, ist so ein Beispiel: Die betreiben ein virtuelles Kraftwerk, wo Strom aus kleinen Energieanlagen "gesammelt" und verteilt wird. So oder ähnlich sieht die Energieversorgung der Zukunft aus.

In zehn Jahren, so sagt es der Silicon-Valley-Forscher Peter Diamandis, würden 40 Prozent der heute 500 größten Unternehmen der Welt keine Rolle mehr spielen. Dazu gehören mit großer Wahrscheinlichkeit Energiekonzerne wie Eon, RWE und Co.