Der Kulturschock
Eine rausgestreckte Zunge zur Begrüßung? Pantoffeln im Restaurant? Was auf der einen Seite der Welt alltäglich ist, mag auf der anderen als erstaunlich oder gar unhöflich gelten. Ein Kulturschock droht.
„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen. Drum nahm ich meinen Stock und Hut …“ – „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen“: Die erste Zeile aus Matthias Claudius Gedicht „Urians Reise um die Welt“ gehört zu den geflügelten Worten im deutschen Wortschatz. Reisen wir in ein Land mit uns unbekannten Sitten, Gebräuchen und Regeln, werden wir sicherlich interessante Erfahrungen sammeln. Wenn da nicht dieser Kulturschock wäre, denn die Zeit in einem fremden Land, fernab von Heimat und Freunden, ist nicht immer ein Zuckerschlecken kein Zuckerschlecken sein redensartlich für: schwierig sein; mühsam sein; ein hartes Stück Arbeit sein . Kulturschock, das klingt nach einem Moment des Schreckens oder Erschreckens. Doch wie kann uns Kultur „schocken“?
Kulturschock: das Vier-Phasen-Modell
Folgt man Kalervo Obergs Rede in den 1950er Jahren, kann sich niemand vor ihm retten: dem Kulturschock. Der Anthropologe Anthropologe, -/Anthropologin, -nen jemand, der sich wissenschaftlich mit der Entwicklung des Körpers, des Geistes und der Gesellschaft der Menschen beschäftigt prägte den Begriff und entwickelte ein Vier-Phasen-Modell: In der ersten, der sogenannten „Flitterwochen Flitterwochen, - (f., nur Plural) die ersten Wochen nach einer Hochzeit; auch: Hochzeitsreise -Phase“, ist der Reisende, egal ob männlich oder weiblich, so fasziniert von allem Unbekannten, dass er auf jedem Gang zum Bäcker etwas Neues entdeckt. Auch wenn diese Phase bis zu sechs Monate andauern kann, vergeht sie leider – der Neuankömmling, der nun keiner mehr ist, fällt in eine Krise.
Plötzlich ist der Reisende genervt von überfüllten U-Bahnen, dem kaputten Ticketautomaten. Oder er regt sich gar auf, dass es gar keine U-Bahnen gibt und er mit dem Bus im Stau stehen oder zu Fuß laufen muss. Er merkt, dass er der Fremde in der Fremde ist. Er sehnt sich nach der Heimat, nach Dingen, die so viel einfacher, nützlicher oder gar schöner waren.
Kulturschock: die Wahlmöglichkeiten
Entweder sagt der Reisende, Gast oder Migrant an dieser Stelle „bis hierhin und nicht weiter“ und kehrt zurück oder er bleibt, übersteht die kritische Phase, und kommt in die Erholungsphase. Der Betroffene sieht Ein Licht am Ende des Tunnels sehen redensartlich für: Anzeichen für eine Verbesserung sehen; Hoffnung schöpfen nun wieder Licht am Ende des Tunnels Ein Licht am Ende des Tunnels sehen redensartlich für: Anzeichen für eine Verbesserung sehen; Hoffnung schöpfen , versucht, das Neue zu verstehen.
Kulturschock umgekehrt
Wer meint, damit wäre der Kulturschock erledigt, der hat sich geschnitten sich geschnitten haben umgangssprachlich für: sich geirrt haben;, sich getäuscht haben . Kaum zurück in der Heimat, geschieht das Gleiche wieder. Wie kann das sein, wenn wir doch nach Hause fahren, zu Freunden und Familie? Ist das Land, aus dem wir vielleicht vor Jahren anreisten, überhaupt noch unser Zuhause?
Zunächst glaubt man, endlich sein Ithaka gefunden sein Ithaka finden redensartlich für: die Heimat nach langer Zeit und vielen Mühen erreichen zu haben. Doch vieles mag sich in der altbekannten, vertrauten Umgebung geändert haben. Vor allem aber lässt die Reise niemanden unberührt: Die beziehungsweise der Reisende hat sich sicherlich verändert. Das merkt sie oder er spätestens nach der Rückkehr.
Risiken und Nebenwirkungen in keiner Packungsbeilage
Häufig sind Reisende nicht ausreichend darüber informiert, was ein Kulturschock alles mit sich bringen kann, psychisch, aber auch physisch: exzessives exzessiv übermäßig; übertrieben Händewaschen, Hautirritationen Hautirritation, -en (f.) die Hautreizung , Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, aber auch Fettleibigkeit und chronische Müdigkeit. Zudem kann ein Gefühl von Hilflosigkeit auftreten: hilflos gegenüber allem Unbekannten. Nicht selten kommt es zu Wutausbrüchen und Frustration bei alltäglichen Geschehnissen bis dahin, dass die Sprache des Gastlandes abgelehnt wird.
Sicher treten solche Symptome auch ganz ohne Reisen in ferne Länder auf. Statistiken haben jedoch bewiesen, dass bei Reisenden über einen längeren Zeitraum eben solche Beschwerden vermehrt auftraten. Kalervo Oberg bezeichnete den Kulturschock deshalb als „Krankheit, vor der sich keiner schützen könne“ – eine Krankheit, vor der selbst die erfahrensten Reisenden nicht gefeit sind gefeit sein veraltet für: geschützt sein .
Kulturschock vorbeugen
Je unterschiedlicher die Länder, desto größer der Kulturschock: eine Österreicherin in Deutschland wird wahrscheinlich weniger unter einem Kulturschock leiden als eine Inderin. Der kulturelle Unterschied zwischen Herkunfts- und Zielland spielt für die Auswirkungen des Kulturschocks nämlich eine Rolle, eine wissenschaftlich bewiesene Tatsache.
Was aber tun, um sich vor einem Kulturschock zu schützen? Selbst wenn er unvermeidlich ist, hilft eine gute Vorbereitung, zum Beispiel durch interkulturelles Training. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Land, in das man reisen oder umziehen möchte oder muss, kann dazu beitragen, die Auswirkungen etwas abzumildern. Dazu gehört auch der Kontakt zu Einheimischen, der häufig Sprachkenntnisse voraussetzt.
Reisende soll man nicht aufhalten
„Reisende soll man“ bekanntlich „nicht aufhalten“: Wer also fest dazu entschlossen ist, sich auf Reisen zu begeben, soll es tun – ungeachtet der drohenden Gefahr eines Kulturschocks. Denn wie der Philosoph Friedrich Nietzsche zu sagen pflegte: „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“. Und außerdem wissen wir, dass uns letztendlich überall auf der Welt Menschen begegnen wie du und ich:
„… Und fand es überall wie hier,
Fand überall ’n Sparren Sparren, - (m.) hier: umgangssprachlich für: etwas, das anderen seltsam vorkommt ,
Die Menschen grade so wie wir,
Und eben solche Narren.“
Der Kulturschock
kein Zuckerschlecken sein — redensartlich für: schwierig sein; mühsam sein; ein hartes Stück Arbeit sein
Flitterwochen, - (f., nur Plural) — die ersten Wochen nach einer Hochzeit; auch: Hochzeitsreise
Anthropologe, -/Anthropologin, -nen — jemand, der sich wissenschaftlich mit der Entwicklung des Körpers, des Geistes und der Gesellschaft der Menschen beschäftigt
Ein Licht am Ende des Tunnels sehen — redensartlich für: Anzeichen für eine Verbesserung sehen; Hoffnung schöpfen
sich geschnitten haben — umgangssprachlich für: sich geirrt haben;, sich getäuscht haben
sein Ithaka finden — redensartlich für: die Heimat nach langer Zeit und vielen Mühen erreichen
exzessiv — übermäßig; übertrieben
Hautirritation, -en (f.) — die Hautreizung
gefeit sein — veraltet für: geschützt sein
Sparren, - (m.) — hier: umgangssprachlich für: etwas, das anderen seltsam vorkommt