Der König der Tätowierer: Christian Warlichs Körperkunst im Museum
Ein Tattoo zu Weihnachten? Wer noch nach dem richtigen Motiv sucht, kann sich von Christian Warlichs Arbeiten inspirieren lassen. Vorlagezeichnungen des Tattoo-Pioniers zeigt das Museum für Hamburgische Geschichte.
Bier und Tattoos
1919 eröffnete Christian Warlich eine Kneipe auf St. Pauli, den für sein Rotlichtviertel berühmt-berüchtigten Hamburger Stadtteil. Hier verkehrten und vergnügten sich Seemänner während ihres Aufenthalts in der Hafenstadt. Innerhalb von Warlichs Kneipe gab es einen Bereich, in dem er tatöwierte. Das Foto zeigt ihn (l.) mit einigen Kunden, wie sie gemeinsam sein Vorlagealbum durchblätterten.
Inspiration kommt aus Nordamerika
Der 1890 geborene Warlich verließ schon mit 14 Jahren sein Elternhaus und begann als Heizer auf Dampfschiffen zu arbeiten. Möglicherweise kam er in den USA mit anderen Pionieren der Tattookunst wie Charlie Wagner in Kontakt, die ihn zu eigenen Werken inspirierten. Das Foto zeigt einige von Warlichs bekanntesten Zeichnungen, darunter einen Drachen, einen Schmetterling und Rosenblüten.
"König der Tätowierer"
Eine Werbetafel pries Warlich als "König der Tätowierer" an. Vermutlich war er der Erste, der eine elektrische Tätowiermaschine - das Patent geht auf den New Yorker Samuel O'Reilly zurück - in Deutschland benutzte. Warlich bot damit erstmalig eine professionelle Dienstleistung an: Zuvor waren Tattoos an öffentlichen Orten gefertigt worden, wahrscheinlich mit Nadeln an Holzstäben.
Zeitlose Designs
Schmetterlinge, Schädel oder auch Warlichs berühmtestes Werk "Der Ruin des Mannes" - auch heute noch lassen sich Menschen von seinen Werken inspirieren. Manchmal ohne es zu wissen. Auf Instagram zeigt #InspiredByWarlich wie beliebt seine Skizzen sind. Er kreierte klassische Motive, die von der US-Popkultur und der Europäischen Kunst beeinflusst waren. Auch Botticelli und Dürer inspirierten ihn.
Er tätowierte alles - nur nicht im Gesicht
"Alles, was der männliche Körper ausdrücken soll, steche ich ein: Politik, Erotik, Athletik, Ästhetik, Religion, in sämtl. Farben, an allen Stellen. Streng reell!" so wird Warlich in einer Anzeige zitiert. Eine Ausnahme bildete jedoch das markanteste Körperteil. Während einer Gerichtsverhandlung sagte er 1951: "Ein anständiger Tätowierer tätowiert nicht im Gesicht und auch keine Betrunkenen."
Eine uralte Technik
In den 1770er Jahren kam Kapitän James Cook von Reisen in den Südpazifik mit dem Wort "Tattoo" zurück. Doch die Praktik des Tattoo-Stechens ist auch in der westlichen Welt schon bedeutend älter. Tattoos wurden bereits auf dem 5300 Jahre alten Gerippe von Ötzi gefunden. Im 17. Jahrhundert ließen sich Pilger Kreuze stechen. Und auch bei der Oberschicht waren Tattoos eine Zeit lang in Mode.
Seemannscode
Die Verbindung zwischen Tattoos und Seemännern wuchs infolge der Reisen von Kapitän Cook. Für die Seemänner bot die Körperkunst die Chance, ihre Reisen zu dokumentieren. Viele Tattoos waren von symbolischer Bedeutung oder bezeugten einen Aberglaube. Auch die österreichische Kaiserin Sissi (1837-1898) ließ sich mit 51 Jahren einen Anker auf ihren Arm stechen, als Zeichen ihrer Liebe zum Meer.
Ein bleibender Name
Nicht viele Künstler der damaligen Zeit aktualisierten ihre Designs - Christian Warlich schon. Er fügte seinem Repertoire an Tattoos immer weitere Vorlagen hinzu. Warlich starb 1964. Er hatte über 40 Jahre lang als Tätowierer gearbeitet und seine Kunstwerke auf den Körpern von mehr als 50.000 Klienten platziert, darunter auch Prinz Axel und Prinz Viggo von Dänemark.
Neue Edition des Vorlagealbums
Nach Warlichs Tod erwarb das Museum für Hamburgische Geschichte seine Besitztümer, inklusive des berühmten Vorlagealbums. Verschiedene Versionen wurden bislang veröffentlicht, allerdings blieb die Qualität der Drucke hinter den Originalen zurück. Kürzlich erschien eine neue Edition im Prestel Verlag, herausgegeben von dem Kunsthistoriker und Tattooforscher Ole Wittmann.
Auf den Spuren von Tattoo-Legenden
Die Ausstellung "Tattoo Legenden. Christian Warlich auf St. Pauli" läuft bis zum 25. Mai 2020 im Museum für Hamburgische Geschichte. Sie zeugt von Warlichs ungebrochener Bedeutung und dokumentiert die Geschichte des Tätowierens in Hamburg. Einerseits integriert sie dazu Arbeiten weiterer Tattoo-Pioniere aus St. Pauli und stellt andererseits historische Bezüge zu internationalen Tattoo-Profis her.