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Der heiße Draht zur Fledermaus

Karin Jäger14. Juli 2015

"Vampir" - der Spitzname sagt viel über das Image der Fledermaus aus. Dabei sind die Tiere Opfer. Eine aussterbende Spezies. Daher streng geschützt. Eine Telefonberatung soll helfen, aufzuklären und Vorurteile abzubauen.

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Fledermaus (Foto: NABU).
Bild: Karl-Heinz Bickmeier/NABU

"Nabu-Fledermaus-Telefon. Gatz. Guten Tag", meldet sich eine gutgelaunte und sympathische Stimme. Der wievielte Anrufer ich heute bin, will ich, nach kurzer Vorstellung, zuerst wissen. Petra Gatz kann sich das Lachen nicht verkneifen. Eine ungewöhnliche Frage. "Der Zwölfte". Wieder Lachen. Noch keine zwei Stunden sitzt die Fledermaus-Beraterin an diesem Tag am Telefon.

Erst Ende Mai richtete der Naturschutzbund Deutschland (NABU) die Nummer ein. Wer sie wählt, landet direkt bei Petra Gatz in Wetzlar oder einer ihrer beiden Kolleginnen aus den Nabu-Landesverbänden. Sie beraten Anrufer im Schichtdienst - auch am Abend, an Feiertagen und Wochenenden. "Wenn man bei den Behörden niemanden erreichen kann, ist die Nachfrage besonders groß", erklärt Gatz "und gerade jetzt in den Fledermausmonaten steht das Telefon nicht still."

Petra Gatz (Foto: Foto: privat).
Fledermaus-Expertin Petra Gatz hat seit dem Start der Hotline ganz schön was zu tunBild: privat

Zwischen Juni und August werden die Jungtiere geboren. In dieser Zeit stellen manche Leute überhaupt erst fest, dass die unbekannten Säugetierchen sich im Dachstuhl des Hauses ausgebreitet haben. Sie richten keinen Schaden an und sind sehr friedliche und genügsame Mitbewohner. In seltenen Fällen können sie allerdings Träger des Tollwutvirus sein. Eine mögliche Übertragung ist nur durch einen Biß eines solchen Tieres möglich. Deswegen ist es wichtig, Fledermäuse nicht mit bloßen Händen anzufassen, gibt die Expertin Auskunft.

"Jede Minute am Telefon wert"

Andere Anrufer haben Jungtiere gefunden, die aus ihrem Quartier gepurzelt sind und wollen nun wissen, was sie tun sollen. Überdurchschnittlich positiv seien die Leute am Telefon gegenüber den kleinen Wesen eingestellt, hat Petra Gatz erfahren: "Manch einer gibt zu, misstrauisch zu sein, macht sich aber immerhin die Mühe, im Gespräch mehr zu erfahren. Dann ist es jede Minute wert, die wir am Telefon sitzen." Zum Beispiel verspeisen die Tiere in einer Nacht bis zu 4000 Mücken, die den Menschen nicht mehr stechen können, gibt Gatz zur Antwort nach dem Nutzen der Insektenfresser.

Die spitzen "Vampirzähne", ihr lautloser Flug mit breiten Schwingen am dunklen Himmel und die Tatsache, dass ihre Lebensweise kaum bekannt ist, haben zur Mythenbildung beigetragen. Immer wieder versuchen die Nabu-Mitarbeiterinnen, die aus dem Mittelalter überlieferten hartnäckigen Gerüchte auszuräumen. Damals sagte man Fledermäusen magische Kräfte nach. "Bis heute hat sich die Legende gehalten, Fledermäuse würden in die Haare von Menschen fliegen. Das ist reiner Unsinn", erklärt Petra Gatz.

Die meisten Menschen haben die scheuen, stillen und nachtaktiven Fledermäuse noch nie aus der Nähe gesehen, was bestehende Vorbehalte zu verstärken scheint. Selbst Wissenschaftler benötigen Nachtsichtgeräte und Infrarotkameras zur Erforschung der Flattertiere. Nur zirka acht Zentimeter groß werden die heimischen Fledertiere. Und sie haben ganz unterschiedliche Fähigkeiten und Körperformen entwickelt, je nach Beuteschema am Boden oder in der Luft.

NABU Fledermäuse
Abenteuerlich: Fledermausexkursion bei NachtBild: NABU/B. Schaller

Das erfahren Teilnehmer von Fledermausnächten und Fledermauserkundungen, die Naturschutz- und Umweltorganisationen durchführen. Oder eben bei einem Anruf der Nabu-Hotline.

Überlebenskünstler mit Höchstschutzstatus

Fossilienfunde haben gezeigt, dass Fledermäuse 50 Millionen Jahre existieren, sie so alt sind wie Dinosaurier. Sie haben kuriose Namen erhalten wie Große und Kleine Hufeisennase, Wimpern- oder Mopsfledermaus.

Und Forscher entdecken immer wieder Neues an dieser uralten Spezies. So können einige Unterarten mit dem Kehlkopf Ultraschallwellen zur Erkundung aussenden. Andere verwenden dafür die Zunge. Permanent senden sie Klicklaute im Ultraschallbereich aus. Anhand der reflektierten Echos erkennen sie, was bis zu 300 Meter vor ihnen liegt. Das Gehirn wandelt Geräuschsignale in Bilder um. Viele Arten schlafen nach Geschlechtern getrennt in Kolonien, schließen sich aber nachts bewusst zur Jagd zusammen.

In Deutschland allerdings sind vier von 24 Arten akut vom Aussterben bedroht, weitere acht gefährdet. "Ursache für die starken Bestandseinbrüche in den vergangenen Jahrzehnten ist vor allem die intensive Landwirtschaft und der Einsatz von Pestiziden", zitiert Gatz den Nabu-Präsidenten Olaf Tschimpke.

Und viele Quartiere würden vom Menschen unbewusst zerstört, zum Beispiel durch die Renovierung von Dachböden, die Versiegelung von Hohlräumen an Häusern. "Fledermäuse sind nicht in der Lage, sich ein Nest zu bauen oder eine Höhle zu graben", sagt Petra Gatz.

Dehalb nisten sie sich in Häusern ein - trotz der Nähe zum Menschen. Zusätzlich werden Quartiere wie unterirdische und stillgelegte Basaltgruben, Höhlen und Felsspalten als Naturschutzgebiet für Fledermäuse ausgewiesen.

Machtlos gegen Windräder

Ein zunehmendes Problem stellen Windkraftanlagen dar. Dagegen nützt ihnen auch das Prädikat "streng geschützt" nichts. Jährlich sollen mehr als 250 000 Tiere durch die Rotoren zu Tode kommen. Sie sterben nicht durch direkte Kollisionen mit den Propellern.

Vielmehr verbluten die meisten Tiere innerlich, weil sie sogenannte Barotraumata erleiden. Sie können die stark schwankenden Luftdruckverhältnisse mit ihrem Echolot nicht erkennen. Bei Unterdruck dehnen sich die sackartigen Lungen plötzlich stark aus. Die Lungenbläschen platzen, angrenzende Blutgefäße reißen. "Das bedeutet den Tod", sagt Petra Gatz, die wirklich alles über Fledermäuse weiß.

Windanlage in Deutschland von der Firma Fuhrländer
Windanlage: lebensgefährlich für FledermäuseBild: Fuhrländer

"Fledermäuse sind sehr neugierig, was das Erkunden von neuen Nahrungs- und Lebensräumen angeht, fügt die Nabu-Frau zum Abschluss hinzu: "Deshalb haben sie seit Millionen Jahren auf der Erde überlebt." Bleibt zu hoffen, dass die Tiere auch eine Strategie im Umgang mit Windkraftanlagen entwickeln. Oder der Mensch findet eine Lösung.