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Deutschland-Tourismus stellt sich neuen Herausforderungen

Max Zander3. März 2015

Fanmeilen zur Fußball-WM, Mauerfall-Jubiläum und die traditionellen Weihnachtsmärkte: Großereignisse bescherten Deutschland 2014 historische Besucherzahlen und setzten Maßstäbe für die neue Saison.

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Ein Touristenpärchen fotografiert sich am vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Menschen aus aller Welt tummeln sich an diesem Februarnachmittag auf dem Pariser Platz. Sie blättern in Reiseführern, posieren allein oder in der Gruppe für Fotos vor dem Brandenburger Tor. "Ich interessiere mich besonders für die Geschichte, für den Kalten Krieg und das Dritte Reich", sagt Taylor aus den USA. Morgen will sie mit ihrer Freundin zur KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen fahren. Fred, eine junge Dame aus Paris, besucht Freunde. Sie möchte eigentlich gar nicht als Touristin erkannt werden. "Ich kenne die Stadt gut, komme regelmäßig hierher", erklärt sie lachend in fast akzentfreiem Deutsch. Ein kleines Stück weiter erklärt ein älterer Herr aus Australien seiner Frau das Berliner Wahrzeichen: "Das letzte Mal, als ich hier war, war ringsum alles abgesperrt", sagt er. So viele Menschen wie noch nie kamen im letzen Jahr nach Deutschland. Von 424 Millionen Übernachtungen betrug der Anteil ausländischer Gäste 75,5 Millionen. Und es werden immer mehr.

Großveranstaltungen in der Hauptstadt
Spitzenreiter unter den deutschen Touristenzielen ist nach wie vor Berlin. Geschichtsträchtige Orte, die kulturelle Vielfalt und das pulsierende Nachtleben ziehen nach wie vor Besucher aller Altersgruppen in die Stadt. 28,7 Millionen Übernachtungen wurden im letzten Jahr gezählt, 6,7 Prozent mehr als 2013. Fast die Hälfte der Berlinbesucher kommt aus dem Ausland.

Events wie das Public-Viewing während der Fussball-WM und vor allem die Festivitäten zum Mauerfall-Jubiläum haben ihren Teil dazu beigetragen. "Die Lichtgrenze hat die Besucher begeistert und brachte uns das bisher stärkste Tourismus-Jahr", sagt Burkhard Kieker von der Tourismusgesellschaft Visitberlin. "Wir rechnen damit, dass die Lichtgrenze Nachfolgeeffekte zeigen wird und dazu beiträgt, das hohe Niveau zu halten." Die Bilder der Lichtinstallation entlang der früheren Grenze zwischen Ost- und Westberlin gingen um die Welt. Visitberlin hofft dadurch auf einen ähnlichen Werbeeffekt wie bereits nach der 20. Mauerfall-Jubiläum vor fünf Jahren.

Auch in diesem Jahr gibt es in der Hauptstadt Großereignisse, einige davon zum ersten Mal. So debütiert am 23. Mai die neu gegründete Formel-E-Serie auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Mit bis zu 20.000 Zuschauern wird gerechnet, wenn die elektrischen Formelrennwagen vor historischer Kulisse an den Start gehen. Im Olympiastadion folgt am 6. Juni das Finale der Champions-League, ehe der Marathon im Herbst wieder internationale Amateure und Profis nach Berlin lockt.

Russische Gäste bleiben aus
In Baden-Baden musste man sich auf Veränderungen einstellen. Der Kurort, der seit vielen Jahren wieder ein beliebtes Reiseziel für russische Gäste geworden ist - ganz in der Tradition von Dostojewski und Zar Nikolaus II. - musste erhebliche Einbußen verkraften. Aufgrund der Wirtschaftssanktionen gegen Russland ist die Zahl der russischen Gäste kontinuierlich gesunken. 2014 kamen 17,3 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Dabei sind gerade die Russen besonders wichtig für den Tourismusstandort Baden-Baden. Sie kommen vor allem aus gesundheitlichen Gründen, etwa für medizinische Untersuchungen und Behandlungen. Damit haben sie für gewöhnlich auch die längsten Aufenthalte.

Kurhaus und Kurpark von Baden-Baden. Foto: dpa/F. Gierth
Eleganz aus der Belle Epoque: Das Kurhaus von 1824 in Baden-BadenBild: picture-alliance/dpa/F. Gierth
Läufern rennen um die Siegessäule beim Berlin-Marathon. Foto: REUTERS/Tobias Schwarz
Für den Berlin-Marathon kommen Läufer aus der ganzen Welt angereistBild: Reuters

Durch eine gesteigerte Nachfrage aus anderen Ländern konnte dieses Defizit kompensiert werden. Vor allem amerikanische Touristen und Gäste aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi Arabien haben die frei gewordenen Kapazitäten angenommen. Dabei sind ihre Beweggründe ganz unterschiedlich. "Die Amerikaner sind am ehesten auf der Suche nach dem Alten, dem 'good old Germany', unsere arabischen Gäste schätzen vor allem die Seen und Parks und die Möglichkeit, sich fußläufig mit Kindern in einem sicheren Umfeld zu bewegen", so Tourismus-Chefin Brigitte Goertz-Meissner. Unter dem Strich konnte mit 976.000 Gästeübernachtungen in Baden-Baden im letzten Jahr dann doch ein Plus von 2,8 Prozent erzielt werden.

München entdeckt Nischenpotential
Auch in München wachsen die Tourismuszahlen seit zwölf Jahren kontinuierlich. Im letzten Jahr wurden 13,4 Millionen Übernachtungen gezählt, ein Wachstum von 4,3 Prozent. Um an diese Erfolge anzuknüpfen schlägt die Bayerische Landeshauptstadt, die unter ausländischen Gästen vor allem für Oktoberfest und Biergärten bekannt ist, neue Wege ein. Der langfristige Plan von München Tourismus sieht vor, das Profil der Stadt zu schärfen und sie in den nächsten zehn Jahren als die "attraktivste europäische Metropole für Genusskultur, Kulturgenuss und Lebensfreude zu positionieren", so Pressesprecherin Susanne Mühlbauer. Konkret bedeutet das: München soll die erste Wahl für Städtereisende mit hohen Ansprüchen werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die Stadt verstärkt auf Nischen, wie das Gay-Marketing. Die Zielgruppe der LGBT-Gäste reist in der Regel mehrfach im Jahr und gibt dabei viel Geld aus. So machen sie in München etwa 415 Millionen von 6,9 Milliarden Euro touristisch bedingter Umsätze aus. Neben den wirtschaftlichen Aspekten möchte man zugleich auch die Weltoffenheit und Toleranz Münchens demonstrieren. Immerhin seit 1998 und als erste deutsche Stadt ist sie im internationalen schwul-lesbischen Reiseverband IGLTA organisiert. Um den Anforderungen dieser Zielgruppe gerecht zu werden, wurde zuletzt ein Online-Befragung zum Reiseverhalten schwul-lesbischer Gäste in Auftrag gegeben. Erste Ergebnisse werden Ende März 2015 erwartet.

Christian und Georg küssen sich beim Christopher Street Day vor dem Rathaus in München. Foto: Felix Hörhager/dpa
Beim Christopher Street Day demonstrieren Schwule und Lesben in München für ein solidarisches MiteinanderBild: picture-alliance/dpa/F. Hörhager