1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hitzfeld 2007

Oliver Samson8. März 2007

Bis vor Wochen war Ottmar Hitzfeld ein hochrespektiertes Auslaufmodell. Nun hat er die Bayern aus der Depression ins Viertelfinale der Champions League geführt. Ist der neue Hitzfeld der beste Hitzfeld aller Zeiten?

https://p.dw.com/p/9yWg
Erholt: Ottmar Hitzfeld 2007Bild: picture-alliance/dpa

Nur Hunde altern schneller als Fußballtrainer. Bei Ottmar Hitzfeld war das besonders deutlich zu sehen. Der Stress nagte so sichtbar an ihm, dass er auch Menschen leid tun konnte, die normalerweise dem FC Bayern München alles Schlechte wünschen. Als "Leiden Christi" musste Hitzfeld sich beschreiben lassen. Er, den sie früher den General nannten. "Ich habe ja wirklich schlecht ausgesehen", sagt Hitzfeld heute. "Ich war damals verbraucht und ausgelaugt."

Zweieinhalb Jahre - eine Ewigkeit

Das scheint lange her. Zweieinhalb Jahre war Hitzfeld weg vom Geschäft, eine halbe Ewigkeit im Fußball. Und was das für zweieinhalb Jahre waren. Als Hitzfeld bei den Bayern hinwarf, lag ganz Fußball-Deutschland am Boden. Die Nationalmannschaft unter ihrem Trainer Rudi Völler bekam bei der Europameisterschaft 2004 schonungslos gezeigt, dass sie nicht konkurrenzfähig war - Aus in der Vorrunde. Hitzfeld sollte übernehmen und lehnte ab. Er fühlte sich gesundheitlich nicht in der Lage. Klinsmann, die WM und der Wahn kamen und gingen, von Hitzfeld als Fernsehmoderator begleitet. Und als man nach der WM wieder einen Bundestrainer suchte, wurde er gar nicht mehr ernsthaft umworben. Eine andere Zeitrechnung hatte begonnen. Hitzfeld als Trainer schien ein Anachronismus geworden zu sein.

In der Zeit vor dem Ausstieg hatte Hitzfeld erreicht, was kein Trappatoni, kein Fergusson, kein Capello kein Lippi, kein Wenger, überhaupt kein Trainer seiner Generation schaffte: Er gewann als erster Trainer zwei Mal die Champions League, 1997 mit Borussia Dortmund, 2001 mit Bayern München. Zwei Mal wurde er zum Welttrainer des Jahres gewählt. Er domestizierte schwierige Spieler Spieler wie Andreas Möller, Mario Basler, Stefan Effenberg und Lothar Matthäus und gewann neben einer Fülle von Titeln vor allem eines: weltweiten Respekt.

Stabil für das Nervenstahlbad?

Als Hitzfeld im Febraur 2007 die Nachfolge des geschassten Felix Magaths beim FC Bayern und damit eine desaströse Mannschaft übernahm, überwog in den Medien die Skepsis. Konnte die Volte zurück in die Vergangenheit wirklich die Rettung der Minimalziele des FC Bayern sein? Kann Hitzfeld als Feuerwehrmann funktionieren? Und vor allem: Ist der 58-Jährige stabil genug, um den Wechsel von der Ruhe seines Wohnsitzes im schweizerischen Alpenort Engelberg ins Nervenstahlbad internationaler Fußball zu überstehen?

Kaum zwei Monate nach seiner Amtsübernahme sind die Fragezeichen weggepustet. Die Formkurve der Bayern ist gestiegen. Aufholbare vier Punkte Abstand zu Platz zwei in der Meisterschaft und die damit verbundene Direktqualifikation für die Champions League ist wieder in Sicht, in der Champions League das Viertelfinale nach dem Sieg gegen die ehemals Galaktischen von Real Madrid erreicht. Die Bayern überzeugen zwar nicht, gewinnen aber wieder - eine Kombination, die nicht nur die deutsche Konkurrenz fürchtet. Das scheinbare Auslaufmodell ist noch immer ein Erfolgstrainer.

Hierarchie und Aggression

Hitzfeld betont stets, seine Auszeit als "Fortbildung" verstanden zu haben. Er scheint sie genutzt zu haben. Der Fortgebildete hat bei den Bayern bisher alles richtig gemacht: Er gibt klare taktische Vorgaben und den verunsicherten Bayern-Spielern in unzähligen Gesprächen Selbstvertrauen zurück. Hitzfeld setzt auf klare Hierarchien. "Wir brauchen eine gute Achse", sagt Hitzfeld. "Kahn, Lucio, Van Bommel, vorne die Stürmer mit Roy Makaay und neuerdings Podolski." Alle diese Spieler sind tatsächlich wieder von Schatten zu Leistungsträgern geworden. Und Hitzfeld flößte den Bayern wieder Aggression ein: Hasan Salihamicic wütet wieder in Hochform die Seitenlinie hoch und runter. Marc van Bommel machte Hitzfeld zum "Aggressiv Leader": eine Hitzfeldsche Schöpfung für einen Spieler, der auf dem Platz physisch und psychisch austeilt. "Wie früher Effenberg", sagt Hitzfeld.

In den gleichen Medien, die vor Wochen noch am Sinn Hitzfelds Engagement gezweifelt haben, ist nun vom besten Hitzfeld aller Zeiten die Rede. Zumindest dürfte es selten einen Hitzfeld gegeben haben, der sich so gut gefühlt hat. Er blüht in seinem neuen, alten Job sichtlich auf. "Ich bin selbst überrascht, wie gut ich mich derzeit fühle", sagt er. "Ein Experiment", sei sein viermonatiges Engagement bei den Bayern, sagt Hitzfeld weiter. Noch gibt es keine Indizien, dass er gewillt ist, auch nach der Saison den Versuch weiter zu führen. "Ich habe 2004 zwei Jahre zu spät aufgehört", sagt Hitzfeld. Das wird Hitzfeld sicher nicht nochmal passieren.