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Der Atomstreit eskaliert

28. April 2006

Nach Ablauf der vom UN-Sicherheitsrat an den Iran gesetzten Frist droht eine weitere Verschärfung des Atomstreits. Die USA dringen auf Sanktionen und schließen die militärische Option nicht aus.

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Mahmud Ahmadinedschad: "Keine Zugeständnisse"Bild: picture-alliance/dpa
Kriegsrat im Weißen Haus
Die US-Regierung soll schon seit 2002 Pläne für einen Angriff auf den Iran entwickelnBild: AP

Im Atomstreit mit dem Iran scheint eine Eskalation vorprogrammiert. Wenige Stunden vor Ablauf der vom UN-Sicherheitsrat gesetzten Frist an diesem Freitag (28.4.2006) gab sich Teheran ablehnend und selbstbewusst. Keinesfalls werde man auf die Urananreicherung verzichten, trotzte Präsident Mahmud Ahmadinedschad der Forderung des New Yorker Gremiums. Der Iran werde seine "Rechte ohne jegliche Zugeständnisse" in Anspruch nehmen.

Gespräche in letzter Minute

Beobachter erwarten deshalb, dass der vom Sicherheitsrat Ende März von der Wiener Atombehörde IAEO angeforderte Iran-Bericht "negativ" ausfallen wird. Denn Teheran hat die umstrittene Urananreicherung nicht gestoppt und die Arbeiten in der Atomanlage von Natans sogar noch beschleunigt. Auch die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergie-Organisation bei der Aufklärung des lange geheimen iranischen Atomprogramms stößt weiter auf den Widerstand Teherans. So frustriert soll IAEO-Chef Mohammed el Baradei über seine Gespräche Mitte April in Teheran gewesen sein, dass er eine weitere Reise seines Stellvertreters Berichten zufolge absagte.

Mohamed El Baradei
Mohammed el BaradeiBild: AP

Die USA streben als nächsten Schritt eine Resolution des mächtigsten UN-Gremiums an, die dem Iran mit Sanktionen und eventuell auch militärischer Gewalt droht, falls er nicht auf die Urananreicherung verzichtet. Der oberste iranische Führer, Ajatollah Ali Chamenei, drohte den USA noch am Mittwoch im Falle eines Angriffs mit massiver Vergeltung. "Wenn sie uns angreifen, dann wird ihren Interessen überall in der Welt geschadet. Sie bekommen jeden Schlag, den sie uns zufügen, doppelt zurück", sagte Chamenei im staatlichen iranischen Fernsehen. Iran sei immer für den Frieden eingetreten und habe in den vergangenen 27 Jahren niemanden angegriffen: "Aber wir sind keine Nation, die auf einen Militärschlag nicht zurückschlägt."

Kein zwangsläufiger Gewalteinsatz

Zwar steuern die USA nicht zwangsläufig auf einen Gewalteinsatz zu. Doch die Spielräume für eine diplomatische Lösung scheinen immer enger zu werden. Sollte die Diplomatie scheitern, wäre dies aber auch das Resultat davon, dass die USA und der Iran in den vergangenen Jahren gleich mehrere konkrete Chancen ausgelassen haben, ihre historisch belasteten Beziehungen zu verbessern.

Die alten Erblasten sind auf beiden Seiten schwer abzuschütteln. Im Iran ist dies vor allem die Erinnerung an die "Operation Ajax", mit der der US-Geheimdienst CIA 1953 den iranischen Regierungschef Mohammed Mossadegh stürzte und die Herrschaft von Schah Resa Pahlewi zementierte. Umgekehrt hat sich in den Vereinigten Staaten das Trauma vom 4. November 1979, als Studenten die US-Botschaft in Teheran stürmten, um dort 52 Geiseln mehr als ein Jahr lang festzuhalten, tief in die kollektive Psyche eingebrannt. Die diplomatischen Beziehungen sind bis heute abgebrochen und die Verurteilung der USA als "Großer Satan" gehört weiter zur offiziellen iranischen Rhetorik.

Am Mittwoch suchten die iranischen Chefs für Atomangelegenheiten noch einmal in letzter Minute das Gespräch mit el Baradei, doch in Wien erwartet nicht nur US-Botschafter Greg Shulte, dass dessen Report die Befürchtungen der Iran-Skeptiker weitgehend bestätigen wird. "Eine diplomatische Zuspitzung ist in diesem Fall so gut wie sicher", warnte ein EU-Diplomat am Donnerstag.

Vollendete Tatsachen

Statt der Forderung der Vereinten Nationen nach einer Aussetzung der Urananreicherung nachzukommen, versuchte Teheran in den vergangenen 30 Tagen, vollendete Tatsachen zu schaffen. Triumphierend gab Ahmadinedschad bekannt, dass seinen Ingenieuren in der Atomanlage Natans die Urananreicherung gelungen sei: "Wir sind jetzt ein Atomstaat." Gerade dies aber wollten die fünf permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland mit ihrem Ultimatum verhindern. Denn angereichertes Uran kann auch zum Atombombenbau verwendet werden. Und Teheran wird weiter verdächtigt, heimlich den Besitz von Atomwaffen anzustreben. Die EU-Unterhändler wollen bei ihrer Vorbedingung bleiben: "Ohne die Aussetzung der Anreicherung keine Verhandlungen" heißt es in Berlin, Paris und London. "Anerkennung des iranischen Atomstaats vor Verhandlungen", fordert Teheran. Leise Diplomatie scheint angesichts der lauten Töne des Iran zurzeit kaum möglich.

Nun müsse im Weltsicherheitsrat der nächste Schritt ausgehandelt werden, sagte ein EU- Diplomat: "Wir reden hier keinesfalls über Sanktionen". Vielmehr würden das EU-Trio und die USA versuchen, Russland und China für eine Resolution zu gewinnen, in der Teheran verbindlich eine erneute Frist gesetzt wird. Moskau und Peking lehnen zwar Sanktionen gegen den Iran ab, haben sich aber stets für eine diplomatische Lösung stark gemacht. (stu)