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Den Schuldigen auf der Spur

Christine Harjes22. Juni 2004

Vor zehn Jahren rief die ruandische Regierung ihre Bürger zum Mord an den Tutsi auf. Noch im selben Jahr gründete die UN ein Sondergericht, um die Verbrechen aufzuklären. Eine Zwischenbilanz.

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Gedenkstätte für Opfer des VölkermordesBild: AP

Mehr als 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu wurden in innerhalb von rund 100 Tagen getötet. Der größte Völkermord seit dem Holocaust. Um die Verbrechen auzuklären, rief der UN-Sicherheitsrat den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) ins Leben. Seinen Sitz hat das Tribunal in Arusha im Norden des Nachbarlandes Tansania. Aufgabe des ICTR ist die strafrechtliche Verfolgung von Personen, die in der Zeit vom 1. Januar und dem 31. Dezember 1994 für den Völkermord und andere schwerwiegende Verletzungen der internationalen Menschenrechtsgesetze in Ruanda verantwortlich sein sollen. Weil das Tribunal ausschließlich für die Aufarbeitung dieses Bürgerkriegs zuständig ist, wird es - wie der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien als "Ad-hoc-Gericht" bezeichnet. Der Strafgerichtshof besteht aus drei Kammern mit jeweils drei internationalen Richtern. In der Berufungskammer, die ihren Sitz in Den Haag hat, sind sieben Richter tätig.

ICTR Logo
Logo des ICTRBild: UN

Lebenslange Haft

Gegen 81 Verdächtige hat der ICTR im Zusammenhang mit den Bürgerkriegsverbrechen in Ruanda Anklage erhoben. Drei von ihnen wurden frei gesprochen, 19 bereits verurteilt. Zuletzt (17.6.2004) verhängte das Gericht für den ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde Rosuma eine Haftstrafe von 30 Jahren. Der 57-jährige Sylvestre Gacumbitsi wurde nach der rund 100-tägigen Verhandlung des Völkermordes und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig befunden. Zeugen hatten ausgesagt, Gacumbitsi habe Waffen an extremistische Hutu-Milizen verteilt und sie ermuntert, Tutsi-Frauen zu vergewaltigen. Gacumbitsi soll Milizen befohlen haben, mehr als 20.000 Menschen in der katholischen Nyarubuye-Gemeinde zu töten. "Er wurde einstimmig für schuldig befunden", sagte Roland Amoussouga, ein Sprecher des Tribunals.

Bereits 1994 verurteilt wurde der zur Zeit des Genozids in Ruanda amtierende Premierminister Jean Kabanda. Seine lebenslange Haftstrafe setzte Zeichen: Sie machte deutlich, dass internationales Strafrecht auch bei höchsten Autoritäten Gültigkeit hat. Der ICTR half so, die Bedingungen für den Milosevic-Prozess zu schaffen.

Wichtige Hilfe

Weitere 14 Minister der ruandischen Zwischenregierung von 1994 befinden sich in Gewahrsam des Tribunals. Unter den Gefangenen befinden sich außerdem Militär-Kommandeure, hochrangige Regierungsmitarbeiter, bekannte Geschäftsleute, kirchliche Führer, Journalisten, Intellektuelle sowie andere einflussreiche Personen. 22 Staaten, darunter 15 afrikanische Länder haben den Gerichtshof bei der Verfolgung der Verdächtigung unterstützt. Bei Festnahme und Auslieferung von Straftätern ist das Tribunal auf die Kooperation von Staaten angewiesen, da es über keine eigene Polizei verfügt. Andere Länder helfen mit Geldspenden und bieten dem ICTR an, die verurteilten Täter in ihren Gefängnissen aufzunehmen.

Vorbild im internationalen Strafrecht

Für die Untersuchungshäftlinge hat das Tribunal einen Hochsicherheitstrakt innerhalb des Gefängnisses von Tansania in Arusha bauen lassen. Das Gebäude ist das erste von den Vereinten Nationen gebaute und geführte Gefängnis. Es entspricht internationalen Standards und wird regelmäßig vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes überprüft.

Der ICTR gilt mit seiner Verfahrensweise, dem umfassenden Zeugenschutzprogramm sowie der Verteidigungsberatung als Vorbild für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) und den Sondergerichtshof in Sierra Leone. So hat das Tribunal in Sierra Leone die Geschäftsordnung des ICTR übernommen und für seine Zwecke angepasst.