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Demokratisches Duell in Washington

Gero Schließ, Washington3. August 2015

Will US-Vizepräsident Joe Biden doch noch in den Präsidentschaftswahlkampf ziehen und mit Hillary Clinton konkurrieren? Laut Medienberichten erwägt er das. In Washington rätseln viele über Chancen und Beweggründe.

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Joe Biden und Hillary Clinton (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/C. Owen

Joe Biden hat etwas, was Hillary Clinton nicht hat: Der US-Vizepräsident ist jovial, zeigt Emotionen und Wärme, kann gut reden, ist beliebt und polarisiert weit weniger als Hillary Clinton. So jedenfalls sehen es viele seiner amerikanischen Landsleute.

Einen Tag, nachdem die Star-Kolumnistin Maureen Dowd in der "New York Times" von Bidens Ambitionen berichtete, wurde auch eine Umfrage veröffentlicht, die den Unterstützern Hoffnungen machen könnte: Während 51 Prozent der Amerikaner Hillary Clinton als Person ablehnen, sind es bei Biden nur 39 Prozent.

Reicht das für ein erfolgversprechendes Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten? Hat der 72-Jährige im dritten Anlauf echte Chancen auf einen Sieg? "Inzwischen ist es ein wenig spät", meint Michael Werz vom Institut "Center for American Progress". Biden fehle mindestens ein halbes Jahr.

Bisher war Biden in den wichtigen Vorwahlstaaten Iowa und New Hampshire nicht präsent, während sich Hillary Clinton dort bereits seit Wochen tummelt. Constanze Stelzenmüller von der Organisation "Brookings Institution" verweist noch auf ein anderes Defizit: Eine ernsthafte Präsidentschaftskandidatur setze in den USA voraus, dass man sich ein Netzwerk von Geldgebern und Unterstützern organisiert hat.

Nach Einschätzung von Stelzenmüller ist dies bei Biden nicht der Fall. "Das spricht gegen eine glaubwürdige Kandidatur", sagt sie. Biden gehe es wohl eher darum, sich in der nachrichtenarmen Sommerzeit ins Gespräch zu bringen. Aus heutiger Sicht würde sie ihm aber "nicht sehr viele Chancen geben".

"Zehenspitzen in der Arena"

Die jüngsten Umfrageergebnisse deutet Stelzenmüller nicht als Indiz für Erfolg. Dass der jetzige Vizepräsident bei den Sympathiewerten vor Clinton liege und weniger polarisierend wirke, "liegt vielleicht auch daran, dass Biden nur die Zehnspitzen in die Arena hängen lässt," während Clinton schon mitten im Wahlkampf sei.

Für die frühere Außenminsterin Clinton, die das Feld der demokratischen Bewerber bisher souverän anführt, muss eine mögliche Kandidatur Bidens nicht unbedingt eine schlechte Nachricht sein. Ein starker Mitbewerber könnte dem Eindruck entgegenwirken, dass eigentlich alles schon für Clinton gelaufen sei und sie die "unvermeidbare Kandidatin" sei.

Genau dieser Eindruck hatte ihr 2008 bei der ersten Kandidatur geschadet. "Es ist für die demokratische Partei keine besonders gute Situation, wenn es so aussieht, als würde Hillary Clinton einfach nur durchgewunken", bestätigt Michael Werz und fügt hinzu: "Gerade mit Blick auf die junge Generation, auf Minderheiten, auf politische Zukunftsthemen wie Einwanderungsfragen und Umweltpolitik hat sie inhaltlich starke Vorteile" und die könnte sie gegen einen möglichen Konkurrenten wie Biden viel besser herausarbeiten.

Hillary Clinton (Foto: Reuters)
Kämpferisch: Am 13. Juni hielt Hillary Clinton in New York ihre Auftaktrede als PräsidentschaftskandidatinBild: Reuters/B. McDermid

Ohne politisches Profil

In Washington gilt der 72-jährige Biden als Vertreter der alten Garde. Lange saß er für die Demokraten im Kongress und Senat. Ausgerechnet die langjährige Politik-Erfahrung könnte ihm nun zum Nachteil gereichen.

"Sein Alter, zwei gescheiterte Kandidaturen und kein wirklich überzeugendes politisches Profil, das sind seine Defizite", mein Stelzenmüller. Ein Vorteil sei, dass er anders als Hillary Clinton nicht in politische Skandale verwickelt ist.

Clintons sogenannte E-Mail-Affäre wird von ihren Gegnern mit großer Wollust als Wahlkampf-Munition genutzt. Der Vorwurf, dass sie als Außenministerin dienstliche E-Mails regelwidrig über ihr privates Konto abwickelte und damit Staatsgeheimnisse verriet, steht im Raum. Laut New York Times berät das US-Justizministerium aufgrund des Ersuchens zweier Ermittler, ob gegen Clinton ein Strafverfahren eröffnet wird.

Bisher wirkte sich dies in den Umfragen nicht negativ für Clinton aus. Michael Werz vom Center for American Progress rät dazu, die Angelegenheit nicht überzubewerten. Ähnlich wie beim Bengasi-Untersuchungsausschuss gehe es ihren konservativen Gegnern darum, eine "starke Kandidatin mundtot zu machen".

Kandidatenkür am Totenbett?

Joe Biden und Hillary Clinton kennen sich seit vielen Jahren und arbeiteten in der ersten Amtszeit von Präsident Barack Obama zusammen. Ihr Verhältnis ist durch eine lange Zeit des politischen Wettbewerbs geprägt. Doch gibt es zwischen ihnen keine Animositäten oder persönliche Vorbehalte.

Obama ist mit seinem Vizepräsidenten eng befreundet. Unvergessen ist seine Trauerrede für Beau Biden, den jüngst an Krebs verstorbenen Sohn von Joe Biden. Laut Medienberichten war es auch Beau Biden, der seinen Vater zuletzt noch am Totenlager bedrängte, zu kandidieren.

Joe und Beau Biden 2009 im Irak (Foto: AP)
Am 30. Mai verstarb Joe Bidens Sohn "Beau" Biden im Alter von 46 Jahren an KrebsBild: picture-alliance/dpa

Was daran Inszenierung ist und was Wahrheit, bleibt dahingestellt. Auf jeden Fall steht Michael Werz nicht alleine mit der Ansicht, dass solche Berichte Fragen nach Stilgefühl und gutem Geschmack aufwerfen.

Und so bleibt es am Ende unklar, was das Biden-Lager gut 16 Monate vor der Wahl bewogen hat, mit möglichen Präsidentschaftsambitionen von Joe Biden an die Öffentlichkeit zu gehen. Ist es schlicht "der gewöhnliche Narzissmus von Leuten, die lange in der Politik gewesen sind", wie Michael Werz vermutet? Oder will Biden austesten, wie gut seine Chancen sind?

Vielleicht liegt aber auch Jeff Zeleny, der Washingtoner Korrespondent von CNN richtig. Biden wolle ein deutliches Signal an Wähler und Unterstützer aussenden, "dass er sich alle Optionen offen hält".