Das Tunnelsystem unter Gaza
Die Bodenoffensive der israelischen Armee soll in erster Linie der Zerstörung von Tunneln der Hamas dienen, durch die Kämpfer nach Israel vordringen können. Die unterirdischen Gänge haben aber auch andere Funktionen.
Lebensader und Schmuggelweg
Die Palästinenser sehen sie als Lebensader des Gazastreifens, für Israel sind es Schmuggelwege für Waffen und Kämpfer: Mehrere hundert, vielleicht sogar tausend Tunnel verbinden den abgeschotteten Gazastreifen mit der Außenwelt. Selbst Tiere werden durch die oft nur hüfthohen Gänge geschleust.
Gefangen im eigenen Land
Im Gazastreifen leben etwa 1,8 Millionen Palästinenser. Von den Nachbarn Israel und Ägypten sind sie durch hohe Mauern und eine schwer befestigte Grenzanlage vollkommen isoliert. Die einzige Möglichkeit zur Ein- und Ausreise war lange Zeit der Grenzübergang Rafah nach Ägypten. Nach der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen im Juni 2007 wurde jedoch auch dieser Grenzübergang geschlossen.
Gefährlicher Bau
Seitdem sind die Tunnel die einzige Verbindung. Gebaut werden die Gänge meist mit einfachen Mitteln wie Spitzhacke und Schaufel. Als Stützen dienen oft Holzlatten, größere Tunnel sind mit Beton verkleidet. Für junge Palästinenser ist der Tunnelbau eine der wenigen Möglichkeiten, um Geld zu verdienen. Immer wieder kommt es bei den Bauarbeiten zu Todesfällen unter Tage.
Versteckter Zugang
Die Eingänge zu den Tunneln liegen oft versteckt in Wohnhäusern, damit sie von außen nicht einsehbar sind. Wer sie benutzen will, muss Geld bezahlen. Die Hausbesitzer werden an den Einnahmen beteiligt. Aus israelischer Sicht wird den Menschen im Gazastreifen dadurch viel Geld entzogen, das dann an anderen Stellen fehlt.
Nachschub für den Bau
Die Palästinenser bringen durch die Tunnel Zement und andere Baumaterialien ins Land, um die Infrastruktur zu erhalten und auszubauen. Auch Konsumgüter wie Kleidung und Lebensmittel werden durch die engen Röhren transportiert. Aber auch Raketen und Sprengstoff werden durch die Tunnel nach Gaza geschleust.
Gewachsenes System
Tunnel gibt es im Gazastreifen seit mehr als 30 Jahren. 1982 war die Stadt Rafah ganz im Süden nach dem ägyptisch-israelischen Friedensvertrag von 1979 geteilt worden. Ab da gehörte eine Hälfte zu Gaza, die andere zu Ägypten. Über die Tunnel wurde der Austausch in der geteilten Stadt organisiert. Im Laufe der Jahre wurde das illegale unterirdische Netz immer mehr erweitert.
Gut vernetzt
Auch einige der einfachen Tunnel verfügen inzwischen über eine ausgefeilte Infrastruktur. Neben Stromleitungen gibt es auch Telefon, damit die Tunnelarbeiter Kontakt nach oben halten können. Bei Angriffen der israelischen Armee dienen die Röhren nicht nur als Transportweg, sondern auch als Schutzraum vor Angriffen und als Versteck.
Auch Ägypten zerstört Tunnel
Nicht nur Israel, auch Ägypten ist gegen die Tunnel. Denn auf dem Sinai kommt es immer wieder zu Anschlägen, die mutmaßlich von der Hamas gesteuert werden. Die ägyptische Armee zerstört daher seit Jahren die Tunnel auf ägyptischer Seite. Selbst die Regierung der Muslimbrüder unter dem abgesetzten Präsidenten Mursi, die der Hamas politisch nahe stand, ging gegen die Tunnel vor.
Gefahr aus dem Untergrund
Manche Tunnel dienen ausschließlich dazu, israelische Soldaten zu töten. So wurden in der Vergangenheit immer wieder israelische Militärbasen untergraben und von unten in die Luft gesprengt. Das von der Hamas veröffentlichte Bild aus dem Jahr 2004 zeigt den Sprengstoff, mit dem im Dezember des Jahres durch eine unterirdische Explosion fünf IDF-Soldaten getötet und zehn weitere verletzt wurden.
Minister im Tunnel
Einen gut ausgebauten und mit Beton verkleideten Tunnel, der vom Gazastreifen nach Israel führte, besichtigte der israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon im Jahr 2013. Der Tunnel sollte nach israelischen Angaben für Angriffe der Hamas in Israel und potentielle Entführungen israelischer Staatsbürger genutzt werden.
Offensive dauert an
Israel hat nach eigenen Angaben seit Beginn der Offensive im Gazastreifen mehrere Dutzend Tunnel gefunden und zerstört. Ungeachtet der internationalen Appelle für eine Waffenruhe hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Fortsetzung der Militäroffensive gegen die Hamas angekündigt. "Wir werden den Einsatz nicht beenden, bevor wir die Tunnel zerstört haben".