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Das Prinzip "Huffington Post"

Klaudia Prevezanos11. Oktober 2013

Bloggerbeiträge neben Journalistentexten: Die "HuffPost" ist in den USA eine der größten Onlinezeitungen. Seit 2011 expandiert sie weltweit, nun gibt es auch eine deutsche Ausgabe. Der Erfolg ist umstritten.

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Arianna Huffington, Gründerin der Online-Plattform "The Huffington Post", beim Launch der deutschen "Huffington Post" am 10. Oktober 2013 in München (Foto: DW/K. Prevezanos)
Arianna Huffington, Gründerin der "Huffington Post", beim Launch der deutschen AusgabeBild: DW/K. Prevezanos

Die einen erwarten das Ende des Journalismus in Deutschland, andere hielten den Launch am Donnerstag (10.10.2013) für überfällig: Über den Start der deutschsprachigen News-Plattform huffingtonpost.de wird zwischen Medienmachern, Bloggern und Nutzern seit Monaten gestritten. Es ist die achte ausländische Ausgabe der US-Plattform. Bis Ende 2014 sollen sechs weitere hinzu kommen. Brasilien steht als Nächstes auf der Liste.

Obama und Madonna als Gastautoren

Screenshot der US-Ausgabe der "HuffPost" vom 8. Oktober 2010
Die US-Ausgabe der "HuffPost"

Die Ableger sollen alle vom Erfolgskonzept der US-Mutterseite "huffingtonpost.com" profitieren. 2005 gründete Arianna Huffington die News-Plattform, auf der Blogeinträge und Userkommentare neben journalistischen Texten eingebunden sind. Zu den Gastautoren zählen US-Präsident Barack Obama oder Sängerin Madonna. Auf der deutschen Seite sind es prominente Autoren wie der Ex-Tennis-Profi Boris Becker, die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen, die Schauspielerin Uschi Glas oder Robert Zollitsch, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz. "Die Seite 'huffingtonpost.de' bietet auf der einen Seite Nachrichten und Geschichten von unseren Redakteuren. Auf der anderen Seite kann jeder Leser kommentieren, diskutieren und vor allem eigene Artikel veröffentlichen. Das gibt es so bei keiner anderen deutschsprachigen Online-Zeitung", sagt Oliver Eckert. Er ist Geschäftsführer der Tomorrow Focus Content & Services GmbH, die die deutsche "Huffington Post" herausgibt.

Die journalistischen Inhalte der "HuffPost" recherchieren die Redakteure nicht alle selbst, sondern schreiben auch Beiträge anderer Online-Medien zu einem neuen Text um. Dieser sogenannte Aggregations-Journalismus ist unter Medienschaffenden in der Kritik. "Wir klauen keine Inhalte und geben andere Arbeit nicht als unsere aus. Stattdessen verweisen wir auf fremde Medien als Basis für die eigene journalistische Arbeit. Im Vordergrund steht die Einordnung und Bewertung der Quellen", sagt "HuffPost"-Geschäftsführer Eckert. Auch auf selbst recherchierte Geschichten werde Wert gelegt.

Oliver Eckert, Geschäftsführer der Tomorrow Focus Media GmbH (Foto: Tomorrow Focus Media) ***Nur zur Berichterstattung über die Tomorrow Focus Media GmbH und die deutsche Ausgabe der Huffington Post***
Oliver EckertBild: Tomorrow Focus Media

Über 77 Millionen Nutzer weltweit für die US-Ausgabe

Die US-Ausgabe der "HuffPost" hat 2012 einen Pulitzer-Preis gewonnen, eine der höchsten Auszeichnungen im amerikanischen Journalismus. Heute erreicht "The Huffington Post" nach eigenen Angaben monatlich 47,8 Millionen Nutzer (Unique Visitors) in den USA, weltweit über 77 Millionen. Wie oft die Nutzer die Seite besuchen (Visits), ist nicht bekannt. Die größte deutsche Nachrichtenseite "Bild.de" hat monatlich 250 Millionen Visits, "Spiegel-Online.de" rund 187 Millionen. Die Zahl der Nutzer, die hinter diesen Besuchen stehen, ist nicht veröffentlicht.

Mit den ausländischen Ausgaben will die Marke "Huffington Post" nun global auftreten. Für die einzelnen Länder-Seiten wird mit einem Medienpartner vor Ort zusammengearbeitet. In Frankreich ist es das Medienhaus "Le Monde", in Deutschland das Internet-Unternehmen Tomorrow Focus AG, die das Magazin "Focus" herausgibt. Die Ziele für die deutschsprachige Ausgabe hat das Unternehmen schon genannt: In fünf Jahren soll die Zahl der Nutzer bei neun Millionen monatlich liegen. Dann soll die deutsche "HuffPost" mit ihrer Redaktion in München zu den fünf größten Nachrichtenportalen im Land gehören. Die anderen ausländischen Ausgaben sind von dieser Zahl noch weit entfernt: Im Mai klickten durchschnittlich nur 2,8 Millionen User die britische "HuffPost" an, in Frankreich 3,1 Millionen und in Spanien 1,2 Millionen User.

David Wood gewann für seine Reportage 2012 einen begehrten Pulitzer-Preis für die "HuffPost" (Foto: Getty Images)
David Wood gewann für seine Reportage 2012 den Pulitzer-Preis für die "HuffPost"Bild: Getty Images

"Wir bejahen den digitalen Wandel"

Arianna Huffington mit der französischen Redaktion im Januar 2012 (Foto: dpa)
Arianna Huffington mit der französischen Redaktion im Januar 2012Bild: picture alliance/abaca

"Wir wollen eigene Themen setzen, werden uns aber am Anfang mit unserem Angebot stark fokussieren", sagt Geschäftsführer Eckert über die journalistische Arbeit der neuen deutschen Seite. "Der 'Huffington-Post'-Blick wird klar sein: Wir bejahen den digitalen Wandel, ohne die Augen vor Problemen zu verschließen. Denn die Digitalisierung erfasst das gesamte Leben: Wirtschaft, Gesellschaft, Medien, Kultur und Politik", sagt Eckert.

Die Aufregung über die neue Seite ist unter deutschen Verlegern und anderen Betreibern von Nachrichtenportalen groß. Sie fürchten die Konkurrenz - nicht nur bei den Nutzerzahlen, sondern auch bei den Einnahmen.

Bis Ende 2013 wollen laut Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger 60 Zeitungen unterschiedliche Bezahlmodelle für ihre Online-Seiten einführen. Damit auch künftig Qualitätsjournalismus im Netz betrieben werden kann. Die "HuffPost" ist hingegen ein kostenloses Angebot, das sich auch in Deutschland nur durch Werbung finanzieren soll. Auch will "The Huffington Post" mit der Expansion eine Plattform für internationale Werbekampagnen bieten.

Kein Honorar für Gastautoren

Uwe Kammann, Direktor des Grimme-Instituts (Foto: dpa)
Uwe Kammann, Direktor des Grimme-InstitutsBild: picture-alliance/dpa

Dass jeder User als Gastkommentator auf der Seite schreiben kann, ist umstritten, weil die Autoren für diese Inhalte kein Geld bekommen. "HuffPost"-Gründerin Huffington bekam hingegen umgerechnet 230 Millionen Euro, als sie ihr Unternehmen 2011 an das Unternehmen AOL verkaufte. Sie ist weiterhin Chefredakteurin der US-Ausgabe.

Für Uwe Kammann ist ein "großer Schuss Abenteuer" bei dem geplanten Launch der deutschen "HuffPost" dabei. Er ist Direktor des Grimme-Instituts, das die Medienkultur in Deutschland untersucht. Für die neue Seite sieht er wenig Bedarf: "In Deutschland gibt es einen sehr etablierten Markt für Marken-Publikationen, Print und Online. Ob dann eine im Prinzip importierte Plattform, die alles Mögliche mischt - von externen Blogs bis zu externen eingebetteten Artikeln - ein attraktives Profil herausbilden kann, ist schon ziemlich fraglich." Jörg Sadrozinski, Leiter der Deutschen Journalisten Schule in München, findet es hingegen gut, dass ein neues Produkt die Medienlandschaft bereichere. "Allerdings hat Journalismus etwas mit Vertrauen zu tun. Und das muss sich die Seite bei den Nutzern erstmal erarbeiten." Sadrozinski war zuvor 13 Jahre lang Redaktionsleiter von "tagesschau.de", einer der größten deutschen Nachrichtenseiten.

"Web-Spezifisches wird in Deutschland wenig gemacht"

Medienjournalist und Blogger Daniel Fiene (Foto: imago)
Medienjournalist und Blogger Daniel FieneBild: imago

Der Medienjournalist und Blogger Daniel Fiene hält es für längst überfällig, dass die "Huffington Post" in Deutschland an den Start geht. Er findet die klassischen deutschen Nachrichtenseiten relativ austauschbar: "Außerdem orientieren die sich alle an ihren Print- oder Fernsehprodukten, die dahinter liegen. Web-Spezifisches wird im Grunde wenig gemacht." Das Modell der "HuffPost" sei ähnlich wie im Online-Netzwerk "Facebook", wo neben journalistischen Inhalten kommentierende Beiträge erscheinen. "Bei der 'Huffington Post' wird das sogar redaktionell betreut." Ein Blog-Editor liest die Gastbeiträge und redigiert sie notfalls, bevor sie auf die Seite gehen. Trotzdem glaubt er, dass die deutsche Ausgabe es nicht leicht haben wird, "weil die deutsche Netzszene im Vergleich zur US-Netzgemeinde sehr viel kritischer mit neuen Projekten umgeht", so Fiene, der seit 2004 das Online-Medienmagazin "Was mit Medien" verantwortet.

"Entwertung des Journalismus"

Jörg Sadrozinski, Leiter der Deutschen Journalisten-Schule (Foto: dpa)
Jörg Sadrozinski, Leiter der Deutschen Journalisten-Schule in MünchenBild: picture-alliance/dpa

Einzelne Medienmarken könnten immer unwichtiger werden, wenn es Plattformen gibt, die den Usern das Beste aus dem Web redaktionell aufbereiten und zur Verfügung stellen. Damit verbunden ist auch die Frage, was qualitativer Journalismus zukünftig noch wert ist: "Solche Plattformen, auf denen jeder veröffentlichen kann, ohne dass er etwas dafür kriegt, tragen zu einer Entwertung des Journalismus bei. Weil nicht erkennbar ist, dass auch der kreative Prozess, das Schreiben und Berichten einen Wert haben", sagt DJS-Leiter Sadrozinski. "Entscheidend wird sein, dass wir alle anerkennen, dass in hervorragenden journalistischen Produkten immer auch intensive Arbeit steckt, die anständig honoriert werden muss", so Grimme-Direktor Kammann. Davon profitieren letztlich auch die Nutzer.