Das neue Gesicht von Tibets Exil-Regierung
27. April 2011Premier aus der jungen Generation
Lobsang Sangay erhielt nach Angaben der exiltibetischen Wahlkommission 55 Prozent der Stimmen. Damit setzte er sich mit großem Abstand gegen seine Mitbewerber durch. Der designierte Premier konnte offenbar besonders junge Wähler mobilisieren. Sangay gehört selbst zur jungen Generation der Exil-Tibeter. Er wurde 1968 im nordindischen Darjeeling in einfachen Verhältnissen geboren und war selbst noch nie in Tibet. Mit einem Stipendium ging er in die USA, promovierte in Harvard und lehrt dort derzeit.
In der nächsten Woche wird er am Regierungssitz der tibetischen Exil-Regierung im indischen Dharmsala erwartet. Im August tritt er die Nachfolge des amtierenden Ministerpräsidenten Samdhong Rinpoche an. Der neue Premier ist der erste Nicht-Geistliche im Amt. Bislang ist Sangay politisch relativ unerfahren, eine Position in der tibetischen Exil-Regierung hatte er bislang noch nicht inne. "Das ist durchaus ein Vorteil, weil er jetzt die Möglichkeit hat, Neues auch anzugehen und nicht auf die alten Traditionen und Verpflichtungen Rücksicht zu nehmen", sagt der Vorsitzende der 'Tibet-Initiative Deutschland', Wolfgang Grader. Allerdings werde Sangay in seinem neuen Kabinett bestimmt auch altgediente Minister mit einbauen, glaubt der Tibet-Aktivist. "So wird der Übergang von Alt zu Neu gut bewältigt."
Regierungschef vor schwierigen Aufgaben
Nach dem angekündigten Rückzug des Dalai Lama wird der neue Premierminister mehr Verantwortung schultern müssen als seine Vorgänger. Lobsang Sangay muss in Zukunft möglichst viel Unterstützung für die tibetische Exil-Regierung im Ausland sammeln. Das ist keine leichte Aufgabe. Trotz des großen Charismas des Dalai Lama und der weltweiten Sympathien für die Tibeter hat bis heute kein einziges Land die tibetische Exil-Regierung offiziell anerkannt.
Zwar genieße Sangay aufgrund seiner Biografie großes Ansehen besonders im Westen, sagt Politikwissenschaftler Gu Xuewu. Eine internationale Anerkennung der tibetischen Regierung sei jedoch äußerst unwahrscheinlich. "Wenn er es schafft, die Akzeptanz der tibetischen Exilregierung und ihre Legitimität auf internationaler Ebene zu vergrößern, dann hat er schon etwas erreicht."
Anerkennung durch China unwahrscheinlich
Die schwierigste Aufgabe des neuen Premiers wird allerdings der Dialog mit der chinesischen Regierung sein. Bislang erkennen die Machthaber in Peking die tibetische Exil-Regierung nicht an und lehnen jeden Dialog mit Regierungsmitgliedern ab. Die Gespräche zwischen der chinesischen Führung und Gesandten des Dalai Lama über die Tibet-Frage treten derzeit auf der Stelle. Ob der neue Regierungschef im Dialog mit der chinesischen Regierung überhaupt anerkannt wird, hält Wolfgang Grader von der 'Tibet-Initiative Deutschland' für eher unwahrscheinlich. "Es ist durchaus möglich, dass die chinesische Regierung sich nicht ändern und den neuen Positionen der tibetischen Regierung auch nicht anpassen wird." Vermutlich müssten daher weiterhin die Sondergesandten des Dalai Lama eine bedeutende Rolle spielen im Dialog mit Peking spielen.
Nach seiner Flucht aus Tibet 1959 gründete der Dalai Lama die tibetische Exilregierung in seinem Exil in Indien. Vor zehn Jahren wurde auf Drängen des Dalai Lama zum ersten Mal bei einer weltweiten Wahl der Premierminister bestimmt. Die tibetische Exilregierung kümmert sich um die Belange der etwa 140.000 Exiltibeter, von denen etwa 100.000 in Indien leben.
Autor: Christoph Ricking
Redaktion: Adrienne Woltersdorf / Esther Felden