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Politik

Das Geld der Salafisten

29. Dezember 2018

Die Bundesregierung will die ausländische Finanzierung in Deutschland ansässiger Moscheegemeinden stoppen. Dazu führte sie Gespräche vor allem in der Golfregion. Dabei geht es letztlich um viel mehr als Geld.

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Deutschland Symbolbild Salafismus
Bild: picture alliance/dpa/J. Stratenschulte

Die Stadt Fellbach nahe Stuttgart reagierte umgehend. Die EMC-Immobilien GmbH hatte im Jahr 2014 den Betrag für den Kauf eines Grundstücks von der Größe eines halben Fußballfelds im Stadtgebiet bereits überwiesen. Da entdeckte das Stuttgarter Landeskriminalamt, wer sich hinter den Immobilienentwicklern versteckt: die kuwaitische "Revival of Islamic Heritage Society" ("Gesellschaft zur Wiederbelebung des islamischen Erbes"). Die hatte auf dem Gelände das Zentrum eines islamistischen "Strategieplanes zur Missionierung Süddeutschlands" errichten wollen, wie die "Süddeutsche Zeitung" im Juni 2017 den Verfassungsschutz zitiert. Die Stadt Fellbach änderte umgehend den Bebauungsplan und verhinderte so den geplanten Bau.

Das Beispiel zeigt: Organisationen aus den Golfstaaten sind kreativ und umtriebig, wenn es um die Verbreitung des Islams in Europa und in Deutschland geht. Seit Jahren versuchen diese Organisationen ihre - meist ultrakonservative - Auslegung des Islam im Westen zu verbreiten. In diesem Fall handelte es sich um eine kuwaitische Organisation. Ebenfalls immer wieder als Exporteur der salafistischen Ideologie wird Saudi-Arabien genannt.

Netzwerk von Stiftungen, Moscheen, Predigern

Das saudische Königshaus sehe sich als Führer der globalen sunnitischen Gemeinde, schreibt der Saudi-Arabien-Experte Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Die wahhabitische Islam-Version solle als universale und damit weltweite Ordnung etabliert werden. Zu diesem Zweck hätten die saudischen Herrscher in den vergangenen Jahrzehnten islamische Institutionen gefördert, die diese Ideologie weltweit verbreiten sollten. "Diese Politik führte dazu, dass sich ein enges Netzwerk von Stiftungen, Moscheen, Religionsschulen und Predigern entwickelt hat, welches im Sinne der wahhabitischen Lehre überall auf der Welt tätig wird. Mit staatlichen und privaten Geldern wurden vor allem auf dem Balkan, in Südasien und Afrika, aber auch in europäischen Ländern pro-wahhabitische Institutionen subventioniert und die Zielländer mit kostenlosen Koranexemplaren, Lehrmaterialien und Broschüren überschwemmt."

Deutschland Kundgebung von Salafisten und Gegendemonstration | VERPIXELT
Herausforderung Fundamentalismus: Polizisten kontrollieren einen Salafisten vor einer Kundgebung, September 2016Bild: picture alliance/dpa/C. Jaspersen

Dieser Entwicklung will die Bundesregierung nun offenbar entschieden entgegentreten. Ein Schritt dahin ist der Versuch, die Finanzierung in Deutschland ansässiger Moscheegemeinden durch Geld aus dem Ausland zu verhindern. Denn im Zweifel wird mit diesen Geldern eine Ideologie gefördert, die den Werten einer liberalen Demokratie diametral entgegensteht. "Viele saudisch finanzierte Moscheen und Religionsschulen verbreiten Hass auf Andersgläubige, fördern Extremismus und führen bei jungen Muslimen eine Gehirnwäsche durch, um diese zu kompromisslosen Verfechtern der wahhabitischen Intoleranz zu erziehen", so Sebastian Sons in seinem Buch "Auf Sand gebaut", einer Studie über das gegenwärtige Saudi-Arabien.

Erfolgreiche Gespräche mit Kuwait

Dem tritt die Bundesregierung entgegen. Sie steht vor dem Problem, dass Religionsgemeinschaften in Deutschland bei ihrer Finanzierung weitgehend freie Hand haben. Dies garantiert ihnen die Religionsfreiheit. Erst bei konkretem Terrorverdacht können die Behörden aktiv werden. Darum versucht die Bundesregierung nun, den Fluss der Gelder schon an der Quelle zu stoppen - also in den Golfstaaten selbst.

Deutschland Salafismus Frauen
Zwei vollverschleierte Frauen auf dem Weg zum Prozess gegen einen mutmaßlichen Salafisten in Hamburg, Oktober 2017Bild: picture alliance/dpa/C. Charisius

Erfolgreich seien die Gespräche vor allem mit Kuwait verlaufen, erklärte Christopher Burger, ein Sprecher des Auswärtigen Amts, auf der Bundespressekonferenz Ende dieser Woche. "Auf Initiative von Kuwait hat sich dort eine enge Kooperation entwickelt. Die kuwaitische Regierung bemüht sich, die Finanzierung von Projekten in Deutschland besonders gründlich zu prüfen. Wir tauschen uns dazu konkret mit der kuwaitischen Botschaft in Berlin aus, um die Unterstützung von religiösen Einrichtungen hier transparent zu gestalten."

Das Hawala-System: Kontrolle kaum möglich

Allerdings ist es auch vor Ort nicht einfach, die Geldströme zu verfolgen und zu kontrollieren. Denn das Geld wird nur zu einem verschwindend geringen Teil über Banken transferiert. Stattdessen wird es teils in bar transportiert, vor allem aber über das so genannte Hawala-System: Gegen Vorlage eines Codes - etwa einer Zahlenreihe oder eines vorab vereinbarten Koranverses - erhält der jeweilige Empfänger das Bargeld nicht von einem Boten, sondern einer Vertrauensperson direkt vor Ort, die wiederum auf die Vertrauenswürdigkeit des ursprünglichen Geldbesitzers setzt. Auf diese Weise sind die Transfers der staatlichen Kontrolle entzogen. Wollte man Kontrolle durchsetzen, müsste man das gesamte Hawala-System reglementieren - was angesichts der informellen Basis des Systems unmöglich ist.

Der Kampf gegen die Radikalisierung erfolgt darum auf mehreren Wegen, auch der ideologischen Auseinandersetzung. Die scheint dringend geboten. Die Zahl salafistisch orienierter Personen in Deutschland steigt. Im Jahr 2018 registrierte der Verfassungsschutz im gesamten Bundesgebiet 11.200 Salafisten - im Jahr 2014 waren es noch 7000. "Die vielfältigen Propagandaaktivitäten von Salafisten, die sie verharmlosend als 'Missionierung' oder 'Einladung zum Islam' bezeichnen - in Wahrheit ist es eine systematische Indoktrinierung und oftmals auch der Anfang einer noch weitergehenden Radikalisierung -, sind 'erfolgreich'" heißt es in einem Papier des Verfassungsschutzes. "Der Salafismus ist nach wie vor die am stärksten wachsende islamistische Strömung in Deutschland."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika