Das Gehirn - Rätsel der Menschheit
Was haben wir im Kopf? Wie funktioniert unser Oberstübchen? Die Bundeskunsthalle verbindet Wissenschaft und Kunst - und gibt Antworten.
Die Seele als Vogel
Was macht den Menschen aus - sein Denken, sein Fühlen, seine Seele? Viele Glaubensrichtungen haben darauf ihre ganz eigenen Antworten gefunden. Im Alten Ägypten verbanden die Menschen die menschliche Seele mit dem Bild eines Vogels, der nach dem Tod in den Himmel aufsteigt. Einen solchen Seelenvogel - 2400 Jahre alt - zeigt die Bundeskunsthalle jetzt in ihrer großen Ausstellung über das Gehirn.
Archiv aus Pappschachteln
Seit der Antike machten sich die Menschen ein Bild vom Innern unseres Schädels. Der Philosoph Aristoteles etwa hielt das Gehirn für ein Kühlaggregat des Blutkreislaufes. Der israelische Künstler Yaron Steinberg entwarf 2011 diese Hirnskulptur als ein Archiv aus Pappschachteln und Schubladen voller Gedanken und Erinnerungen. Sogar Weihnachtslichter haben darin ihren Platz.
Ungewöhnliches Selbstporträt
Die deutsche Künstlerin Isa Genzken näherte sich der Frage nach dem Gehirn auf eine geradezu medizinische Weise: "Mein Gehirn" heißt ihre Fotoarbeit von 2010, für die sie CT-Aufnahmen ihres eigenen Kopfes verwendete. Bei dieser 3D-Röntgenuntersuchung entstehen Schnittbilder des Körpers. Genzkens Arbeit funktioniert als Selbstporträt, schließlich ist das Gehirn so unverwechselbar wie das Gesicht.
Freundliche Inspiration
Über die Jahrhunderte laborierte die Medizin an ihrem Verstehen des menschlichen Gehirns. Erst bildgebende Verfahren im 20. Jahrhundert brachten einen Durchbruch. Dennoch bleibt vieles offen: Wie entsteht unser Denken und Fühlen? "Inspiration" heißt dieses Bild von Maria Lassnig (1919−2014). Darin schwebt ein grünes Wesen mit einem freundlich erhobenen Zeigefinger über einem liegenden Paar.
Der Schädel von Descartes
René Descartes (1596-1650) war ein französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler. Von ihm stammt das Dictum "cogito ergo sum" ("Ich denke, also bin ich"). Der mit einer Inschrift versehene Schädel des berühmten Denkers, dessen Schriften nach seinem Tod vom Papst verboten wurden, zählt heute zu den kostbarsten Objekten des Pariser Musée de l'Homme - und ist jetzt in Bonn zu sehen.
Kontaktversuch mit Hirn
Was trennt Wissenschaft und Religion? Das untersucht die chinesische Künstlerin Lu Yang. In ihrer Computerspielsimulation treten die buddhistischen Gottheiten der vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft mittels Tiefen-Hirnstimulation in Kontakt mit unserem Gehirn. Schon heute setzt die Medizin sogenannte "Hirnschrittmacher" ein, um Parkinson, Epilepsie oder Depressionen zu behandeln.
Kiki Smiths Traum
Sind mein Ich und mein Körper dasselbe? Viele Menschen fragen sich das, obwohl der Dualismus, die Trennung von Leib und Seele (oder Körper und Geist), heute unser Verständnis von Sterben und Tod prägt. Auch die Frage nach dem freien Willen knüpft sich daran oder die Frage, wie wir träumen. Die Deutsch-Amerikanerin Kiki Smith (geb. 1954) nannte ihre zweifarbige Radierung von 1992 schlicht "Traum".
Christus trägt Marias Seele
Was geschieht mit der Seele nach dem Tod? Die Frage trieb die Christen des Mittelalters um. Diese Holzskulptur vom Bodensee, "Christus mit der Seele Mariens", belegt dies: Christus trägt die Seele seiner Mutter Maria in Form eines Kindes auf dem Arm. Die Darstellung symbolisiert die Überzeugung, dass die Seele eine eigenständige, vom Körper unabhängige Wesenheit sei.
Wilde Szenen zeigen Gefühle
Menschenfiguren streiten, kämpfen, leiden, verletzen, verwandeln sich und beobachten - Einblicke in einen menschlichen Schädel gewährt der britische Künstler Richard Ennis in seinem Bild von 1991. Die teils verstörenden Szenen spiegeln offenkundig menschliche Gefühle wider. Wie es scheint, wurde Ennis durch Anatomiebücher in seiner Kindheit inspiriert. In der Bonner Ausstellung lassen sie staunen.
Max Ernst und die zersplitterte Welt
Mit dem Psychoanalytiker Sigmund Freud und der Kunst psychisch erkrankter Menschen beschäftigte sich der deutsche Künstler Max Ernst (1891–1976). Dieses Porträt malte er um 1913 während seiner Studienzeit in Bonn, wo er unter anderem Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte studierte. Die Welt um die hier dargestellte Person zersplittert förmlich.
Sehenswertes Experiment
Das menschliche Gehirn ist ein Phänomen. Heerscharen von Wissenschaftlern, Denkern und Künstlern haben versucht, es zu enträtseln. Die Ausstellung im der Bonner Kunsthalle bündelt nun viele Fragen und Antworten - quer durch alle Wissensgebiete. Die Schau "Das Gehirn in Kunst & Wissenschaft" ist noch bis 26. Juni 2022 zu sehen. Ein Experiment, das zweifellos das Denken weitet.