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Das Geheimnsi der singenden Kobolde

16. Juni 2009

Schrill, laut und zu zweit: Immer früh morgens fangen Koboldmakis im indonesischen Urwald an zu singen. Warum die Äffchen mit den riesigen Kulleraugen das tun, haben Forscher der Uni Mainz in deren Genen gefunden.

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Koboldmakis: Winzlinge mit großen Händen und den längsten Hinterbeinen aller Primaten!(Foto: picture alliance/dppa)
Winzlinge mit großen Händen und den längsten Hinterbeinen aller Primaten!Bild: picture-alliance/chromorange

Sie sind Primaten wie wir, doch wissen wir erstaunlich wenig über die geheimnisvollen Äffchen. Auf der indonesischen Insel Sulawesi stimmen jeden Morgen mindestens sieben Koboldmaki-Arten ihr Lied an. Immer nach fünf im Urwald und vermutlich schon seit vielen hunderttausend Jahren. Ihr Erbmaterial hat Stefan Merker jetzt verraten, dass der Gesang den Tieren als akustischer Ausweis dient. Was ihn überrascht hat: Die Vielfalt der Lieder sowie die verschiedenen Koboldmaki-Arten sind offensichtlich auf die geologische Geschichte der Insel zurückzuführen.

Nach fünf im Urwald

Kurz bevor die Sonne über dem Urwald aufgeht, wird es Zeit für die nachtaktiven Koboldmakis, schlafen zu gehen. Dann wird es erst einmal laut und schrill, denn die Koboldmakis beginnen ausdauernd zu singen. Je ein Weibchen und ein Männchen, beide nicht größer als zwölf Zentimeter, rufen im Duett ihre Familie zusammen, um gemeinsam ihre Schlafbäume aufzusuchen. Oft stimmt auch der Nachwuchs in den Gesang der Eltern mit ein.

Der Koboldmaki und sein Forscher, Stefan Merker (Foto: Stefan Merker)
Der Koboldmaki und sein Forscher, Stefan MerkerBild: Dr. Stefan Merker

Besonders einlullend und entspannend klingen die Duette allerdings nicht. Eher wie ein schriller Mix aus Vogelgezwitscher und Zikadenzirpen. Sie singt dabei einen anderen Part als Er. Außerdem hat jede der sieben Koboldmaki-Arten auf Sulawesi ihren eigenen Song. Anders als ihre weitläufigen Verwandten, die Menschen, lassen sie sich jedoch nicht von den Melodien anderer inspirieren. Liedklau ist tabu, die singenden Äffchen sind, was das Liedgut angeht, stockkonservativ.

Akustischer Ausweis

Dass es dafür einen tieferen biologischen Grund gibt, hat die Untersuchung des Erbmaterials der pelzigen Sänger bestätigt: Die Lieder verraten genau, wer da singt. Männchen oder Weibchen, Diana- oder Zwergkobold-Maki. Immer, wenn die Duette erklingen, fühlen sich die Paare und Familien besonders verbunden. Gleichzeitig verteidigen sie so ihr Territorium gegen andere Koboldmakis.

Sesshafte Sänger

Noch immer leben die auf Sulawesi bekannten sieben Arten getrennt voneinander. Jede Art auf ihrer Scholle. "Es wird angenommen, dass sich die Verbreitung der Koboldmakis an den Grenzen der Erdplatten orientiert, aus denen sich Sulawesi zusammensetzt", vermutet Biologe Stefan Merker.

Karte von Sulawesi (früher Celebes). Indonesische Insel zwischen Borneo und Neuguinea (Karte: Deutsche Welle)
Sulawesi (früher Celebes) ist eine indonesische Insel zwischen Borneo und Neuguinea

Sulawesi ist ein geologischer Schmelztiegel. Erdgeschichtlich setzt sich die Insel, die halb so groß ist wie Deutschland, aus Teilen der eurasischen, australischen und pazifischen Platte zusammen.

Mitten im Herzen der Insel gelang es Merker, seine Vermutung zu beweisen: "Hier gibt es eine Art-Grenze mitten im Wald, ohne irgendeine Barriere wie beispielsweise einen Gebirgszug, der die beiden Arten Tarsius lariang (Lariang-Koboldmaki) und Tarsius dentatus (Diana-Koboldmaki) voneinander getrennt hätte. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Art-Grenze ziemlich genau entlang einer tektonischen Mikroplatten-Grenze verläuft", erläutert Merker.

Warum sich aber die Verbreitungsgrenzen der verschiedenen Koboldmaki-Arten seit mehreren hunderttausend Jahren so gut wie nicht verschoben haben, obwohl die kleinen insektenfressenden Affen ähnliche Ansprüche an Wohnraum und Nahrung haben, ist noch nicht ganz klar.

Koboldmakis haben in Relation zur Körpergröße die größten Augen aller Säugetiere. Der Augapfel hat einen Durchmesser von rund 16 Millimetern und ist größer als das Gehirn (Foto: Stefan Merker)
Koboldmakis haben in Relation zur Körpergröße die größten Augen aller Säugetiere. Der Augapfel hat einen Durchmesser von rund 16 Millimetern und ist größer als das GehirnBild: Dr. Stefan Merker

Unpassende Penisse?

Eine wichtige Rolle für die Vielfalt der Kobaldmaki-Arten scheinen zwar die artspezifischen Gesänge zu spielen. Möglicherweise kommen aber auch andere Gründe zum Tragen. Zum Beispiel noch nicht erforschte anatomische Unterschiede der Geschlechtsorgane. "Bei anderen Primaten sind zum Beispiel die Penisse nahe verwandter Arten so unterschiedlich, dass eine erfolgreiche Paarung nicht möglich ist", erklärt das Stefan Merker, der die Affen seit über zehn Jahren erforscht.

In seiner jüngsten Studie, die er zusammen mit indonesischen Kollegen am Institut für Anthropologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchführt, erforscht Merker die Aufspaltung der sulawesischen Tarsier, wie die Tiere wegen ihrer langen Fußwurzelknochen (Tarsi) wissenschaftlich genannt werden. Die Ergebnisse veröffentlichte das Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) in seiner neusten Ausgabe.

Auf der Roten Liste

Koboldmakis gehören zu den Primaten, wie Schimpansen und Menschen auch, haben sich aber seit mindestens 60 Millionen Jahren völlig eigenständig entwickelt. Ihre Einzigartigkeit und besondere Stammesgeschichte gibt den Wissenschaftlern bis heute viele Rätsel auf. Heute sind einige Koboldmaki-Arten stark bedroht. Vor allem, weil ihr Lebensraum, der tropische Regenwald nach und nach vernichtet wird.

Autorin: Ulrike Wolpers

Redaktion: Judith Hartl