Das Daimler-Paradoxon
7. Februar 2013Die Aufholjagd auf die davoneilende Konkurrenz wird für Daimler kostspielig. Die Ausgaben für ein Dutzend neuer Pkw-Modelle, mit denen sich die Marke mit dem Stern bis spätestens 2020 an die Spitze der Premium-Autobauer vor BMW und Audi schieben will, drücken den Gewinn.
Nach einem Einbruch des Betriebsgewinns 2012 werde Daimler in diesem Jahr beim Ergebnis auf der Stelle treten, kündigte Konzern-Chef Dieter Zetsche am Donnerstag an. "Wir investieren in hohem Maße in unsere Zukunft, was den Gewinn belastet", sagte Zetsche, der vor einer Verlängerung seines Vertrages bis 2018 steht, auf der Jahrespressekonferenz.
Aufholjagd in Fernost trotz Rabattdrucks in Europa
Der Rückgang des Betriebsergebnisses aus dem laufenden Geschäft um zehn Prozent auf 8,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr zeigt laut Zetsche zwar "erkennbares Verbesserungspotenzial", mit der Trendwende vertröstete er die Anleger jedoch auf die kommenden Jahre. Denn 2013 wird Daimler vor allem im ersten Halbjahr der Wind noch einmal kräftig ins Gesicht wehen: Der unter der Schuldenkrise ächzende europäische Automarkt könne nochmals schrumpfen, der Preisdruck - und damit der Zwang zu Rabatten - werde sich weiter verschärfen.
Auf dem boomenden Automarkt in China, wo die Nobelmarke Mercedes-Benz mit einem mageren Absatzwachstum von nur 1,5 Prozent von den Konkurrenten auch 2012 nur die Rücklichter sah, stellten sich Verbesserungen "nicht über Nacht ein". Wieder auf die Überholspur bringen soll Daimler der eigens für die China-Geschäfte berufene Manager Hubertus Troska und die Bündelung der bisher konkurrierenden Pkw-Vertriebe im Reich der Mitte.
Paradox: Trotz Rekordumsatz schrumpfte der Gewinn
Weltweit brummte der Absatz des Autoherstellers 2012 – trotz Krise in Europa: 2,2 Millionen Pkw, Lkw, Omnibusse und Transporter wurden von Daimler ausgeliefert - so viel wie nie zuvor und vier Prozent mehr als 2011. Mit Rückenwind durch vorteilhafte Wechselkurse kletterte der Umsatz um sieben Prozent auf die Bestmarke von 114,3 Milliarden Euro.
Doch diese Rekorde konnten die Schwaben nicht in einen steigenden Gewinn ummünzen: Denn ohne den Buchgewinn aus dem Verkauf eines Aktienpaket am Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS von rund 700 Millionen Euro und Wechselkursgewinnen von fast einer Milliarde Euro rauschte das Betriebsergebnis in den Keller. Der Ausbau der Pkw- und Lkw-Werke im In- und Ausland verschlang Milliarden, mit dem Verkauf von Transportern verdiente Daimler ebenfalls weniger als im Vorjahr. Die mit schwacher Nachfrage kämpfende Bus-Sparte schrieb rote Zahlen.
Die Anleger haben keinen Grund zur Klage
Die Aktionäre sollen dennoch mit einer stabilen Dividende von 2,20 Euro je Aktie bei Laune gehalten werden, da der Konzerngewinn dank der positiven Sondereffekte auf 6,5 von sechs Milliarden Euro im Vorjahr kletterte. Das sorgte an der Börse für Erleichterung: Investoren deckten sich mit Daimler-Papieren ein und trieben den Kurs um 2,5 Prozent auf 44,09 Euro hoch.
Die Bänder sollen schneller laufen
Bei der Kernmarke Mercedes-Benz Cars, die 2012 rund die Hälfte des Konzern-Umsatzes und des -Ergebnisses lieferte, wird es im laufenden Jahr trotz weiterer Absatzzuwächse wegen der Kosten für die Ausweitung der Modellpalette beim Betriebsgewinn zunächst noch einmal bergab gehen: Die Ertragsperle, deren Marge 2012 um fast zwei Prozentpunkte auf sieben Prozent schrumpfte, wird sich damit weiter von ihrem Renditeziel von zehn Prozent entfernen.
Das Ruder herumreißen will Zetsche - der auch die Pkw-Sparte leitet – mit einer Modelloffensive und der Steigerung der Produktivität: Er will die Produktionsbänder schneller laufen lassen und damit Kosten sparen: Mit durchschnittlich 30 Stunden pro Fahrzeug werde Mercedes im Jahr 2015 im Wettbewerb wieder "vorne mitfahren". 2007 seien im Schnitt noch 60 Stunden benötigt worden.
"Wir sind noch nicht am Ziel, aber auf dem richtigen Weg", versicherte Zetsche. Im kommenden Jahr werde sich zeigen, dass das Ziel der Marktführerschaft bei Premium-Pkw bis 2020 "realistisch" sei. Ob Daimler, BMW oder Audi dann bei den weltweiten Verkaufszahlen führend ist, hält Fondsmanager Jürgen Meyer von SEB Investment Management eher für unwichtig. "Solange dieser Dreikampf ein Dreikampf bleibt - und ich sehe momentan keinen zusätzlichen Anbieter, der sich für diese Liga qualifiziert - werde ich als Aktionär an jedem einzelnen viel Freude haben", sagte der Investor.