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Das Cisco-Strohfeuer

Johannes Beck11. Mai 2002

War da nicht was? Verwundert reibt sich der Börsenreporter kurz vor dem Gang ins Wochenende die Augen. Ein Vergleich der Kurse mit denen der Vorwoche ergibt ein ernüchterndes Bild.

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Cisco brachte die Börsianer (vorübergehend) aus dem HäuschenBild: AP

Aber war da nicht was? Ja, da war was. Ein "Kursfeuerwerk" wie die Finanzmedien es in ihrer zuweilen etwas überschwänglichen Sprache titelten. Cisco, seines Zeichens der weltweit größte Hersteller von Netzwerken aus dem kalifornischen San José, hatte überraschend gute Quartalszahlen vorgelegt. Der Konzern konnte im ersten Quartal 2002 seinen Gewinn auf 729 Millionen Dollar verdreifachen. Überraschend gut, aber nichts was die Börsenwelt vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt hätte. Denn schließlich hatten die Analysten im Durchschnitt auf neun Cent Gewinn je Aktie getippt. Tatsächlich waren es dann zehn Cent. Immerhin, dieser eine Cent brachte die Börsianer aus dem Häuschen.

Um in der Fachsprache der Börsenmedien zu bleiben: Die Kurse "gingen ab wie eine Rakete". Vor allem die Technologieaktien erlebten ein wahres "Kursfeuerwerk". Viel geschmähte und verachtete Titel wie der Halbleiterhersteller Infineon oder die Deutsche Telekom legten am Mittwoch plötzlich 6,5 beziehungsweise 9,2 Prozent zu. Begraben all der Frust über niedrige Chip-Preise und Überkapazitäten am Halbleiter-Weltmarkt? Verdrängt all der Ärger über den als arrogant verschrienen Telekom-Chef Ron Sommer? Vergessen, dass die EU-Kommission am gleichen Tag ein Verfahren gegen die Telekom wegen Missbrauchs ihrer Markt beherrschenden Stellung eingeleitet hatte?

Für einen Tag. Am Mittwoch, da war die Börsenwelt wieder in Ordnung. Erinnerungen an glanzvolle Tage mit strahlenden Gesichtern der Technologieaktionäre wurden wach.

Am Donnerstag verteidigte sich die Börse noch recht wacker. Vielleicht auch, weil viele Händler und Anleger den Feiertag Christi Himmelfahrt genossen. Am Freitag gab es aber schließlich kein Halten mehr. Die Telekom sauste wieder kräftig nach unten, im Schlepptau Infineon. Der Cisco-Rausch war vorbei, vom "Kursfeuerwerk" blieb nur noch Asche.

Dabei hatte die Woche gar nicht einmal schlecht begonnen. In den USA war die US-Produktivität im ersten Quartal stark gestiegen. Mit 8,6 Prozent das stärkste Plus seit 1983, also seit fast 20 Jahren. Kleiner, negativer Beigeschmack: Wenn in Krisenzeiten Firmen viele unproduktive Arbeiter und Angestellten entlassen, steigt die durchschnittliche Produktivität. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich die tatsächlichen Produktionsmethoden entscheidend verbessert haben.

Entscheidend verbessern wollte der Fußballverein Borussia Dortmund die Situation seiner Aktie. Mit einem Stand von derzeit etwa 5 Euro bleibt die einzige deutsche Fußballaktie eine miserable Investition: Wer beim Börsengang im Oktober 2000 zum Ausgabepreis von 11 Euro eingekauft hat, ist heute um die Hälfte seines Kapitals ärmer. Sportlich begann die Börsenwoche nicht schlecht: Samstag hatte man die deutsche Meisterschaft mit einem Sieg über Werde Bremen für sich entschieden und Konkurrent Bayer Leverkusen wurde wieder einmal Zweiter. Und am Mittwoch winkte das UEFA-Cup-Endspiel gegen Feyenoord Rotterdam.

Das UEFA-Pokalfinale ging dann aber gründlich daneben. Rote Karte nach einer "Notbremse" für Jürgen Kohler in seinem letzten Spiel und eine bittere 2:3 Niederlage holten die Borussia auf den Boden zurück. Die Rote Karte zeigten den Dortmundern auch die Investoren: Die Aktie verlor seitdem gut 10 Prozent.

Aus Sicht der Börse durchaus nachvollziehbar. Die Qualifikation zur Champions League - da kommt das meiste Geld her - ist den Dortmundern seit längerem sicher, also schon im Kurs "eingepreist". Dazu trübt die Insolvenz der Kirch-Gruppe die finanzielle Zukunft. Ohne das Geld des deutschen Medienzaren für die TV-Übertragungsrechte fehlen den deutschen Bundesliga-Klubs Millionen. Da sage noch einer, die Börse wäre nicht logisch...