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PolitikAsien

Irans Impfkampagne mit vielen Fragezeichen

Shabnam von Hein
28. September 2021

Teherans Impfkampagne gegen das Coronavirus besteht aus leeren Versprechungen. Vor allem, was die einheimische Produktion von Impfstoffen betrifft.

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Iran Coronavirus Bestattungen
Die jüngsten Statistiken weisen mehr als 110.000 zusätzliche Todesfälle im Iran im Laufe der vergangenen sechs MonateBild: Rouzbeh Fouladi/ZUMA Wire/picture alliance

"Dank unserer Impfkampagne werden bald 70 Prozent der iranischen Bevölkerung gegen das Coronavirus immun sein", behauptete Präsident Ebrahim Raisi in seiner Rede zur Eröffnung des neuen iranischen Schuljahres am vergangenen Samstag. Die Frage ist, was er mit "bald" meint. Zurzeit sind laut offiziellen Angaben 16 Prozent der Iraner vollständig gegen COVID-19 geimpft, 18 Prozent hatten eine Erstimpfung.

Wegen des Mangels an Corona-Impfstoffen ist die nationale Impfkampagne im Iran erst spät in Fahrt gekommen. Vor allem deshalb, weil die Hardliner um den neuen Präsidenten Raisi den Import von Corona-Impfstoffen aus dem Ausland lange systematisch sabotiert hatten. So zum Beispiel der Augenarzt und jetzige Gesundheitsminister Bahram Eynollahi. Noch im Februar 2021 hatte Eynollahi einen offenen Brief von 2500 den Hardlinern nahestehenden Ärzten an den damaligen Präsidenten Rohani unterzeichnet. Darin wurde vor dem Import von Corona-Impfstoffen aus den USA oder Großbritannien gewarnt. Diese Länder würden im Ausland nach menschlichen "Versuchskaninchen" für ihre Impfstoffe suchen, unterstellte der Brief. 

Erstaunliche Wende

Auch die COVAX-Initiative der Vereinigten Nationen, die eine gerechte Verteilung von Impfstoffen weltweit ermöglichen soll, sei nicht vertrauenswürdig, stand in dem Brief. Über COVAX hatte der Iran im Februar 4,2 Millionen Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca erhalten. Die Regierung solle aber die Entwicklung einheimischer Impfstoffe unterstützen, forderten damals Hardliner wie Eynollahi. Sie stellten das Virus als Biowaffe der Amerikaner dar. Der religiöse Führer Ayatollah Chamenei verbot sogar ausdrücklich den Import von Impfstoffen aus den USA und Großbritannien. 

Iran | Coronavirus | Impfkampagne in Teheran
Bis jetzt wurden nur 16 Prozent der Iraner vollständig gegen Covid-19 geimpftBild: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/picture alliance

Umso erstaunlicher war die Mitteilung von Gesundheitsminister Eynollahi von vergangener Woche, der Iran habe 2,4 Millionen Dosen mRNA-Impfstoff von Pfizer und fünf Millionen Dosen von Johnson &Johnson bestellt. Die Impfstoffe sollten Schwangeren zugutekommen und als Auffrisch-Impfungen für medizinisches Personal eingesetzt werden, erklärte Eynollahi weiter. Warum die Hardliner vor den Präsidentschaftswahlen den Impfstoffimport mit ihren Verschwörungstheorien sabotiert hatten, fragte den Gesundheitsminister niemand. 

Hohe Dunkelziffer bei Corona-Toten

Dabei sind viele Bürger enttäuscht und wütend. Die fünfte Welle der Pandemie flacht sich momentan zwar ab, die Zahl der Neuinfektionen und der Corona-Toten ist aber immer noch hoch. Laut offiziellen Angaben liegt die landesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei 127,8, sterben täglich um die 300 Menschen an den Folgen einer Corona-Erkrankung. Offiziell wurden bislang knapp 120.000 Todesfälle in Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung verzeichnet. Wegen geringer Testkapazitäten zweifeln aber selbst die Behörden an dieser Zahl.

Die jüngsten Statistiken weisen mehr als 110.000 zusätzliche Todesfälle im Iran im Laufe der vergangenen sechs Monate im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen fünf Halbjahre auf. Untätigkeit der Behörden und Fehlentscheidungen haben zu den gravierenden Auswirkungen der Corona-Pandemie im Iran beigetragen. Sie wurde am Anfang geleugnet, dann wurden die Folgen kleingeredet, notwendige Hygiene- und Quarantänemaßnahmen zu spät ergriffen.

Die Beteiligung an der 3. Phase der klinischen Prüfung von Vakicnen chinesischer Hersteller lehnte Teheran ab. Anders als etwa die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate, wo man dank der Kooperation mit China die Bürger frühzeitig impfen konnte.

Gutes Geschäft

Die Hardliner im Iran forderten die Entwicklung einheimischer Impfstoffe unter ihrer Regie, am nachdrücklichsten im Barekat-Institut. Letzteres gehört zum Mischkonzern Setad - mit vollem Namen "Setad Ejraiye Farmane Hazrate Emam" oder "Hauptquartier zur Durchsetzung der Befehle des Imams", also Chameneis. Über diesen Konzern kontrolliert das Büro des religiösen Führers weite Teile der iranischen Wirtschaft.

Mohammad Mokhber Iran
Der frühere Leiter des Barekat-Instituts, Mohammad Mokhber ist jetzige Vizepräsident Bild: Farsnews

Eine Milliarde Dollar soll das Barekat Institut erhalten haben, um insgesamt 120 Millionen Dosen, davon 50 Millionen bis Ende dieses Sommers, des Impfstoffs Coviran Barekat zu liefern. Das enthüllte Mitte September der ehemalige reformorientierte Abgeordnete Ali Tajernia in einem Interview mit der Tageszeitung "Shargh". Geliefert hat das Institut bis jetzt allerdings lediglich 14 Millionen Impfdosen. Der frühere Leiter des Barekat-Instituts und jetzige Vizepräsident Mohammad Mokhber verwies zur Entschuldigung auf die Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran.