Chinesen bauen in Polen
3. Juli 2010Auf halber Strecke zwischen Warschau und Lodz sind bereits die Bagger im Einsatz. Hier wird das letzte Stück einer Autobahn gebaut. Schon 2012 soll sie fertig sein, verspricht Gou Ling, stellvertretender Leiter des staatlichen chinesischen Baukonzerns Covec.
Die Chinesen sind nicht die ersten, die sich an dem Projekt versuchen. "Ich glaube, diese Brücke wurde vor zwanzig Jahren gebaut", sagt Gou Ling. "Es gibt einige Reste der Bauarbeiten von damals, als die Polen schon einmal eine Autobahn bauen wollten. Die müssen wir alle erst beseitigen, bevor wir anfangen können."
Die Bauarbeiter arbeiten für einen polnischen Subunternehmer. Dem Baggerfahrer zum Beispiel ist überhaupt nicht klar, wer dahinter steht. "Ich arbeite für die Chinesen?" fragt er überrascht. "Davon wusste ich nichts, ich mache hier nur meine Arbeit."
Benachteiligung für die Polen?
Die Auftragsvergabe an Covec hat für einige Unruhe in der polnischen Bauwirtschaft gesorgt, weil der Preis so niedrig ist. Es wurde aber auch die Frage gestellt, ob die Chinesen eine Autobahn nach europäischen Standards überhaupt bauen können. Noch immer sei der Auftrag nicht ganz in trockenen Tüchern, wie Gou Ling zugibt. "Wir arbeiten noch an den Plänen, die wir dann der Regierung vorlegen. Erst dann bekommen wir die endgültige Baugenehmigung." Sie seien also noch in der Vorbereitung, aber danach könnten sie losgehen.
Es geht um ein Teilstück der Autobahn von rund 50 Kilometern. Die Chinesen haben dafür 340 Millionen Euro verlangt, ein sensationell niedriger Preis. Mit dem Angebot lagen sie glatt um die Hälfte unter den Kosten, die das polnische Generaldirektorat für Straßenbau errechnet hatte. Die polnische Regierung hatte Covec zu dem Angebot ermuntert, nachdem es schon Befürchtungen gab, die Autobahn werde nicht rechtzeitig fertig gebaut. "Wir haben uns zur Zusammenarbeit mit Covec entschlossen, weil das Unternehmen den niedrigsten Preis geboten hat und den Auftrag mit großer Sicherheit fristgerecht erledigen wird", erklärt Marcin Hadaj von der polnischen Baubehörde GDDKiA. "Inzwischen sind wir sicher, dass nun auch die polnischen Firmen ihre Preise senken und nicht erhöhen werden."
Kritisch beobachtet
Kein Wunder, dass die polnischen Konkurrenten von Covec nicht gut auf die Chinesen zu sprechen sind. Aber auch auf europäischer Ebene beobachtet man die Erfolge chinesischer Firmen in der EU sehr genau. "Der chinesische Baumarkt ist für ausländische Firmen nahezu rigoros und diskriminierend abgeschottet", meint Frank Kehlenbach vom Europäischen Bauverband in Brüssel. Man könne dort nicht auf Projektbasis tätig werden, sondern müsse eine Tochtergesellschaft gründen. "Der zweite wichtige Punkt ist, dass wir in der EU ein Beihilfeverbot haben. Die EU-Kommission kontrolliert somit, ob nicht staatliche Beihilfen den Wettbewerb verfälschen. Und in diesem Fall ist zu befürchten, dass dieser geringe Preis nur durch staatliche Beihilfen möglich geworden ist."
Ganz anders sieht das der Pole Jerzy Frankiel. Er hilft chinesischen Firmen seit drei Jahren, an Ausschreibungen in Polen teilzunehmen, und sieht eher eine umgekehrte Diskriminierung. In Breslau habe sein Team an der Ausschreibung für das Stadion teilgenommen und sei aus wirklich merkwürdigen Gründen disqualifiziert worden. "Wir haben das teuerste Angebot abgegeben, lautete die Begründung. Es stimmt also nicht, dass die Chinesen immer nur mit Dumpingpreisen kommen. Alle ihre Angebote sind korrekt kalkuliert."
Polen gefällt den Chinesen
Rund zwei Dutzend Ingenieure hat die Pekinger Konzernzentrale zur Arbeit nach Warschau geschickt. Covec ist überall auf der Welt tätig. Gou Ling war zuvor drei Jahre lang in Angola. In Polen gefällt es ihm aber besser. Auch das Essen sage ihm mehr zu, wie Gou Ling während der Mittagspause in der Kantine erzählt. "Ich denke, ich werde für die Arbeit zwei oder drei Jahre hier bleiben. Mir gefällt es. Wenn ich könnte, würde ich gern so lange bleiben wie möglich." Vielleicht hat Gou Ling Glück. Die Chinesen hoffen auf weitere Aufträge in Polen, trotz der Einwände europäischer Baufirmen.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Nicole Scherschun