China seit zehn Jahren in der WTO
11. Dezember 2011Bereits 1986 stellte China den Antrag auf Mitgliedschaft im GATT, dem Vorgänger der WTO. Er stieß auf keine große Zustimmung und wurde auch von Peking nicht mehr weiter verfolgt. Erst 1998 nahm der damalige Premierminister Zhu Rongji einen neuen Anlauf. Mit massiven wirtschaftlichen Problemen sah er sein Land konfrontiert, die durch einen Reformstau noch zu eskalieren drohten: "Es gab sehr viele Reformen, die kommen mussten, die sich aber nicht durchsetzen ließen", sagt Doris Fischer vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Durch dieses forsche Vorpreschen von Zhu Rongji in Amerika versuchte er im Prinzip eine externe Kraft zu finden: "Wir müssen diese Reformen machen, weil das die WTO von uns verlangt. Und das gab dem Ganzen eine ganz andere Dynamik", so Fischer weiter gegenüber DW-WORLD.DE.
Ein besonderer Anwärter
Nun ist China nicht irgendein Land, sondern das Land mit der größten Bevölkerung und einem riesigen Reservoir an billigen Arbeitskräften. Sorge gab es vor allem seitens der Amerikaner und der Europäer, dass die Weltmärkte von chinesischen Produkten überflutet würden. Sie forderten Sicherheiten und Zugeständnisse von den Chinesen: "Man hat sich bestimmte Eingriffsmöglichkeiten vorbehalten", sagt Rolf Langhammer, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Und das alles habe dazu geführt, dass man dann hinreichende Sicherheit hatte zu sagen: "Das ist ein sehr wichtiger und großer Anbieter. Aber wir wollen ja auch auf den chinesischen Markt und dazu brauchen wir auch die Mitgliedschaft (Chinas) in der WTO."
Am 11. Dezember 2001 war es dann soweit: Die Volksrepublik China wurde das 142. Mitglied der Welthandelsorganisation. "Wir haben einen hohen Preis für den Eintritt gezahlt", erinnert sich der Handelsminister Chen Deming. Damit meint er den Anpassungsdruck, dem vor allem die chinesischen Bauern und die vielen Angestellten maroder Staatsunternehmen ausgesetzt waren.
Die meisten Chinesen profitieren
"Im Endeffekt hat China das gut bewältigt. Es ist eine enorme Wachstumsdynamik in anderen Bereichen entstanden, die geholfen hat, das aufzufangen", meint Doris Fischer. Ein Heer der Wanderarbeiter strömte in die Städte und fand Arbeit in der prosperierenden Privatwirtschaft. Zudem gebe es noch zwei andere Bevölkerungsgruppen, die eindeutig vom WTO-Beitritt Chinas profitiert hätten, sagt Rolf Langhammer: "Da gibt es den Konsumenten, der natürlich von niedrigeren Preisen profitiert. Das ist sehr positiv, gerade weil China ja insgesamt eine Neigung zu höherer Inflation hat als andere Staaten." Dann gebe es die Verarbeiter von Produkten, die importiert werden, so Langhammer im Gespräch mit DW-WORLD.DE.
Denn China habe sich an die Zusagen gehalten und die Importzölle gesenkt: "Wir haben die durchschnittlichen Importzölle von 15,3 auf 9,8 Prozent reduziert, hundert Zweige der Dienstleistung für ausländische Anbieter geöffnet und über 3000 Gesetze und Vorschriften verabschiedet", resümiert Handelsminister Chen Deming. Darunter auch Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums. Fortschritte seien zu verzeichnen, meint China-Experte Langhammer, so gebe es sehr viele chinesische Juristen, die sich ausbilden lassen und es herrsche mehr Rechtssicherheit, "aber noch immer gibt es eine Neigung auch von chinesischen Unternehmen, schlicht und ergreifend Produkte nachzubauen."
Klagen und Gegenklagen
Insgesamt wurde China weitaus weniger wegen Verletzung der geistigen Eigentumsrechte verklagt als angenommen. Anders sieht es aus im Bereich Antidumping, wo China noch sehr oft mit Klagen überzogen wird. Gegen diese Antidumping-Verfahren und die Strafzölle wehren sich die Asiaten zunehmend. "Die Tatsache, dass China heute das WTO-Instrumentarium nutzt, um seine Interessen zu vertreten, ist ja ein wahnsinniger Erfolg", so die Bonner China-Expertin Fischer.
Im Streit mit der EU über Strafzölle auf Schuhe und Schrauben aus der Volksrepublik gab die WTO den Chinesen zweimal recht. Doch Anfang Juli 2011 erlitt China eine Niederlage. Die von Peking verhängten Exportquoten für neun knappe Rohstoffe seien mit dem Welthandelsabkommen unvereinbar, urteilte ein Schiedsgericht in Genf. Geklagt hatten die EU, die USA und Mexiko. Daraufhin hat die Zentralregierung ein Einlenken in der Rohstoffpolitik signalisiert.
China und der Welthandel unzertrennlich
Die chinesische WTO-Geschichte ist aber keineswegs nur eine Geschichte von Klagen und Gegenklagen. Der Beitritt vor zehn Jahren ermöglichte dem Reich der Mitte einen Wirtschaftsboom, der den bisherigen noch in den Schatten stellt. Von 2002 bis 2008 wuchs die chinesische Wirtschaft im Jahresdurchschnitt um 11,4 Prozent. Im Jahr 2000 war China der siebtgrößte Exporteur und achtgrößte Importeur. Im vergangenen Jahr sind die Chinesen zum Exportweltmeister und Vizeweltmeister im Import aufgestiegen.
Der chinesische Anteil am Welthandel hat sich seit dem WTO-Beitritt auf 10,4 Prozent verdreifacht. Der größte Wachstumsmarkt der Welt lockte in den letzten zehn Jahren über 700 Milliarden Dollar Direktinvestitionen ins Land. Die ausländischen Unternehmen errichteten in China über 1400 Forschungszentren. "Die bei uns erzielten Gewinne haben ihren Mutterfirmen geholfen, die Finanzkrise zu überstehen", erzählt ein selbstbewusster Handelsminister.
Doch die Finanz- und Wirtschaftskrise setzt dem Welthandel und auch der WTO empfindlich zu. Zwar ist der Flächenbrand des Protektionismus nicht eingetreten, doch den Verhandlungen über Abbau von Zöllen und Subventionen, der sogenannten Doha-Runde, droht das endgültige Aus. Es fehle der Hegemon, der bereit sei, sich für das Regelwerk der WTO einzusetzen, so die Diagnose von Rolf Langhammer. Die Amerikaner nicht mehr, die Europäer nicht und die Asiaten noch nicht: "Das ist das eigentliche Dilemma der WTO. Sie kann aus ihrem Regelwerk allein wenig machen. Sie hängt immer vom 'Good will' der wichtigsten Partner ab."
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel