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In der Zwickmühle

Zhang Danhong26. Mai 2007

China ist der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen - mit mehr als 4,7 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr. Die Regierung verbittet sich Kritik von außen, zeigt aber Zeichen der Einsicht.

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Smog über Hongkong
Smog über HongkongBild: picture alliance/dpa

Einen unrühmlichen Weltmeistertitel könnten die USA bereits in diesem Jahr an China abgeben, den des größten Luftverschmutzers. Zou Ji, der stellvertretende Direktor des Umweltinstituts der Volksuniversität in Peking, lässt sich dadurch aber nicht aus der Ruhe bringen. Für ihn ist die gigantische Menge des CO2-Ausstoßes eine natürliche Folge der Bevölkerungszahl und der schnellen Urbanisierung:

In den letzten Jahren seien 200 bis 300 Millionen Bauern durch die wachsende Industrie vor Ort oder im Zuge der Landflucht zu Stadtbewohnern geworden. "Da steigt der Energieverbrauch automatisch", sagt Zou Ji. Der höhere Lebensstandard lasse den Energiekonsum steigen. "Die Menschen verbrauchen mehr Strom, duschen öfter, drehen im Winter die Heizung auf und stellen im Sommer die Klimaanlage an. So steigt nicht nur der Pro-Kopf-Verbrauch, auch der gesamt Energieverbrauch nimmt Jahr für Jahr zu", so Zou Ji.

Ein Stahlwerk der Firma Shougang in Peking
Ein Stahlwerk in Peking. Die Firma Shougang ist mit ihren vielen Werken im Land einer der größten Umweltsünder (Archivbild)Bild: AP

Noch wird 70 Prozent des Energiebedarfs in China mit Kohle gedeckt. Alle drei bis fünf Tage wird ein neues Kohle-Kraftwerk ans Netz gebracht. Und jedes dieser Kraftwerke stößt 30.000 Tonnen Kohlendioxid aus. Und das ist noch nicht alles. Immer mehr Menschen, fahren immer mehr Autos, und das wiederum verursacht klimaschädliche Treibhausgase. In der Hauptstadt Peking gibt es heute 2,5 Millionen Fahrzeuge. Täglich kommen 1000 neue hinzu. Und es könnten noch viel mehr werden, denn in China kommen auf 1000 Einwohner gerade 20 Autos - in Deutschland sind es 600 Autos.

Klimawandel auch in China spürbar

China trägt in großem Umfang zur Erderwärmung bei, leidet aber auch selber unter den Folgen des Klimawandels. Besonders die Wasserwirtschaft habe zu leiden, sagt Klaus Töpfer, der frühere Chef des UN-Umweltprogramms. "Durch die schmelzenden Gletscher im Himalaya wird die Wasserführung des Yangtze negativ beeinflusst, wie die Gletscherschmelze in den europäischen Alpen auf Rhein oder Donau. Der Klimawandel hat ganz sicherlich breite Auswirkung auf die Landwirtschaft und nicht zuletzt natürlich auf die Veränderung des Meeresspiegels, bis hin zu immer extremeren Wettersituationen.“

Wegen der lang anhaltenden Dürre im Westen und Südwesten sind in diesem Jahr bereits zwölf Millionen Menschen von Trinkwasser-Mangel bedroht - zusätzlicher Zündstoff für die ohnehin vorhandene soziale Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Die Zentralregierung in Peking ist sich der ernsten Lage bewusst. Sie hat sich strenge Vorgaben auferlegt: Bis 2010 soll die Wirtschaft rund ein Fünftel pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts weniger Energie verbrauchen. Auch ein aufwendiges Aufforstungsprogramm wurde gestartet.

International bleibt China hart

Eine vertragliche Beschränkung der CO2-Emission auf internationaler Ebene ohne Gegenleistung kommt für Peking aber nicht in Frage. Die chinesische Regierung sieht die westlichen Industriestaaten am Zug. Tatsächlich verursacht ein Chinese einen Kohlendioxid-Ausstoß von 3,2 Tonnen im Jahr - und liegt damit unter dem Weltdurchschnitt von 3,7 Tonnen. In den USA liegt die Pro-Kopf-Emission bei 20 Tonnen im Jahr. Eric Heymann, Umwelt-Experte von Deutsche Bank Research, will die chinesische Haltung in der Klimafrage nicht verurteilen. "Ich bin Einwohner eines Landes, in dem die Treibhausgas-Emissionen pro Kopf fünfmal höher sind als in China, und in dem keiner Hunger leiden muss, in dem wir alle unsere Autos haben, alle in den Urlaub fliegen und alle ein Wohlstandsniveau haben, das deutlich höher ist als das des Durchschnittsbürgers in China."

Atemschutzmaske erforderlich: Eine Mopedfahrerein in Xingtai im Norden Chinas
Atemschutzmaske erforderlich: In Xingtai im Norden Chinas (Archivbild)Bild: picture alliance/dpa

Heymann sieht China erst am Anfang eines Aufholprozesses. 30 Millionen Chinesen leben noch ohne Strom. Viele Bauern wohnen in einfachsten Hütten, berichtet Heymann. Alle wollten sie am Aufschwung des eigenen Landes teilhaben. Die Gefahr einer gesellschaftlichen Destabilisierung durch einen plötzlichen Wachstums-Stopp beträfe die chinesischen Entscheidungsträger deshalb unmittelbarer als das Risiko eines Klimawandels. Eine Trendwende ist daher nicht in Sicht. Auch unter den Industrienationen haben es bisher nur Deutschland und Großbritannien geschafft, die CO2-Emission gegenüber 1990 zu reduzieren. Ohnehin geht es allenfalls um eine Verlangsamung des Anstiegs.

Emissionshandel als wirtschaftlicher Vorteil

Ein wirksames Instrument für den Klimaschutz bietet der im Kyoto-Protokoll vereinbarte Emissionshandel: Industrieländer, die in China oder anderen Entwicklungsländern in CO2-ärmere Kohlekraftwerke investieren, können die daraus gewonnene Emissionsreduktion auf das eigene Ziel anrechnen. Die Entwicklungsländer bekommen im Gegenzug moderne Technologie. Für Eric Heymann ist der Emissionshandel nicht nur ökologisch sinnvoll. "Jede Verbesserung des Wirkungsgrads bei Kohlekraftwerken in China hat einen zigfach höheren Wert, als wenn wir in Deutschland noch irgendwo die Dächer mit Fotovoltaik-Anlagen bestücken." Auch die Kosten pro Tonne weniger CO2 seien natürlich bei veralterten Anlagen in China sehr viel niedriger. Man könne dort mit sehr viel weniger Geld sehr viel erreichen, so Heymanns Analyse. "Es macht daher auch ökonomisch betrachtet Sinn, dieses Instrument stärker zu nutzen, weil man dann die Treibhausgas-Emission dort vermindert, wo es am kostengünstigsten ist.“

Umdenken erkennbar

Da in den nächsten 20 bis 30 Jahren nicht damit zu rechnen ist, dass sich China selbst eine Obergrenze bei der Treibhausgas-Emission setzen wird, gilt es, die Aufsteigerländer dabei zu unterstützen, die Fehler der Industrienationen zu meiden. Unter den Chinesen setzt sich langsam die Einsicht durch, dass sie mitverantwortlich sind für den Klimaschutz, auch wenn sie nicht die Hauptschuld am Klimawandel tragen. Klaus Töpfer, der die chinesische Regierung jahrelang in der Umweltpolitik beraten hat, bescheinigt Peking tatsächlich einen Bewusstseinswandel. "Es gibt eine Einsicht auch in der Führung Chinas, dass man keineswegs Lebensstile, Konsummuster kopieren will.“

Einsicht ja, Einigkeit offenbar noch nicht. In der chinesischen Regierung wird immer noch um den ersten nationalen Plan Klimaschutzplan gerungen. Seine Veröffentlichung wurde bereits zweimal verschoben.