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China nimmt die Spitze des Frauenfußballs ins Visier

John Duerden
24. Dezember 2022

China möchte Fußball-Weltmacht werden. Für die Frauen wurde vor der WM 2023 ein langfristiger Plan verabschiedet. Ein ähnlicher Plan für die Männer brachte kaum Erfolg, doch haben die Frauen wohl bessere Chancen.

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Chinas Fußball-Nationalmannschaft der Frauen feiert den Finalsieg bei der Asien-Meisterschaft 2022 in Indien
China hofft, dass der Titel bei der Asien-Meisterschaft 2022 nur der Anfang einer erfolgreichen Ära warBild: INDRANIL MUKHERJEE/AFP

Als China Anfang der 2010er-Jahre begann, massiv in den Fußball zu investieren, ging man davon aus, dass die chinesische Nationalmannschaft der Männer wohl bei der WM 2022 in Katar dabei sein würde. Doch der Plan scheiterte grandios - auch an kulturellen und strukturellen Hürden. Chinas Nationalteam verpasste einmal mehr die WM-Qualifikation und war nun seit 2002 nicht mehr bei einer WM-Endrunde dabei. Auch der heimische Fußball hat große Probleme, da viele Profiklubs mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass statt der Männer die Fußballerinnen des Landes immer mehr in den Fokus rücken - bei Fans und Funktionären. Am 24. Oktober 2022 gaben der chinesische Fußballverband CFA, das Bildungs- und das Finanzministerium sowie die Allgemeine Sportverwaltung Chinas Einzelheiten eines Plans bekannt, der den Frauenfußball in den kommenden Jahren auf die höchste Ebene heben soll.

Der Zeitpunkt der Ankündigung war bemerkenswert, denn sie erfolgte nur zwei Tage nach dem 20. Nationalen Kongress der Kommunistischen Partei, auf dem Staatspräsident Xi Jinping, bekanntermaßen ein Fan des "schönen Spiels", eine beispiellose dritte Amtszeit errang. "Der Plan, der von der Zentralregierung und nicht nur von der Sportbehörde herausgegeben wurde, ist an sich schon wichtig, ebenso wie der Zeitpunkt", erklärt der in Peking ansässige Sportberater Bi Yuan im Gespräch mit der DW.

Chinas Xi Jinping lacht und zeigt mit einem Finger beim Thailand APEC 2022 Gipfel in Bangkok
Chinas Staatsführer Xi Jinping gilt als großer Fußballfan - Erfolg im Fußball ist StaatszielBild: Rungroj Yongrit/REUTERS

Der Plan umfasst sieben Schwerpunktbereiche, darunter eine bessere Jugendausbildung, mehr qualifizierte Trainer und eine verbesserte Nationalmannschaft. Ziel ist es, die Weltmeisterschaft 2031 auszurichten und spätestens vier Jahre darauf als Weltmeisterinnen den Pokal in die Höhe zu recken.

Finanzielle Probleme behindern Super League

Das alles erinnert stark an einen Plan, der 2016 für die Männer vorgelegt wurde und das Ziel verfolgte, bis 2030 zu den besten Fußballmannschaften Asiens zu gehören und bis 2050 sogar in die Spitze des Weltfußballs vorzudringen. Damals hatten sich die Ausgaben, die in Chinas Fußball getätigt wurden, bereits in schwindelerregenden Höhen bewegt. Im Wintertransferfenster 2017 gaben die Vereine der Chinese Super League (CSL) insgesamt umgerechnet 392 Millionen Euro für Spielertransfers aus - mehr als jede andere Liga der Welt zu diesem Zeitpunkt.

Seitdem sind jedoch einige der Unternehmen, denen die Klubs gehören, in große finanzielle Schwierigkeiten geraten. Jiangsu FC, im Besitz des Einzelhandelsriesen Suning, musste 2021 als amtierender Meister den Spielbetrieb einstellen. Gleichzeitig hat sich die Nationalmannschaft trotz der Investitionen, die auch auf Basisebene getätigt wurden, nicht verbessert.

Tom Byer, ein renommierter US-amerikanischer Jugendtrainer, der in Japan lebt, war an dem chinesischen Fußball-Plan beteiligt. Er arbeitete als Berater mit dem chinesischen Bildungsministerium und der staatlichen Sportverwaltung zusammen, um das Programm an tausenden von Schulen im ganzen Land einzuführen. Gegenüber der DW erklärt er, dass Pekings jüngste Hinwendung zum Fußball der Frauen angesichts der "schwachen Leistungen" der Männer eine logische Konsequenz sei. 

Schüler trainieren an der Henan Experimental High School in Zhenzhou
Chinas Plan, im Männer-Fußball zur Weltklasse aufzuschließen, ist bislang nicht aufgegangenBild: Li Jianan/Xinhua/picture alliance

Während die Männer in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 zu kämpfen hatten, gewannen die Frauen im Februar 2022 den Asien-Cup. Während die Männer wieder einmal das größte aller Turniere verpassten, bereiten sich die Frauen nun auf die Weltmeisterschaft 2023 vor, die im Juli und August gemeinsam von Australien und Neuseeland ausgerichtet wird.

Aufstieg in den 90er-Jahren

Der Weg an die Spitze ist für die Frauen, die 1999 zum ersten und bislang einzigen Mal ein WM-Finale erreichen konnten, kürzer als der für die Männer. "Zwischen China und der Weltspitze der Männer liegen viele Länder, aber bei den Frauen ist das nicht der Fall", sagt Ivanhoe Li, CEO von Fangze Sports, einer in Peking ansässigen Sportmarketingfirma, der DW. "Die CFA bemüht sich mehr um die Frauenmannschaft, da sie bessere Chancen hat, sich zu profilieren." Für Ivanhoe ist das eine logische Konsequenz der Entwicklung, "weil die Frauenmannschaft in den 1990er Jahren Titel gewonnen hat."

Zwischen 1986 und 1999 gewannen die Chinesinnen siebenmal in Folge die Asien-Meisterschaft. 2006 gab es den achten Titel. Insgesamt aber sind Chinas Fußballerinnen in diesem Jahrhundert in der weltweiten Rangordnung zurückgefallen und der Weg zurück an die Spitze wird weder schnell noch einfach sein - auch wenn die Chinesinnen amtierende Asienmeisterinnen sind.

Spielerinnen der chinesischen Frauen-Mannschaft nach dem verlorenen WM-Finale 1999 mit Silbermedaillen bei der Siegerehrung
Größter Erfolg der chinesischen Frauen-Mannschaft bislang: der Vize-WM-Titel 1999Bild: MICHAEL CAULFIELD/AP/picture alliance

Die Konkurrenz an der Weltspitze ist aber noch ein Stück entfernt. "Der Frauenfußball ist viel wettbewerbsfähiger geworden und die Europäerinnen beginnen zu dominieren", sagt Byer und fügt hinzu, dass eine solche Entwicklung schon immer ein Wendepunkt gewesen sei. "Die Fußballerinnen aus Europa haben einen riesigen Sprung nach vorne gemacht, weil sie aus Fußballkulturen stammen. Sie sind in eine Fußballkultur eingebettet und von Männern umgeben, die ständig über Fußballsysteme, Taktiken und Formationen sprechen."

Auch abseits des Spielfeldes bleibt abzuwarten, ob es den Behörden in Peking gelingen wird, bei der Unterstützung der Frauen, die in der Öffentlichkeit auf große Zustimmung stößt, Kurs zu halten. Im Jahr 2021 wurde ein Beitrag auf der Social-Media-Website Weibo veröffentlicht, in dem gefordert wurde, dass die Frauen die gleiche finanzielle Unterstützung erhalten sollten wie die Männer. Er wurde 110 Millionen Mal aufgerufen.

"Ihr Einfluss [der Einfluss der Behörden, Anm.d.Red.] ist angesichts der aktuellen Situation des chinesischen Fußballs begrenzt", sagt Sportberater Bi. Auch die wirtschaftliche Lage im Land stellt keine Hilfe dar. "Es gibt immer noch keinen Ausweg aus der 'Null-Covid'-Politik, die zur Verlegung des Asien-Pokals 2023 und zur Verschiebung der Asien-Spiele 2022 geführt hat, die in Hangzhou stattfinden sollten", so Bi. 

Konkretes Ziel für die WM 2023

Ein gutes Abschneiden bei der WM 2023 könnte jedoch dazu beitragen, Chinas neuen Plan zum Fußball der Frauen weiter in Gang zu bringen. Die Weltmeisterschaft im kommenden Sommer soll auch der erste Meilenstein auf dem Weg zur WM 2035 sein, die China gewinnen möchte. So steht es jedenfalls im Plan.

Chinas Frauen-Cheftrainerin Shui Qingxia
Nach dem Sieg beim Asien-Cup warten auf Nationaltrainerin Shui Qingxia und ihr Team bei der WM neue HerausforderungenBild: Li Ziheng/Xinhua News Agency/picture alliance

Das erklärte Nahziel lautet daher, dass die Frauen bei dem 32 Mannschaften umfassenden Turnier in Australien und Neuseeland unter die letzten Acht kommen sollen. Die Chinesinnen treffen in ihrer Gruppe neben Europameister England auf Dänemark und den Sieger der Playoff-Serie zwischen Senegal, Chile und Haiti. "Die Gruppe ist nicht einfach. Die Gewinnerinnen der Playoffs werden ein harter Gegner sein. Dänemark ist stark, und England ist Europameister", sagte Chinas Cheftrainerin Shui Qingxia zur Auslosung und kündigte an: "Wir werden unser Bestes geben und alles tun, um uns gut vorzubereiten und unser Land stolz zu machen. Wir wissen, dass wir eine Menge Arbeit vor uns haben. Und die beginnt jetzt."

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.