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Gefährlicher Straßenverkehr

Inga Gebauer2. April 2007

Über 100.000 Menschen sterben jedes Jahr auf Chinas Straßen – das sind 7,5 Prozent der Verkehrstoten weltweit, obwohl nur drei Prozent der Autos in China fahren. Die Ursachen sind dabei andere als in Europa.

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Chinesische Polizisten neben einem Taxi, das in einen Unfall verwickelt war(Quelle: dpa)
Das verlief glimpflichBild: picture-alliance/dpa

Es ist eines der ersten Forschungsprojekte in China, das die VW-Unfallforschung zusammen mit dem Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der Shanghaier Tongji-Universität ins Leben gerufen hat. 225 Unfälle im Shanghaier Vorort Jiading haben die Wissenschaftler seit Projektbeginn vor zwei Jahren ausgewertet. Sie untersuchen, welche Verformungen der Unfallwagen zeigt und welche Verletzungen die Beteiligten davontragen. Vor allem aber untersuchen sie Fahrerverhalten und Unfallursachen.

Berufsverkehr in Peking (Quelle: AP)
Immer mehr Chinesen steigen vom Fahrrad auf Auto und Motorrad umBild: AP

China erlebt seit einigen Jahren einen wahren Autoboom. In Peking etwa werden täglich über 1000 Autos neu zugelassen. China habe sich innerhalb der vergangenen 15 Jahre von einer Nation der Fahrradfahrer zu einer Nation des motorisierten Individualverkehrs gewandelt, sagt Axel Tenzer von der Konzernunfallforschung der VW-AG. Die Verkehrsdichte in den großen Städten wie Peking oder Shanghai sei enorm, so Tenzer: "Alle Probleme, die wir vor 30 bis 50 Jahren in Deutschland hatten, treten jetzt in China wieder auf."

Forschungsergebnisse aus Deutschland nicht übertragbar

Damals hatte Deutschland ähnlich hohe Unfallraten. Mitte der 1970er Jahre begann man deshalb mit der Erforschung von Unfallursachen. Die Ergebnisse werden nicht nur in der Fahrzeugtechnik und Fahrerausbildung berücksichtigt, sondern fließen auch in Gesetzgebung und Infrastrukturgestaltung ein. Doch was für Unfälle in Deutschland gilt, lässt sich nicht immer auf China übertragen.

Mentalitätsunterschiede, ein nicht vergleichbares Straßennetz und eine andere Verkehrszusammensetzung sind die Gründe dafür, erklärt Axel Tenzer. Der LKW-Anteil in China ist fast viermal größer als in Deutschland. Dazu kommen mehr Zweiradfahrer und Fußgänger auf den chinesischen Straßen, die besonders häufig Opfer von Unfällen sind.

Fehlendes Risikobewusstsein

In beiden Ländern werden die meisten Unfälle durch Fehlverhalten der Fahrer verursacht. In Deutschland ist laut Statistischem Bundesamt zu schnelles Fahren der häufigste Fehler. In China sei das Hauptproblem fehlendes Risikobewusstsein, sagt Axel Tenzer. Als Beispiel nennt er die Fahrer von Elektrorollern: "Wenn man nachts ohne Licht fährt, kommt man natürlich ein bisschen weiter. Dass man dabei aber möglicherweise nicht gesehen wird, ist vielen Leuten einfach nicht klar."

Ein Mann zeigt einen Sicherheitsgurt
Sicherheitsgurte können Leben retten - wenn sie angelegt werdenBild: dpa zb

Viele Unfälle wären nicht tödlich verlaufen, wenn sich die die Fahrzeuginsassen angeschnallt hätten, sagt Tenzer. Weniger als die Hälfte der Autofahrer beachtet nach VW-Erkenntnissen die Gurtpflicht. Rote Ampeln werden regelmäßig ignoriert, in brenzligen Situationen wird gehupt statt auf die Bremse zu treten. Mit einer Aufklärungskampagne in Radio und Fernsehen will VW dem fehlenden Risikobewusstsein und der unzureichenden Ausbildung der Fahrer entgegenwirken, über Unfallursachen und wirksame Sicherheitsmaßnahmen informieren.

Lehrmaterial, Kindersitze, elektronische Helferlein

Sicherheit im Straßenverkehr gewinnt für Regierung und Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Und hier scheint sich eine neue Marktlücke aufzutun. Auch der deutsche Verlag Degener engagiert sich auf diesem Gebiet, er entwirft neues Lehrmaterial für chinesische Fahrschulen. Peugeot-Citroën wirbt für den Einsatz von Kindersitzen, die in chinesischen Autos bisher kaum zu finden sind. Auf technische Lösungen setzt der deutsche Zulieferer Bosch, der eine große Zukunft für Antiblockiersysteme (ABS) und elektronische Sicherheitsprogramme (ESP) sieht.

VW plant bisland nicht, alle Autos mit diesen Systemen auszustatten. "Wir wissen, dass der Sicherheitsgurt in Verbindung mit der sicheren Fahrgastzelle Lebensretter Nr. 1 ist", sagt Axel Tenzer. Die Unfallanalysen hätten gezeigt, dass man den Hebel vor allem beim Bewusstsein der Bevölkerung ansetzen müsse. Elektronische Systeme stünden wegen der Kosten nur einem Teil der Bevölkerung zur Verfügung, zumal die Sicherheitsausstattung auf der Prioritätenliste des chinesischen Kunden erst auf Rang drei hinter der Größe des Autos und der Ausstattung mit Klima- und Musikanlage rangierten. Die chinesischen Käufer wollten ihre Mehrinvestitionen auch sehen, sagt Tenzer: Ledersitze sind da eben auffälliger als ein ABS-System.