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Chef der Rechtsextremen weiter in Untersuchungshaft

Jannis Papadimitrou, Athen 4. Oktober 2013

Die griechische Justiz geht gegen Abgeordnete der rechtextremen "Goldene Morgenröte" vor. Drei von ihnen sind in Untersuchungshaft, dürfen jedoch ihren Parlamentssitz vorerst behalten.

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Sicherheitskräfte führen Nikolaos Michaloliakos ab (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Der Parteichef der rechtsextremen "Goldenen Morgenröte", Nikolaos Michaloliakos, bleibt in Untersuchungshaft. Das haben griechische Richter am Donnerstagmorgen (03.10.2013) beschlossen. Festgenommen wurde er am vergangenen Wochenende. Das entsprechende Haftprüfungsverfahren dauerte die ganze Nacht. Michaloliakos wird vorgeworfen, die Partei in eine "kriminelle Vereinigung" umgewandelt zu haben. Im Gefängnis bleiben vorerst auch der Fraktionsvorsitzende Christos Pappas sowie der für die Gewerkschaftsarbeit zuständige Abgeordnete Jannis Lagos.

Am Dienstag hatten die Haftrichter Politik und Medien noch mit ihrer Entscheidung überrascht, drei weitere Führungsmitglieder der Partei bis zum Prozessbeginn auf freien Fuß zu setzen. Unter ihnen war auch der Parteisprecher und ehemaliger Elitesoldat Ilias Kassidiaris, der laut Anklage die Schlägertruppen der Goldenen Morgenröte anführe.

Kommentatoren sprechen von einem Rückschlag für Regierungschef Antonis Samaras, der noch am Vortag erklärt hatte, er werde die Rechtsextremen "zerquetschen". Vereinzelt wurden Zweifel laut, ob die Anklage gründlich vorbereitet war.

Der Haftrichter entscheide in jedem Einzelfall, ob ein Angeklagter in Untersuchungshaft müsse, erklärt Ilias Anagnostopoulos, Professor für Strafrecht an der Universität Athen. Maßgeblich seien das Beweismaterial, die Persönlichkeit des Angeklagten und die Frage, ob Flucht- oder Wiederholungsgefahr bestehe. "Die Erwartungen der Öffentlichkeit an den Prozess sind hoch und werden auch von den Medien geschürt, daher auch der Ruf nach einer schnellen Bestrafung", kritisiert der Strafrechtler.

Ratlosigkeit über weiteren Umgang mit der "Goldenen Morgenröte"

Die hohen Erwartungen der Öffentlichkeit habe der Staat geschürt, "als hätte ein schnelles Durchgreifen alle Versäumnisse der Vergangenheit kompensieren können", meint Kostis Papaioannou, Vorsitzender der griechischen Kommission für Menschen- und Bürgerrechte. Da sei eine Portion Selbstkritik von Seiten des Staates nötig, denn lange Zeit seien die Institutionen gegenüber den Rechtsradikalen untätig geblieben, so Papaioannou.

Kostis Papaioannou, Vorsitzender der griechischen Kommission für Menschen- und Bürgerrechte (Foto: DW/Jannis Papadimitriou)
Kostis Papaioannou warnt vor Aktionismus und RachegefühlenBild: DW/J. Papadimitriou

Seit der Wiederherstellung der Demokratie in Griechenland nach dem Ende der Militärdiktatur (1974) gab es noch kein Strafverfahren gegen amtierende Parlamentarier. Aus diesem Grund herrscht Ratlosigkeit über den weiteren Umgang mit der "Goldenen Morgenröte", die heute mit insgesamt 18 Abgeordneten im Parlament vertreten ist. Sechs von ihnen sind der Bildung einer "kriminellen Vereinigung" beschuldigt worden. Ein Verbot der "Goldenen Morgenröte" ist grundsätzlich nicht möglich, weil die griechische Verfassung nicht vorsieht, dass eine Partei als illegal erklärt werden kann. Vorerst verlieren die Angeklagten auch nicht ihr Mandat im Parlament.

Vereinzelt wird in der griechischen Öffentlichkeit sogar die Auffassung vertreten, sie seien berechtigt, vom Gefängnis aus an Parlamentsdebatten und Abstimmungen teilzunehmen. Die Parlamentsfraktion der "Goldenen Morgenröte" wagte bereits die Probe aufs Exempel: Sie bat den Parlamentspräsidenten Evangelos Meimarakis schriftlich, alle "notwenigen Vorkehrungen zu treffen", damit der inhaftierte Parteichef Michaloliakos an einer Fragestunde im Plenum teilnehmen könne. Das würde bedeuten, dass der rechtsextreme Politiker in Polizeibegleitung ans Rednerpult tritt und nach seinem Wortbeitrag wieder ins Gefängnis zurückgebracht wird. Der Parlamentspräsident erklärte sich für nicht zuständig und verwies Michaloliakos an den Staatsanwalt.

Die Grenzen der wehrhaften Demokratie

"Die Teilnahme an der Parlamentssitzung setzt Präsenz voraus", sagt Ilias Anagnostopoulos. Abgeordnete, die im Gefängnis sitzen, seien nicht berechtigt, an Debatten oder Abstimmungen im Parlament teilzunehmen, dürfen aber sehr wohl anderen Tätigkeiten nachgehen, etwa politische Stellungnahmen verfassen und Interviews geben. Für Abgeordnete, die auf freiem Fuß sind, gelten gar keine Einschränkungen, erklärt der griechische Jurist, der in Frankfurt promoviert hat. Nach geltendem Recht sei die Anordnung des Mandatsverlusts jedenfalls erst dann zulässig, wenn ein rechtskräftiges Urteil gegen einen Volksvertreter vorliege. Die Anklageerhebung reiche dafür nicht aus.

Porträt von Ilias Anagnostopoulos, Professor für Strafrecht an der Universität Athen (Foto: DW/Papadimitriou)
Jurist Anagnostopoulos kennt die hohen Erwartungen der Öffentlichkeit an den ProzessBild: DW/J. Papadimitriou

Menschenrechtler Kostis Papaioannou gehört schon seit langer Zeit zu den schärfsten Kritikern der Rechtsextremen. Doch er ist der Auffassung, dass Aktionismus oder Rachegefühle fehl am Platz sind: "Die Zerschlagung der 'Goldenen Morgenröte' ist eine Überlebensfrage für die griechische Demokratie. Wir glauben in der Tat, dass unsere Demokratie das Recht hat, sich zu verteidigen." Doch deren Verteidigung könne nur im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung erfolgen.