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Chance zum Neuanfang

Bernd Riegert, Brüssel3. Februar 2005

Die Rede zur Lage der Nation von US-Präsident Bush wurde in der EU besonders aufmerksam verfolgt. Die Europäer hoffen auf Wiederannäherung. Doch Differenzen bleiben.

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EU-Kommissionspräsident Barroso (r.) erwartet "gefestigtes Verhältnis" zum US-PräsidentenBild: AP

Es gibt eine Chance zum Neuanfang zwischen der Europäischen Union und den USA, glauben EU-Diplomaten in Brüssel. Im Prinzip teile man dieselben außenpolitischen Ziele, auch wenn es bei den Mitteln unterschiedliche Auffassungen gebe. Die Ankündigung des amerikanischen Präsidenten, in den nächsten vier Jahren den Aufbau von Koalitionen fortzusetzen und gemeinsam mit Verbündeten demokratische Entwicklungen im Nahen Osten zu unterstützen, wird als Beleg dafür gewertet, dass George W. Bush wieder auf die Europäer zugehen will.

EU-Kommissionspräsident Jose Barroso, der als portugiesischer Ministerpräsident den Irak-Krieg unterstützte, meinte kürzlich, zur Kooperation mit den USA gebe es keine Alternative. "Ich bin sicher, dass wir mit der neuen Administration die Chance haben werden, ein gefestigtes Verhältnis aufzubauen. Das ist im Interesse nicht nur Europas oder der USA, sondern auch Afrikas und der ganzen Welt", sagte Barroso.

"Moment der Hoffnung"

In der Europäischen Union geht man davon aus, dass die USA erkannt haben, dass man gemeinsam mehr erreichen könne. Allerdings sind die Anstrengungen der europäischen NATO-Staaten oder der EU, zum Beispiel die Ausbildung von Sicherheitskräften im Irak zu organisieren, relativ bescheiden.

Gegenüber Syrien hat die EU bisher versucht, durch Verhandlungen über ein Kooperationsabkommen und mögliche Finanzhilfen, Einfluss auf die Führung in Damaskus zu nehmen. Die Rhethorik von Präsident Bush klang viel härter.

Beim Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern stimmen die europäische und die amerikanische Beurteilung überein. "Es gibt einen Moment der Hoffnung, den man nutzen muss", sagte noch am Montag (31.1.) der EU-Außenbeauftragte Javier Solana.

Streitfall Iran

Die drei EU-Staaten Großbritannien, Frankreich und Deutschland versuchen mit dem Iran einen Verzicht auf Atomwaffen auszuhandeln. Die USA fahren zwar einen härteren Kurs, die Europäer glauben aber nicht, dass die Amerikaner mit Gewalt einen Regimewechsel in Teheran herbeiführen wollen. Das meinte zumindest Bundesaußenminister Joschka Fischer bei der letzten Außenminister-Tagung in Brüssel und betonte: "Wir setzen hier auf die Diplomatie."

Bei den bevorstehenden Besuchen von US-Außenministerin Condoleezza Rice und US-Präsident Bush in Brüssel wollen die Europäer darauf drängen, dass gegenüber dem Iran eine einheitliche Linie verfolgt wird.

Rotes Tuch: Kuba

In vielen anderen Einzelfragen gibt es stark unterschiedliche Ansichten. Die EU ist kurz davor, das Waffenembargo gegen den umworbenen Handelspartner China aufzuheben, was in den USA als gefährlich für Taiwan eingestuft wird. Parlamentarier warfen der EU erst am Dienstag vor, sie handele in Sachen China gierig und kurzsichtig. Mit dem kommunistischen Kuba will die EU ihre Beziehungen normalisieren. Auch dies ist für Washington ein rotes Tuch.

In der Krise um die westsudanesische Provinz Darfur verlangen die USA ein härteres Vorgehen und sprechen von Völkermord durch die sudanesische Regierung. Die EU hat sich nicht zu Sanktionen durchringen können. Die Europäer werden sich voraussichtlich hinter den jüngsten UN-Bericht zum Sudan stellen, der zwar den Tatbestand des Völkermords nicht erfüllt sieht, trotzdem eine Klage gegen den Sudan vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag empfiehlt. Dies wiederum lehnen die USA ab, weil sie den von ihnen nicht anerkannten Gerichtshof nicht aufwerten wollen.