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Exit-Strategie für Bosnien

30. Oktober 2006

Angesichts der Belastung der Bundeswehr durch zahlreiche Auslandseinsätze hat Verteidigungsminister Franz Josef Jung einen schrittweisen Abzug der deutschen Soldaten aus Bosnien-Herzegowina angekündigt.

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Ein Soldat der Bundeswehr, Teil der Friedensmission in Bosnien-Herzegowina, beklebt ein Fahrzeug mit dem Schriftzug EUFOR in der Kasere in Rajlovac, nahe Sarajevo, am 30. November 2004
Wie lange wird er noch bleiben? Bundeswehr-Soldat in Bosnien-Herzegowina (Archivfoto)Bild: AP

Schon im Dezember dieses Jahres soll mit einem stufenweisen Rückzug der Bundeswehr aus Bosnien-Herzegowina begonnen werden. Die Wahlen in dem Balkan-Land Anfang Oktober seien "sehr gut verlaufen" und hätten für Stabilisierung gesorgt, sagte Jung Sonntagabend (29.10.) im ZDF zur Begründung. Deshalb werde man im Dezember diskutieren: "Wie sieht konkret die Exit-Strategie, das heißt die Rückführung, aus", sagte der CDU-Politiker.

Die Bundeswehr stellt derzeit etwa 850 der insgesamt 7000
Soldaten, die im Rahmen der militärischen Operation der Europäischen Union (EUFOR) die Lage in dem Balkan-Land sichern.

Polizisten statt Soldaten

Jungs Amtsvorgänger Peter Struck hatte zuvor in einem Zeitungsinterview den Bosnien-Einsatz in Frage gestellt. "Der Krieg in Bosnien etwa ist seit elf Jahren vorbei, und die Bundeswehr ist immer noch mit einem großen Kontingent dort. Wir sollten allmählich das Ziel erreichen, dass unsere Soldaten Bosnien wieder verlassen", sagte der SPD-Fraktionschef der "Bild am Sonntag". Viele Aufgaben dort könnten von Polizisten anderer europäischer Länder übernommen werden.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, begrüßte die Pläne für einen Rückzug der deutschen Truppen aus Bosnien-Herzegowina. "Das ist allerhöchste Eisenbahn", sagte Gertz am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Seit Beginn des Bundeswehr-Engagements im Jahr 1995 habe der zivile Wiederaufbau Fortschritte gemacht. Was nun übrig bleibe, sei bestenfalls eine Polizeiaufgabe, mit Sicherheit aber keine Aufgabe mehr vom Militär.

Relative Ruhe

Halle mit Särgen von 335 Opfern des Massakers von Srebrenica
Dem Massaker von Srebenica fielen rund 8000 muslimische Männer und Jungen zum OpferBild: AP

Die Lage in Bosnien-Herzegowina galt in jüngster Zeit als ruhig. Gleichwohl warnen hohe Militärs davor, dass in dem mehrheitlich von Muslimen bewohnten Land jederzeit wieder Unruhen ausbrechen können. Bei den kriegerischen Auseinandersetzungen sind Schätzungen zufolge 60.000 Menschen ums Leben gekommen. Einige Quellen sprechen von bis zu 250.000 Kriegsopfern, die in der Zeit zwischen der Unabhängigkeitserklärung Bosnien-Herzegowinas im März 1992 und dem Dayton-Abkommen von 1995 getötet wurden.

Bei den Wahlen zu einer neuen Zentralregierung am 3. Oktober 2006 hatten erneut die nationalistischen Parteien der Muslime, Serben und Kroaten die Oberhand behalten. Gemäßigte bürgerliche Parteien waren nicht zum Zuge gekommen. Da keine der angetretenen Parteien die absolute Mehrheit erreichte, muss nun eine Koalitionsregierung gebildet werden.

Insgesamt 10.000 Soldaten weltweit im Einsatz

Insgesamt hat die Bundeswehr derzeit etwa 10.000 Mann an zehn Einsatzorten von Europa über Afrika bis nach Afghanistan im Einsatz. Laut Ex-Verteidigungsminister Struck bietet sich auch im Kosovo "die Chance, unser Kontingent zu reduzieren". Im Kosovo sind rund 2900 deutsche Soldaten stationiert.

Weitere Bundeswehrsoldaten sind derzeit auch noch in Afghanistan (2900 Soldaten), dem Kongo (740), am Horn von Afrika (330), im Sudan (40), in Äthiopien (2), Georgien (10), vor der Küste des Libanons (bis zu 2400) sowie im Rahmen der NATO-Marine-Operation "Active Endeavour" im Mittelmeer (23) im Einsatz. (ana)