1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bundesregierung zapft die Ölreserven an

2. September 2005

Die Bundesregierung wird auf Wunsch der USA einen Teil der nationalen Ölreserve freigeben - eine umstrittene Maßnahme.

https://p.dw.com/p/77wy
Nur im Notfall an die ReservenBild: AP

Im Rahmen einer international koordinierten Aktion werde man einen entsprechenden Antrag der USA bei der Internationalen Energie-Agentur (IEA) unterstützen, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Freitag (2.9.2005) in Berlin. Das sei für Deutschland "selbstverständlich".

Weltweit finde sich dazu nur Zustimmung. Als Konsequenz einer Entscheidung der IEA würden die einzelnen Staaten in internationaler Abstimmung Teile ihrer Reserven auf den Markt bringen. Schröder hob hervor, dass die Voraussetzung für dieses Vorgehen, nämlich die Störung der Erdölversorgung weltweit, durch die Hurrikan-Katastrophe in den USA gegeben sei, weil wesentliche Teile der amerikanischen Ölversorgung am Golf von Mexiko nicht mehr aufrechterhalten werden könnten. An die Unternehmen appellierte Schröder, die Maßnahme zu nutzen, um zu einer Senkung der Preise beizutragen.

Was ist die "Strategische Ölreserve"?

Um Teile der Reserve entnehmen zu können, ist eine Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit erforderlich. Das geht laut Gesetz nur, wenn die Entnahme der "Verhütung unmittelbar drohender oder zur Behebung eingetretener Störungen in der Energieversorgung oder zur Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber der EU oder der IEA" dient. Eine Störung der Energieversorgung liegt beispielsweise dann vor, wenn auf dem Weltmarkt Öl und Öl-Produkte nicht mehr in einem ausreichenden Maße beschafft werden können.

In Deutschland ist die Erdölbevorratung für Krisenfälle im Erdölbevorratungsgesetz geregelt. Demnach hat der Erdölbevorratungsverband (EBV) in Hamburg die Pflicht, Benzin und Heizöle für den bundesdeutschen Verbrauch von 90 Tagen zu bevorraten. Der EBV hat als Vorbereitung auf den Krisenfall Verarbeitungsverträge mit allen deutschen Raffineriegesellschaften abgeschlossen, um bei Bedarf das Rohöl jeweils dort verarbeiten lassen zu können, wo freie Kapazitäten bestehen.

Zu dieser Bevorratung haben sich sowohl die Europäische Union als auch die Mitglieder der IEA verpflichtet. Insgesamt werden nach EBV-Angaben in Deutschland 23,13 Millionen Tonnen Rohöl und Produkte gelagert. Ein Großteil der Vorräte lagert in Salzkavernen im Norden Deutschlands.

Wahlkampfthema Öl- und Benzinpreis

Noch am Vormittag hatte die Bundesregierung die Forderung von Union und FDP als "unsinnig" zurückgewiesen, angesichts der hohen Benzinpreise die strategischen Ölreserven anzugreifen. Wer in dieser Situation "in unverantwortlicher Weise populistische Forderungen" erhebe, beweise, dass er von den Mechanismen der Preisbildung auf den Ölmärkten nichts verstanden habe, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag in Berlin. Die Preisentwicklung auf den Ölmärkten sei ein internationales Phänomen, das teils auf erhöhter Nachfrage und teils auf "reiner Spekulation" beruhe. Dem könne mit begrenzten nationalen Mitteln nicht entgegengewirkt werden.

Auch der von CSU-Chef Edmund Stoiber mit Kanzlerkandidatin Angela Merkel besprochene Vorstoß, zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen aus den gestiegenen Benzinpreisen an die Verbraucher zurückzugeben, wurde als unsinniges "Possenspiel" zurückgewiesen. Dies zeuge entweder von "fundamentaler Unkenntnis" bei beiden oder sei der bloße Versuch, das Thema im Wahlkampf zu instrumentalisieren, sagte Finanzministeriumssprecher Stefan Giffeler. Der Staat profitiere in keiner Weise vom hohen Ölpreis; Mehreinnahmen seien weder aus der Mineralöl- noch aus der Mehrwertsteuer zu erwarten. Das Problem sei weniger der Rohölmarkt, sondern die zerstörte Raffineriekapazität im Süden der USA, sagte Steg. (arn)