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Bund oder Länder: Wer hat die Macht im Staat?

Meike Naber16. Dezember 2004

Das föderalistische Staatsaufbau in Deutschland ist reformbedürftig. Kritiker klagen, dass sich Bund und Länder mittlerweile mehr blockieren als ergänzen. Wie funktioniert der Föderalismus eigentlich?

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Der Bundesrat: Deutschlands starke LänderkammerBild: AP


Bund und Länderregierungen sind im Sinne der Gewaltenteilung und gegenseitigen Kontrolle bei einer Vielzahl von Aufgaben zur Zusammenarbeit verpflichtet. Wo die Rechte und die Verantwortung des Bundes enden und die der Länder beginnen, ist im Grundgesetz geregelt. Die Länder haben stillschweigend Vorrang.

Diese Struktur hat historische Gründe: Nach dem Ende der Nazi-Diktatur wollten die Alliierten eine neue "Großmacht Deutschland" verhindern. Sie setzten durch, dass den einzelnen Bundesländern zahlreiche Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse eingeräumt wurden.

Verteilung der Bund-/Länderkompetenzen

An der Gesetzgebung beteiligt sind Bundesregierung und Bundestag sowie die Länderkammer (Bundesrat). Artikel 71 des Grundgesetzes nennt zwölf Bereiche, für die allein der Bund zuständig ist, darunter Verteidigung, Staatsangehörigkeit und Auswärtige Angelegenheiten. Artikel 74 zählt 25 Sachbereiche auf, die jedes Bundesland für sich regeln soll – zum Beispiel Bildung und Forschung, Naturschutz, Gesundheit, Energie, Jugendhilfe, Kulturförderung, Verkehr, Ver- und Entsorgung und Wohnen.

Belohnung für Zugeständnisse

Im Laufe der Jahre haben sich die Machtverhältnisse von Bund und Ländern verschoben und die Mitspracherechte immer mehr vermischt: Die Länder verlangen Mitspracherechte bei Angelegenheiten des Bundes. Und der Bund redet den Ländern zunehmend in ihre Gesetzgebung hinein.

Bereits 1969 gaben die Länder zum Beispiel ihre Alleinzuständigkeit für die Hochschulen, die Agrar- und Wirtschaftsstruktur, den öffentlichen Nahverkehr und Naturschutz auf. "Belohnt" wurden sie dafür mit größeren finanziellen Zuwendungen des Bundes und mehr Mitspracherechten in der Länderkammer. In demselben Maße, wie sich die Einflussmöglichkeiten der Länder im Bundesrat vergrößerten, stiegen ihre Blockademöglichkeiten für Gesetzesvorhaben des Bundes. Ohne ein "Ja" der meist oppositionellen Ländermehrheit bewegt sich heute nicht mehr viel.

Umgekehrt hat auch der Bund - unterstützt durch das Bundesverfassungsgericht - immer mehr Kompetenzen an sich gezogen. Um einheitliche Strukturen in allen Bundesländern zu schaffen, werden mehr und mehr Kompetenzen der Länder auf Bundesebene verlagert. Heikelster Streitpunkt ist derzeit das Thema Bildung. Nach den katastrophalen Ergebnissen der ersten Pisa-Studie (2000) wurde der "nationale Bildungsnotstand" ausgerufen. Bildung ist eigentlich Ländersache, aber inzwischen sind einheitliche Bildungsstandards und zentrale Abschlussprüfungen, koordiniert vom Bund, im Gespräch. Die Länder fordern stattdessen mehr Autonomie der Schulen und mehr Wettbewerb zwischen den Hochschulen.

Entflechtung der Zuständigkeiten

Klare Machtverhältnisse zu schaffen und die Entscheidungsstrukturen zwischen Bund und Länderregierungen zu entflechten, ist Aufgabe der "Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung", kurz Föderalismuskommission. Sie wurde im November 2003 von Regierung und Opposition eingesetzt. Der Kommission gehören die 16 Ministerpräsidenten der Länder und 16 Bundestagsabgeordnete an.

Klärungsbedarf zwischen den Vertretern von Bund und Ländern besteht vor allem bei Hochschulrecht und Bildungsplanung, Umweltrecht und Innerer Sicherheit. Außerdem sollen die Mitwirkungsrechte der Länder drastisch beschnitten werden: Müssen derzeit fast 60 Prozent aller Gesetze durch den Bundesrat bestätigt werden, werden es am Ende nur noch 35 Prozent sein. Um die Föderalismus-Reform letztendlich durchsetzen zu können, ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig.