1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Bulgarische CSU" gegründet

7. Dezember 2006

Boiko Borissov, Bürgermeister von Sofia, hat eine Partei gegründet: "Bürger für die europäische Entwicklung von Bulgarien". Borissov kommt bei der Bevölkerung gut an. Seine Partei ist Mitte-Rechts und wertkonservativ.

https://p.dw.com/p/9Usx
Borissov - ein Mann mit ehernen ZielenBild: AP

Auf dem Gründungskongress in der bulgarischen Hauptstadt Sofia haben die 3478 Delegierten am 3. Dezember einstimmig die Partei "Bürger für die europäische Entwicklung von Bulgarien" (GERB) ins Leben gerufen. Das Besondere an diesem neuen politischen Projekt ist, dass dessen Begründer, Boiko Borrisov, Bürgermeister der Landeshauptstadt ist. Er zählt zu den populärsten und beliebtesten Politikern Bulgariens. Zudem gilt er als pro-europäisch und NATO-treu. "Bruder Boiko" anstatt Herr Borissov - so wird der 44jährige meistens angeredet, seit der politisch tätig ist.

Borissov spricht die Leute an

Die Bürger schätzen vor allem seine Fähigkeit, die Dinge – wie sie sagen – "beim Namen zu nennen". So sagte er zum Beispiel in einer Debatte offene Worte zum Thema Korruption. Und er prangerte die eklatanten Defizite der Justiz an. Ebenfalls sehr populär unter der Bevölkerung ist seine Meinung zu den Akten der ehemaligen kommunistischen Staatssicherheit "Darzhavna sigurnost" (DS). Viele Politiker äußern sich zu diesem Thema sehr vorsichtig oder gar nicht. "Bruder Boiko" hingegen fordert, dass alle noch auffindbaren Akten vorgelegt und auch geöffnet werden sollen. Und er geht noch ein Stück weiter: Borissov nennt Namen von Menschen in hochrangigen diplomatischen Positionen in Bulgarien, die einst für "Darzavna sigurnost" tätig waren. "Was haben die da noch zu spionieren!", rief er von der Tribüne des Gründungskongresses seiner Partei.

Vorsitzender nur "Sprachrohr"?

Borissov freut sich darüber, dass er auch in Europa beliebt ist. Und: Er spricht auch gerne darüber: "Seit sechs Jahren bin ich in der Politik. Es ist sehr aufschlussreich, dass wir so viele Grußtelegramme zur Gründung der Partei GERB bekommen haben - sowohl von den bulgarischen Behörden als auch aus Europa und Deutschland", sagt er. "Das spricht eindeutig dafür, dass die Leute zu schätzen wissen, was ich geleistet habe". Seine große Popularität führte auch dazu, dass er vor einem Jahr bei den Kommunalwahlen in Sofia mit großer Mehrheit zum Bürgermeister gewählt wurde.

Jetzt allerdings ist der Bürgermeisterposten eher lästig. Denn laut Artikel 41 des Kommunalverwaltungsgesetzes kann ein Bürgermeister nicht gleichzeitig zum Vorsitzenden einer Partei oder in die Regierung gewählt werden. Von daher wurde auf der Gründungsversammlung Tzvetan Tzvetanov – er gilt als Borissovs so genannte "rechte Hand" – zum Vorsitzenden der neuen Partei ernannt. Bis jetzt war er stellvertretender Bürgermeister von Sofia. Tzvetanov hält jedoch Borissov für den "echten Chef", er sei nur der Vorsitzende: "Der Parteiführer von GERB ist Boiko Borissov, und der Parteivorsitzende heißt Tzvetan Tzvetanov", sagte er.

Wertkonservative Wähler als Zielgruppe

Auf dem politischen Parkett wird "Bürger für die europäische Entwicklung von Bulgarien" einen Platz mitte-rechts einnehmen, so Tzvetan Tzvetanov: "Unser politisches Projekt positioniert uns dort. Unsere Priorität ist die Familie. Sehr hoch im Kurs werden auch Themen wie Bildung, Korruptionsbekämpfung und Transparenz in der Arbeit der Verwaltungsorgane stehen", ließ er verlauten. Und: "Wir sollten uns nicht abkapseln, wir müssen neue Brücken schlagen und die rechtsdemokratischen Wähler für die Idee GERB zu gewinnen".

Deutsche CSU als strategischer Partner?

Das politische Grundgerüst der Partei orientiere sich an dem der Christlich-Sozialen Union (CSU) in Bayern, erklärt Tzvetanov. Er bezeichnet die CSU als einen "strategischen Partner" von GERB, mit der intensive Gespräche geführt würden. Eine enge Zusammenarbeit bestehe auch zwischen GERB und der deutschen Hanns-Seidel-Stiftung in München, sie steht der CSU nahe. Wird demnach GERB die bulgarische CSU? "Das wäre für uns die bestmögliche Entwicklung, es wäre prima, wenn wir es schaffen würden", sagt der GERB-Vorsitzende. Tzvetanov gehörte übrigens bereits auf dem letzten CSU-Parteitag zu den offiziellen ausländischen Gästen. Der Politologe Dimitar Avramov glaubt auch nicht, dass die neue Partei GERB ihre Politik noch weiter rechts ausrichten wird als "rechts von der Mitte". "Ich habe sehr gründlich die Gründungspapiere der Partei gelesen", sagt er, "aber außer dem Text, wo von der Familie die Rede ist, habe ich keine rechtsorientierten Botschaften gefunden".

Hochfliegende Pläne

Die politischen Beobachter in Bulgarien warnen vor zu großen Erwartungen. Genauso wie jetzt Borissov hätte vor fünf Jahren der kurz davor aus seinem spanischen Exil zurückgekommene bulgarische Ex-König Simeon Saxkoburggotski versucht, in der Politik Fuß zu fassen. Bei den Parlamentswahlen 2001 gewann seine neu gegründete "Nationale Bewegung Simeon Saxkoburggotski" (NDSV) denn auch die Hälfte der Mandate in der bulgarischen Volksversammlung, aber heute hat sie nur noch vier Prozent Wählerstimmen und ist ein Koalitionspartner der bulgarischen Sozialisten. Doch davon lässt sich GERB die Stimmung nicht verderben - sie will sich als die stärkste Partei in Bulgarien bereits bei den nächsten Wahlen etablieren. "GERB muss zur Nr. 1 in der bulgarischen Politik werden", bestätigte auch Boiko Borissov.

Emiliyan Lilov
DW-RADIO/Bulgarisch, 6.12.2006, Fokus Ost-Südost