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Briefwahl wird immer populärer

Anna Peters19. September 2013

Bei der Bundestagswahl hat jeder die Möglichkeit per Brief abzustimmen. Ein Service für Wähler, der allerdings das Risiko von Manipulationen erhöht.

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#30909251 - Briefwahl © VRD - Fotolia.com
Unterlagen für die Briefwahl können ohne Zeitdruck ausgefüllt werdenBild: Fotolia/VRD

"In den Städten in Deutschland nutzen mittlerweile 30 Prozent der Wahlberechtigten die Briefwahl - in den Großstädten teilweise noch mehr", sagt der Politikwissenschaftler Norbert Kersting von der Universität Marburg. Tendenz steigend. "Das hat etwas damit zu tun, dass wir stärker individualisiert sind und dass wir politische Beteiligung einfacher haben wollen", erklärt Kersting die Popularität der Briefwahl im Gespräch mit der Deutschen Welle. "In der Schweiz zum Beispiel wurde in den 1990er-Jahren die Briefwahl eingeführt. Heute wählen in den Städten teilweise 90 Prozent per Brief."

Umstrittener Service

Eingeführt wurde die Briefwahl in Deutschland schon 1957. Wähler, die sich zum Zeitpunkt der Wahl im Ausland aufhalten oder aus gesundheitlichen Gründen nicht ins Wahllokal kommen können, soll dadurch ermöglicht werden, trotzdem ihre Stimme abzugeben. Bis 2008 musste der Antrag auf Briefwahl mit plausiblen Erklärungen wie Krankheit oder Abwesenheit begründet werden. Seitdem steht es jedem frei, wie er wählt.

Ein Angebot, das viele nutzen. Aber es gibt auch kritische Stimmen. Rolf Gröschner lehrt Rechtsphilosophie und Öffentliches Recht an der Universität Jena. Er steht einer zunehmenden Beliebtheit der Briefwahl sehr skeptisch gegenüber: "Das, was uns alle angeht, soll auch öffentlich sein." Mit anderen Worten: Wählen sollte in einem öffentlichen Wahllokal stattfinden und nicht zu Hause. Dort kann es leicht zu Manipulationen kommen - durch den Ehepartner oder Freunde, die vielleicht eine ganz andere Partei favorisieren.

Wahllokal in Berlin Mitte 2009 Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images
Nicht jeder hat Zeit, am Wahlsonntag seine Stimme abzugebenBild: John Macdougall/AFP/Getty Images

Eine Studie in Großbritannien im Jahr 2000 bestätigte, dass es bei der Briefwahl häufiger zu Manipulationen kommt. So habe es eine Reihe von Fällen gegeben, in denen das Wahlgeheimnis nicht gewahrt wurde, indem zum Beispiel gemeinsam in Vereinen gewählt wurde, so Kersting. In einer solchen Situation könnte ein Gruppenzwang entstehen, der eine eigene, freie Wahlentscheidung verhindert. Aber es wurde auch ein positiver Effekt nachgewiesen. "Die höchste Wahlbeteiligung war in den Bezirken, die reine Briefwahlbezirke waren", berichtet der Politikwissenschaftler Kersting.

Trotz aller Skepsis und Manipulationsgefahr hält Rolf Gröschner von der Uni Jena die Briefwahl für notwendig. "Wir müssen aufgrund der Allgemeinheit der Wahl sicher stellen, dass alle, die wählen wollen, auch wählen können."

Wählen in der Botschaft

Wahlberechtigte im Ausland mussten sich bis zum 1. September 2013 in ein Wählerverzeichnis ihrer Heimatgemeinde eintragen lassen, um in Deutschland wählen zu können. Das dafür nötige Formular ist an deutschen Botschaften und Konsulaten erhältlich, so wie auf der Website des Bundeswahlleiters. Auslandsdeutsche haben neben der Briefwahl nun noch die Möglichkeit direkt in der Botschaft zu wählen.