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Handel

Brasiliens Präsident Lula reist nach China

William Yang | Fábio Corrêa
11. April 2023

Mit einer großen Delegation reist Brasiliens Präsident Lula nach Peking. Während China sich einen besseren Zugang zum brasilianischen Markt erhofft, sucht Brasilien ein Gleichgewicht zwischen Handel und Umweltschutz.

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Brasilien I Präsident Luiz Inacio Lula da Silva
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da SilvaBild: Sergio Lima/AFP

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ist am Montag mit einer großen Unternehmerdelegation zu einem Staatsbesuch nach China aufgebrochen. Geplant ist auch ein Treffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping. Die Begegnung soll die Beziehungen zwischen den beiden Ländern weiter vertiefen.

Bei diesem Staatsbesuch werden die Handelsbeziehungen zwischen China und Brasilien eine zentrale Rolle spielen. Lula wird von einer Delegation aus 240 Wirtschaftsvertretern begleitet. Die Handelsströme zwischen beiden Ländern belaufen sich gegenwärtig auf umgerechnet 140 Milliarden Euro jährlich, mit einem brasilianischen Exportvolumen von 83 Milliarden Euro im Jahr 2022.

China interessiert sich für die Ressourcen

China investiert mittlerweile in zahlreichen brasilianischen Wirtschaftssektoren. Peking nutzt den Ressourcenreichtum und den großen Absatzmarkt des Landes.

"Brasilien verfügt über zahlreiche Ressourcen, die für China von Interesse sind. Soja aus Brasilien ist ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Überlegungen zur Ernährungssicherheit", meint Margaret Myers, Leiterin des China- und Lateinamerika-Programms der Non-Profit-Organisation Inter-American Dialogue (IAD).

Eine Viehherde grast auf einer Farm in Ruropolis im brasilianischen Amazonas-Bundesstaat Pará
Roden für Rindfleisch: Eine Viehherde grast auf einer Farm in Ruropolis im brasilianischen Amazonas-Bundesstaat ParáBild: NELSON ALMEIDA/AFP/ Getty Images

Angesichts der Größe des brasilianischen Marktes war es für das Land naheliegend, zu einem der ersten Ziele für chinesische Unternehmen zu werden, fügt Myers hinzu. "Dass die Regierung unter Lula im Jahr 2010 China, chinesisches Engagement und chinesische Investitionen in Brasilien willkommen hieß, trug dazu bei, diese bilaterale Dynamik zu fördern", unterstreicht sie im Gespräch mit der DW.

Andere Analysten bestätigen, Lulas Reise nach China habe auch zum Ziel, chinesische Investitionen in Brasilien, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, weiter auszubauen.

Wie Evandro de Menezes de Carvalho, Professor für Internationales Recht an der Wirtschaftshochschule Fundação Getulio Vargas in Rio de Janeiro, anmerkt, hofft Brasilien darauf, chinesische Unternehmen anzuziehen, um das Wachstum in Bereichen wie der Kfz-Produktion und grüner Energie voranzutreiben.

China, Brasilien und die Landwirtschaft

Auch der Landwirtschaftssektor wird während Lulas fünftägiger Reise nach China eine große Rolle spielen, wie die Anwesenheit von 90 Vertretern der Agrarindustrie in seiner Delegation deutlich macht. Insbesondere die Fleischindustrie ist daran interessiert, mehr Zugang zu chinesischen Märkten zu erhalten. Zehn Vertreter des weltgrößten Fleischproduzenten JBS SA gehören laut der Nachrichtenagentur Reuters der brasilianischen Delegation an.

Rinderbaron in Brasilien: Zwischen Gewinn und Umweltschutz

Leland Lazarus ist stellvertretender Leiter des Programms für nationale Sicherheit an der Florida International University. Nach seiner Überzeugung betrachtet China Brasilien zwar als wichtigen Pfeiler in seinem Engagement in Lateinamerika, Lula werde jedoch versuchen, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen seinem Werben um den Handel mit China und chinesische Investitionen und einer harten Haltung gegenüber China in Umweltfragen.

"Lula wird nicht die zweite Geige spielen wollen", ist sich Lazarus im Gespräch mit der DW sicher. "Er wird vermutlich versuchen, den Export von gefrorenem Rindfleisch, Sojabohnen, Eisenerz und Rohöl in den riesigen chinesischen Markt zu steigern. Gleichzeitig wird er wahrscheinlich größere Anstrengungen von China fordern, seine Treibhausgasemissionen zu senken, und er wird in Brasilien tätige staatseigene chinesische Unternehmen dafür zur Verantwortung ziehen, wenn sie Brasiliens kostbare Umwelt schädigen."

Die Dominanz Chinas bereitet Sorgen

Auch wenn Brasilien hofft, seine engen wirtschaftlichen Verbindungen zu China aufrechtzuerhalten, löst die Dominanz chinesischer Unternehmen in vielen Wirtschaftsbereichen des Landes unter brasilianischen Unternehmen und Wirtschaftsführern großes Unbehagen aus.

Die Denkfabrik Global Americans mit Sitz in den USA veröffentlichte kürzlich einen Artikel, in dem Evan Ellis, Experte für Lateinamerikanische Studien am US Army War College, hervorhob, dass chinesische Unternehmen in den letzten beiden Jahrzehnten geschätzte 65 Milliarden Euro in Brasilien investiert hätten. Zusätzlich seien chinesische Unternehmen in 23 der 26 brasilianischen Bundesstaaten an Projekten in so unterschiedlichen Bereichen wie Bergbau, Landwirtschaft, Industrie, Telekommunikation, Finanzen und Medizin beteiligt.

China «erobert» Lateinamerika | Brasilien Rio de Janeiro
Metro made in China: Chinas ehemaliger Premierminister Li Keqiang (l.) fährt 2015 mit der U-Bahn in Rio, deren Waggons in China gebaut wurdenBild: TOMAZ SILVA/AGENCIA BRASIL/Efe/dpa/picture alliance

Laut Myers vom IAD haben verschiedene Branchen und Interessengruppen wachsende Bedenken wegen des chinesischen Engagements in bestimmten Bereichen zum Ausdruck gebracht. Sie sagt, der Fertigungssektor widersetze sich dem offenen Handel mit China. Man befürchte nachteilige Folgen für die brasilianische Industrie und deren Wettbewerbsfähigkeit. "Über die verschiedenen Wirtschaftsbereiche hinweg gibt es viele Bedenken hinsichtlich der chinesischen Dominanz", sagt sie.

Brasilien zählt nicht zu den Unterzeichnern des chinesischen Vorzeigeprojekts "Neue Seidenstraße" oder Belt and Road Initiative (BRI). Dennoch dürfte dieses Thema zur Sprache kommen, vermutet Myers, wenn Xi und Lula sich treffen.

"Ein Anschluss an die Neue Seidenstraße würde für Brasilien einige wirtschaftliche Vorteile haben", erläutert sie und fügt hinzu, für China sei nicht nur Unterstützung für diese Initiative essentiell wichtig, sondern auch für andere weitreichende chinesische Initiativen.

Die Zukunft der BRICS-Staaten

Der bilaterale Handel wird die Tagesordnung von Lulas Reise dominieren, doch das Treffen der beiden Staatsoberhäupter hat auch wichtige geopolitische Auswirkungen. Nachdem Peking die bilaterale Beziehung zu einer "umfassenden strategischen Partnerschaft" aufgewertet hatte, unterzeichneten Brasilien und China im Jahr 2012 einen über zehn Jahre laufenden Kooperationsplan.

China unterstrich die Bedeutung der Beziehungen zwischen Peking und Brasilia, als es Anfang des Jahres den ehemaligen Vizepräsidenten Wang Qishan zur Amtseinführung von Präsident Lula da Silva schickte. Beide Länder gehören zur Gruppe der BRICS-Staaten, und so gehen einige Experten davon aus, dass Xi und Lula über den aktuellen Zustand und die Zukunftsaussichten der Organisation sprechen werden, darunter auch die engen Beziehungen Chinas zu Russland.

Brasilien als Vermittler?

Der Krieg gegen die Ukraine wird bei dem Treffen der beiden Staatsoberhäupter ebenfalls zu Sprache kommen, erwartet Myers: "Der Ukraine-Krieg wird in einem sehr pragmatischen Sinne Thema sein, einschließlich der Aspekte, die die BRICS-Staaten betreffen und der Auswirkungen, die der Krieg für diese hat."

Lazarus von der Florida International University fügt hinzu, Xi and Lula würden die BRICS-Staaten wahrscheinlich als "erfolgreichen Rahmen für die Kooperation innerhalb des globalen Südens" präsentieren.

"Xi wird die wirtschaftliche Führungsrolle unter den BRICS-Staaten beanspruchen, während Lula die moralische Führungsrolle in Bezug auf den Klimaschutz für sich reklamieren wird", meint Lazarus.

Als wichtiger Akteur in Südamerika könnte Brasilien auch eine ausgleichende Rolle angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen China und den USA spielen, meint zudem Dawisson Lopes, Professor für Internationale Beziehungen an der Universidade Federal de Minas Gerais, Brasilien. "Sowohl für China als auch für die USA ist es außerordentlich wichtig, gute Beziehungen zum größten Land in Südamerika zu unterhalten", sagt er im Gespräch mit der DW.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.