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Der Brückenbauer

Ute Schaeffer20. November 2006

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat am Samstag (18.11.2006) seine einwöchige Reise durch die Maghreb-Staaten beendet. Neben der Imagepflege ging es auch um den diplomatischen Brückenbau, meint Ute Schaeffer.

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Sie sind die empfindliche Südflanke der Europäischen Union (EU), die fünf Maghreb-Staaten, in die der deutsche Bundesaußenminister in diesen Tagen gereist ist. Von hier aus brechen illegale Migranten aus Afrika nach Europa auf, von hier stammen radikale junge Islamisten, die in Europa Anschläge verüben. Die Maghreb-Staaten sind Risiko-Staaten und könnten doch zugleich durch ihre in vielen Bereichen vorbildhafte Entwicklung Stabilisatoren sein für die ganze Region. Das unterstrich der Bundesaußenminister mit seinem Besuch.

Schwach ausgeprägtes Deutschlandbild

Der diente vor allem der Imagepflege im Jahr vor Übernahme der
EU-Ratspräsidentschaft - und nicht zuletzt den eigenen wirtschaftlichen wie politischen Interessen. Das Bild Deutschlands ist in der Region nur schwach ausgeprägt. Während die Beziehungen der Maghreb-Staaten zu Frankreich traditionell gut ausgebaut sind, fragten sich durchaus auch politisch Interessierte im Maghreb noch vor wenigen Wochen, wer denn Herr Steinmeier eigentlich sei und welche außenpolitischen Ziele Deutschland in der Region verfolge.

Das lässt sich in aller Kürze beantworten: eine gemeinsame Linie mit Blick auf Migration, verbesserte wirtschaftliche Beziehungen insbesondere zu den Rohstoffstaaten Algerien und Libyen und einen intensiveren Dialog mit den reformorientierten Maghreb-Staaten. Denn gelingt die Modernisierung im Maghreb, dann wäre für Europa viel gewonnen.

Gutes Verhältnis zu Europa

Alle maghrebinischen Gesellschaften stehen im Spannungsverhältnis zwischen konservativen islamischen Lebens-, auch radikalen islamistischen Denkmodellen und Moderne. Länder wie Marokko und Algerien haben im vergangenen Jahrzehnt massive politische Reformen umgesetzt. Grund dafür ist auch die Nähe zu Europa. Die Mehrzahl der Menschen in der Region und die politischen Eliten unterhalten ein gutes und vergleichsweise unverkrampftes Verhältnis zu Europa.

Entschlossen ist Marokko beispielsweise die Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit angegangen, mutig rührt der junge König mit seiner Politik an konservative Überzeugungen der Gesellschaft. Die Modernisierung Libyens ist ein weiteres Beispiel. Das ehemalige terrorverdächtige Schmuddelkind mauserte sich zum Diplomaten und Vorbild für eine gelungene Abkehr vom Terrorismus. Aktiv bringt sich Staatschef Muammar el Gaddafi als Friedensmittler in die Krisenherde Subsahara-Afrika vom Kongo bis in den Sudan ein. Mutig nannte Steinmeier den Reformweg Libyens. Und er hat Recht damit, auch wenn noch abzuwarten ist, wie konsequent Gaddafi die Liberalisierung weiter voranbringt.

Intensive Diplomatie als Unterstützung

Tunesien seinerseits begründet anhaltende Menschenrechtsverletzungen mit der Gefahr islamistischer Angriffe. Das ist sicher so nicht zu entschuldigen. Doch ist es Hinweis auf die Schwierigkeiten der zumeist gemäßigten politischen Führungen in der Region. In einigen Regierungen sind so genannte gemäßigte Islamisten mit beteiligt. In anderen – wie in Marokko – stehen sie vor einem Erfolg, der sie im Parlament zu der vielleicht maßgeblichen Fraktion macht.

Ihr politischer Einfluss wächst. Und zumeist gehen die Staaten den Weg einer politischen Integration dieser Parteien und Gruppen. Zugleich gibt es radikale Terrorgruppen, die nicht zu integrieren sind, wie die Terroristen der GSPC in Algerien, die dort immer noch Anschläge verüben und sich unlängst einmal mehr mit dem Terrornetzwerk El Kaida verbündet haben. Von ihnen gehen auch für Europa große Gefahren aus.

Erst intensive diplomatische Kontakte erlauben es, diese gegenläufigen Tendenzen und das Spannungsfeld der Region zu erkennen, die Regierenden bei ihrem Reformkurs von außen zu unterstützen und die Risiken wirklich abschätzen zu können.

Ziel: Brücken bauen

Die eine "arabische Welt" gibt es nicht. Sondern ein Patchwork an Staaten, die zum Teil entschlossen an einem Reformkurs arbeiten, der muslimische Werte, soziale und politische Veränderungen vereint. Die Maghreb-Staaten gehören zu diesen Reformern in der arabischen Region – deshalb sollte Europa auf allen Ebenen belastbare politische und wirtschaftliche Brücken bauen. Diesem Ziel diente der Besuch des Außenministers und dieses Ziel wird auch mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2007 verbunden sein.