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Boris Becker und der DTB: Es ist kompliziert

Marko Langer
25. November 2020

Mit diesem "Beziehungsstatus" kann man beschreiben, wie es um das Verhältnis der Deutschen, besonders des Deutschen Tennis-Bundes (DTB), zum früheren Wimbledon-Sieger steht. Der Verband muss jetzt alleine klar kommen.

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Tennis - Hamburg European Open - Boris Becker verfolgt Spiel
Bild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Ein schneller Blick in das Archiv des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" genügt, um am Tag des Abschieds daran zu erinnern: Es war nicht immer alles Friede-Freude-Eierkuchen zwischen dem deutschen Tennis und seinem größten männlichen Star: "Mobbing gegen Boris Becker", ist da zum Beispiel eine Meldung aus dem Dezember 1999 überschrieben. Becker war gerade als Teamchef des deutschen Davis-Cup-Teams zurückgetreten. Und in Hamburg, dem traditionsreichen Sitz des Deutschen Tennis-Bundes (DTB), wurden als Begleitmusik unschöne Zitate kolportiert. "Was macht eigentlich der Teamchef?" So wurde Verbands-Sportwart Dirk Hordorff damals zitiert. Die beiden Herren mochten sich wohl nicht so gerne. Damals. 

So konnte man sich vor drei Jahren schon erstaunt die Augen reiben, als es gelang, Boris Becker als "Head of Men's Tennis" zurück in die Dienste des Verbandes zu holen. Denn Hordorff war und ist immer noch da. Der ehemalige Trainer und Spielermanager ist als Vizepräsident weiterhin eine wichtige Nummer im deutschen Tennis. 

Der Ruf war ruiniert

Doch der Verband hatte sich in der Zwischenzeit fast zerlegt, ebenso die Herren-Nationalmannschaft. Unvergessen die Episode, als beim Davis-Cup in Frankfurt am Main einfach kein anwesender Spieler mehr Bock hatte, das letzte Einzel zu spielen. Carsten Arriens musste wenig später seinen Hut als Teamchef nehmen. Der Ruf war ruiniert, sportlich ging ohnehin wenig, und der neue Jungstar Alexander Zverev schickte sich an, seinen eigenen und eigensinnigen Weg als Profi einzuschlagen. So machen es viele in der Szene. 

Hey: It's Boris!

Da war zunächst die Berufung eines überaus ruhig agierenden Trainers Michael Kohlmann als neuer Teamchef nach innen eine willkommene Beruhigung. Dass man daneben - nicht nur, aber auch - für die Außenwirkung Boris Becker als "Head of Men's Tennis" installieren konnte, hinterließ nachhaltige Wirkung. Sicher, der Mann konnte nach Hüftoperation und zu vielen Becker-Hecht-Fünf-Satz-Ich-drehe-dieses-verdammte-Match-noch-Einsätzen zeitweise nur noch humpeln und hatte überdies Schulden und dieses unerfreuliche Gerichtsverfahren in London an der Backe, aber hey: It's Boris!

Boris Becker Wimbledon 1985
Boris Becker, , der junge Mann aus Leimen, 1995: Wimbledon gewonnen, die Welt steht ihm offenBild: picture-alliance/S. Simon

Jeder Tennis-Fan in Deutschland erinnerte sich doch daran, wie der Rotschopf in seinem früheren Leben dreimal auf dem Rasen in Wimbledon ("mein Wohnzimmer") nach gewonnenen Finalpartien die Arme  hochgerissen hatte. Nicht dass man dabei gewesen wäre, aber die Nation war am Fernseher versammelt und die Jüngeren haben die einschlägigen Schnipsel auf YouTube längst nachgearbeitet. Jeder, jeder spielte Tennis, weil es Boris und Steffi Graf gab. Man erinnerte sich auch daran, wie Becker deutlich später als Trainer von Novak Djokovic diesem geholfen hatte, zum besten Spieler der Welt zu werden. Und so leuchteten die Augen eines jeden jugendlichen Lehrgangs-Teilnehmers, den Becker fortan zu sich ans Netz rief. 

Er geht - und will wiederkommen?

Doch nun? Vorbei. Zum Ende des Jahres zieht sich Becker überraschend aus dem Deutschen Tennis Bund (DTB) zurück und gibt sein Amt als Herren-Chef auf. "Leider fehlt mir aktuell die Zeit, diese umfangreiche Aufgabe weiter auszuüben, begründete der 53-Jährige in einer Verbandsmitteilung seinen Schritt. Doch niemals geht man so ganz, gilt wohl auch hier: "Ich werde dem DTB freundschaftlich verbunden bleiben und kann mir vorstellen, wenn es meine Zeit erlaubt, dann auch eine noch größere Aufgabe im DTB zu übernehmen, wenn sich die Möglichkeit ergibt."

"Natürlich bedauern wir diese Entscheidung, haben aber auch vollstes Verständnis dafür", sagte DTB-Sportdirektor Klaus Eberhard jetzt: "Mit seinem großen Fachwissen und seiner Persönlichkeit hat Boris auf allen Ebenen im Leistungssport viele Impulse gesetzt."

Davis Cup Pokal 1988 Becker Steeb Jelen Kühnen
Davis-Cup-Sieg 1998: Boris Becker, Patrick Kühnen, Teamchef Niki Pilic, Eric Jelen und Carl-Uwe Steeb Bild: picture-alliance/dpa/R. Schrader

Dass Becker seit vielen Jahren als TV-Kommentator für die BBC arbeitet und inzwischen - neben seiner DTB-Kollegin Barbara Rittner ("Head of Women's Tennis") - auch bei Eurosport für steigende Einschaltquoten und Klickzahlen sorgt, kann eine Erklärung für den Schritt Beckers sein. So lange sein juristischer und finanzieller Ärger andauert, dürfte er in der immer noch sehr konservativen Verbandswelt des Tennis für eine "noch größere Aufgabe" zumindest nicht auf Anhieb durchsetzbar sein. Schon bei seiner Verpflichtung 2017 musste der Verband versichern, dass der neue "Head of ..." keine Bezüge erhalten würde. Geld kann man im und mit Tennis auch nach der Karriere verdienen. Jon McEnroe macht das, Mats Wilander und viele andere. Verbandstätigkeiten sind da allerdings eher keine Hilfe.