1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Bolsonaro-Anhänger stürmen den Kongress in Brasilien

9. Januar 2023

Anhänger des ehemaligen brasilianischen Staatschefs Jair Bolsonaro haben mehrere Regierungsgebäude gestürmt und verwüstet. Präsident Lula da Silva spricht von "faschistischen Vandalen". Auch das Ausland ist entsetzt.

https://p.dw.com/p/4Lsim
Demonstranten schwenken Brasilienfahnen auf dem Vorplatz des Regierungssitzes
Bolsonaro-Anhänger dringen auf das Gelände des Kongresses vorBild: Evariste Sa/AFP

Tausende Anhänger des rechtsgerichteten brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro sind in den Nationalkongress eingedrungen. Dabei richteten sie erheblichen Sachschaden an, wie auf Fotos zu sehen war, die in Online-Netzwerken verbreitet wurden. Ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, wie die Polizei Tränengas einsetzte, um hunderte Demonstranten zurückzudrängen. Nach anderen Berichten setzte die Polizei auch Pfeffer-Spray ein. Viele Eindringlinge trugen gelbe Kleidung und schwenkten die brasilianische Flagge.

Die Bolsonaro-Anhänger hatten zunächst Absperrungen überwunden, waren auf das Gelände des Parlaments vorgerückt und gelangten dann auf das Dach des Gebäudes, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Das Gelände um den Kongress war von den Behörden abgeriegelt worden. In dem Kongressgebäude befinden sich der Senat und das Abgeordnetenhaus.

Große Anzahl von Bolsonaro-Anhängern stürmt den Regierungssitz
Die Sicherheitskräfte waren zu Beginn der Angriffe deutlich in der UnterzahlBild: Ueslei Marcelino/REUTERS

Nach dem Angriff auf den Kongress zogen Bolsonaro-Anhänger auch zum Obersten Gerichtshof. Sie hätten dort Scheiben eingeworfen und seien in die Lobby vorgedrungen, berichtete das Nachrichtenportal G1. Auf Video-Aufnahmen örtlicher Medien war zu sehen, wie die Eindringlinge Möbel zerstörten. Die Richter hatten während der Amtszeit von Bolsonaro den rechten Staatschef immer wieder in die Schranken gewiesen und werden von seinen Unterstützern deshalb verachtet. 

Präsident Lula spricht von "Barbarei"

Auch der Regierungssitz Palácio do Planalto, der Arbeitsplatz des Staatsoberhaupts, wurde zum Ziel der Angreifer. Männer mit Brasilienflaggen liefen durch Flure und Büros, wie im Fernsehsender TV Globo zu sehen war. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva befand sich zum Zeitpunkt des Angriffs auf einer offiziellen Reise im Bundesstaat Sao Paulo. Er war in die Stadt Araraquara gereist, um sich über die Folgen der schweren Unwetter in der Region zu informieren. Erst am späten Sonntagabend konnte sich der 77-Jährige selbst ein Bild von der Zerstörung in Brasilia machen.

In einer ersten Stellungnahme bezeichnete Lula die Angriffe als "Barbarei" - ausgeübt von "faschistischen Vandalen". Jeder, der sich daran beteiligt habe, werde dafür geradestehen müssen. Zudem versprach er, die Hintermänner zu finden, die den Sturm auf die Institutionen der Demokratie organisiert und finanziert hätten. Sie würden mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft. 

Sicherheitschef von Brasilia abgesetzt

Aber auch die Reaktion der Sicherheitsorgane wird noch zu untersuchen sein. Der Sicherheitschef des Bezirks Brasilia, Anderson Torres, musste bereits seinen Posten räumen. "Ich habe die Entlassung des Sicherheitsministers des Bundesdistrikts beschlossen und gleichzeitig alle Sicherheitskräfte auf die Straße geschickt, um die Verantwortlichen festzunehmen und zu bestrafen", schrieb der Gouverneur des Bundesbezirks, Ibaneis Rocha, auf Twitter. Präsident Lula ordnete zudem per Dekret an, dass die Bundesregierung vorerst die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit in Brasilia übernimmt. Noch am Sonntag wurden rund 200 Verdächtige festgenommen.

Demonstranten mit Brasilienfahnen sitzen auf dem Dach des Kongressgebäudes
Bolsonaro-Anhänger besetzen das Dach des KongressgebäudesBild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Die Proteste der Bolsonaro-Anhänger richten sich gegen den Wahlsieg des seit Jahresanfang amtierenden linksgerichteten Präsidenten Lula. Bolsonaros Gefolgsleute wollen den Sieg Lulas bei der Präsidentenwahl in Brasilien nicht akzeptieren. Auch Bolsonaro selbst erkannte seine Niederlage bisher nicht ausdrücklich an. Radikale Anhänger des Ex-Militärs hatten bereits nach der Wahl immer wieder gegen Lulas Sieg protestiert und die Streitkräfte des Landes zu einem Militärputsch aufgerufen.

Erst mehrere Stunden nach den Angriffen seiner Anhänger hat sich der abgewählte Präsident selbst zu Wort gemeldet. "Friedliche Demonstrationen sind Teil der Demokratie. Plünderungen und Überfälle auf öffentliche Gebäude, wie sie heute stattgefunden haben, fallen jedoch nicht darunter", schrieb Bolsonaro auf Twitter. "Während meiner gesamten Amtszeit habe ich mich stets an die Verfassung gehalten und die Gesetze, die Demokratie, die Transparenz und unsere heilige Freiheit geachtet und verteidigt." 

Parallelen zum Sturm auf das US-Kapitol

Die Bilder der Aktion in Brasilia wecken Erinnerungen an die Erstürmung des US-Kapitols in Washington durch Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump am 6. Januar 2021.

Dementsprechend schnell hat die US-Regierung auf den Angriff reagiert. "Die Vereinigten Staaten verurteilen jeden Versuch, die Demokratie in Brasilien zu untergraben", schriebt der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, auf Twitter. Präsident Biden beobachte die Situation genau. Die Demokratie in Brasilien werde nicht durch Gewalt erschüttert werden. 

Auch EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilte den Angriff auf die "demokratischen Institutionen Brasiliens auf das Schärfste". Er sagte Staatschef Lula auf Twitter seine "volle Unterstützung" zu. 

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach von einem feigen und gewalttätigen Angriff auf die Demokratie. 

Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz.

kle/ust/djo/ack (afp, dpa, ap, rtr)