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Big Bang für Brüssel

Alexander Kudascheff, Brüssel11. Dezember 2002

Der Gipfel von Kopenhagen wird ein historischer Gipfel. Zehn Länder werden in den EU-Klub aufgenommen. Das hat es noch nie gegeben - und das wird es nie wieder geben. Doch die Ausgangslage der Kandidaten ist verschieden.

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Insider in Brüssel schätzen, dass eigentlich nur fünf Länder wirklich beitrittsreif sind - Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn, Estland und Malta. Zypern erfüllt die wirtschaftlichen Kriterien, aber es bleibt eine geteilte Insel. Die anderen: Sie hinken noch hinterher, allen voran Polen, das größte Land in der Riege der zehn Neuen.

Polen ist gesetzt

Doch darauf hatte sich die EU schon früh, wenn auch nur insgeheim, festgelegt: Polen müsse aus politischen Gründen bei der ersten Runde dabei sein, schließlich sei es Polen gewesen, das mit der unabhängigen Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc den Untergang des Kommunismus eingeläutet habe. Damit war klar: Auch wenn die anderen besser gewesen wären, sie hätten entweder auf Polen warten müssen - was niemand wollte - oder die EU musste die Augen schließen, was sie getan hat.

Offiziell hat das natürlich niemand zugegeben, warum auch? Wenn zehn Neue aufgenommen werden sollen, dann schaut niemand so genau hin, hat man wohl gehofft, und das zu Recht. Die Erweiterung der EU ist ein politischer Quantensprung, sie verändert die Europäische Union, die nicht ohne Grund sich deswegen auf den schwierigen Weg zu einer Verfassung gemacht hat.

Neues Management

Denn: Ein Club mit 25 Mitgliedern muss anders gemanaged werden als einer mit 15. Und die EU der 15 war schon oft ein Flohzirkus. Die Gemeinschaft der 25 wird das erst recht sein.Und am Horizont wächst die EU weiter: Zuerst um Rumänien und Bulgarien - dann vielleicht oder wahrscheinlich um die Türkei. Denn Kopenhagen wird wirklich ein historischer Gipfel sein: Es steht auch die Entscheidung an, ob der Türkei ein Datum genannt wird, wann endlich Beitrittsverhandlungen eröffnet werden können und sollen.

Doch darüber sind sich die Staats-und Regierungschefs im Vorfeld des Gipfels nicht einig. Zwar überwiegt die Meinung, man könne sich mit Beitrittsverhandlungen und damit mit dem Beitritt anfreunden, aber es gibt Skepsis und Zurückhaltung en masse, wenn auch nicht öffentlich. Die Türkei, so sehen es die Skeptiker, überfordere die EU - finanziell und auch kulturell. Aber wie kommt man aus der diplomatischen Sackgasse heraus, in die man sich selbst hinein manövriert hat? Vielleicht, in dem man akzeptiert, dass man schachmatt gesetzt wurde.

Eines aber ist klar: 1999 in Helsinki hat die EU nach einer dreiminütigen Aussprache der Türkei den Kandidatenstatus verliehen. Eine Debatte, gar eine öffentliche Aussprache, die Beteiligung der Menschen - das alles hat es nicht gegeben. Doch das steht jetzt an. Eine Entscheidung dieser Tragweite ohne Plebiszit ist undenkbar, auch wenn die durchaus zweifelnden Befürworter darauf hinweisen, nach dem Datum und der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen werde es sicher acht, vielleicht sogar zehn Jahre und mehr dauern, bis die Türkei beitreten könne.

Aufnahme der Türkei

Dann sei die Türkei ganz anders als heute, heisst es - und, so möchte man hinzufügen, die verantwortliche Politikergeneration im Ruhestand. Ganz schlimm aber ist der Verdacht, der Beitritt erfolge ausschließlich auf amerikanischen Druck, da die USA die Mitgliedschaft der Türkei in der EU ausschließlich unter geostrategischen Aspekten sehen. Das aber wäre, wenn es stimmt, völlig unakzeptabel. Denn für die Sicherheit gibt es bereits die NATO.