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USA will Investitionen in Chinas Hightech-Sektor begrenzen

Thomas Kohlmann
10. August 2023

Die US-Regierung hat Sorge, dass US-Kapital dabei hilft, Chinas Militärsektor mit Künstlicher Intelligenz oder Quantencomputern aufzurüsten. Das Präsidenten-Dekret von Joe Biden folgt dabei einer klaren Strategie.

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US-Präsident Joe Biden
Bild: JIM WATSON/AFP/Getty Images

Das Präsidenten-Dekret von Joe Biden kam selbst für China nicht ganz überraschend. Bereits bei ihrem Besuch in Peking soll US-Finanzministerin Janet Yellen den Schritt der US-Regierung in groben Zügen ihren chinesischen Gesprächspartnern angekündigt haben. Experten zufolge könnte die Initiative Bidens die Spannungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt allerdings verschärfen.

China will sich gegen die angekündigten Beschränkungen zur Wehr setzen. Man werde die Situation genau beobachten und "seine eigenen Rechte und Interessen entschlossen verteidigen", zitierte der Staatssender CCTV einen Sprecher des Außenministeriums. Ziel der Amerikaner sei, China seiner Rechte zu berauben und die globale Vorherrschaft der USA zu erhalten, hieß es.

Rote Linie bei sensiblen Technologien

Der Erlass des Präsidenten zielt auf die Bereiche der leistungsfähigsten Halbleiter, die die USA zur Zeit zu bieten haben, sowie die Technologien für Quanten-Computer und Künstliche Intelligenz (KI). Investitionen in Chinas Hightech-Bereich sollen in Zukunft entweder verboten oder genehmigungspflichtig werden, wenn die US-Regierung die Nationale Sicherheit der USA berührt sieht.

US-Finanzministerin Janet Yellen reicht am 8.Juli in Peking Chinas Vize-Premier He Lifeng die Hand
US-Finanzministerin Janet Yellen am 8.Juli in Peking, hier mit Chinas Vize-Premier He LifengBild: Mark Schiefelbein/AP/picture alliance

High-End-Prozessoren von Unternehmen wie Nvidia sind für Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz genauso wichtig wie bei Zukunftstechnologien, etwa dem Autonomen Fahren. Quantencomputer können im Vergleich zu konventionellen Computern ein Vielfaches an Rechenoperationen bewältigen und so die Verschlüsselungstechnologie auf ein neues Niveau heben. Dazu gehört die Fähigkeit, Codes zu knacken, die herkömmliche Computer auch in Jahren oder Jahrzehnten nicht entschlüsseln können.

Präventiv-Maßnahmen für die Nationale Sicherheit

Für US-Sicherheitspolitiker, Rüstungstechnologie-Konzerne und Militärs wäre es ein Alptraum, dass chinesische Quanten-Computer durch "Code-Breaking" in sensible Bereiche der Nationalen Sicherheits-Architektur eindringen könnten. Auf dem Capitol Hill, dem Sitz der beiden US-Parlamentskammern, fürchte man, dass mithilfe von US-Kapital China neue smarte digitale Waffen oder die nächste Generation von Hightech-Kampfjets bauen könnte, brachte Daniel Flatley von Bloomberg News die Motive der US-Sicherheitspolitik auf den Punkt.

IT-Expertinnen auf einer Konferenz für Quanten-Computing mit einem Quanten-Rechner- Prototypen in Hefei in der chinesischen Provinz Anhui
Prototyp eines chinesischen Quanten-Computers auf einer Konferenz in Hefei im September 2021Bild: Han Xu/Xinhua/picture alliance

Risikokapitalgeber und Private Equity-Firmen betroffen

Bidens Dekret richtet sich vor allem an Venture Capital- und Private Equity-Investoren. Und dabei geht es nicht zuletzt um US-Investitionen in chinesische Start-ups, die im Bereich der Zukunfts-Technologien tätig sind. Doch auch Investitionen von US-Pensionsfonds könnte in Zukunft ein Riegel vorgeschoben werden. Die Finanzbranche befürchtet, dass dies nur der erste Schritt zu noch mehr Restriktionen sein könnte.

"Kleiner Hof, hoher Zaun"

US-Medien charakterisieren den Schritt als "Small yard, hight fence"-Ansatz: Es gehe dabei um eine kleine Menge an Restriktionen, dafür aber für einen sehr sensiblen Bereich.

Die geplanten US-Kapitalbeschränkungen sollen das Tauwetter mit China zwar nicht gefährden. Die Einschränkungen könnten aber auch verschärft werden, sollte sich das Verhältnis zu Peking weiter verschlechtern.

Trotzdem hatte US-Präsident Joe Biden den Erlass nicht - wie sonst üblich - in Anwesenheit der Medien verkündet und sich öffentlich dazu geäußert. Stattdessen entschied sich Biden, ihn weit weg von Washington und ohne Kamera-Teams bei einem Termin in New Mexico zu unterzeichnen.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock stellt die künftige deutsche China-Politik im Berliner China-Institut Merics vor.
Außenministerin Annalena Baerbock stellt im Juli die künftige deutsche China-Politik im Berliner China-Institut Merics vor Bild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Verbündete noch unentschlossen

Entscheidend wird sein, ob sich Washingtons Verbündete wie die G7, an den neuen Restriktionen beteiligen werden. Auch sie waren offenbar seit rund einem Jahr von den Überlegungen der US-Regierung auf dem Laufenden gehalten worden.

Auch beim jüngsten Gipfel der G7-Staaten im Mai im japanischen Hiroshima hatten die USA und ihre Partner über das Thema gesprochen, aber nur sehr vage Absprachen dazu getroffen. "Einige Verbündete wie die Europäische Kommission, das Vereinigte Königreich und Deutschland haben angekündigt, dass sie die Entwicklung eigener ähnlicher Programme prüfen werden", wird ein US-Regierungsvertreter von der Nachrichtenagentur dpa zitiert.

G7-Gipfeltreffen in Hiroshima (Japan) im Mai 2023
G7-Gipfeltreffen in Hiroshima (Japan) im Mai 2023Bild: G7 Hiroshima/ZUMA/IMAGO

Vertreter der deutschen Industrie sehen die US-Investitionsverbote mit Sorge. Die deutsche Wirtschaft sei international eng vernetzt - ein Viertel aller Jobs hänge am Export, in der Industrie sogar jeder zweite. "Ziel der europäischen Außenwirtschaftsstrategie muss es daher sein, anstelle von staatlich gelenktem Außenhandel die globale Öffnung von Märkten und Investitionsstandorten zu beschleunigen, damit die Unternehmen die Diversifizierung ihrer Lieferketten vorantreiben können", betonte Außenhandelsexpertin Melanie Vogelbach von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).

Noch keine endgültige Regelung

Es wird erwartet, dass der Präsidenten-Erlass im Herbst im Kongress nachverhandelt wird. Dort könnte es zu einem Tauziehen zwischen China-Falken, die noch schärfere Restriktionen fordern, mit gemäßigteren Abgeordneten kommen. So fordert etwa der texanische Republikaner Michael McCaul, dass Investitionen in sensible Bereiche wie die Biotechnologie ebenfalls berücksichtigt werden müssten. Zudem wird mit zusätzlichen Vorschlägen aus dem Finanz- und anderen Ministerien gerechnet.

Insgesamt hat die Finanz-Branche rund ein Jahr Zeit, um sich auf die neuen Beschränkungen vorzubereiten. Vorher werden die neuen Regelungen nicht greifen.

Sam Altman, CEO des ChatGPT-Konzerns OpenAI, wird bei einer Anhörung vor dem Justiz-Ausschuss des US-Senats vereidigt
KI im Fokus der US-Politik: Anhörung von Sam Altman, CEO des ChatGPT-Konzerns OpenAI vor dem US-SenatBild: Elizabeth Frantz/REUTERS

Rote Linien und ausgestreckte Hand?

Die einflussreiche Demokratin und langjährige Kongress-Abgeordnete Janet Harman ist die Vorsitzende der vom Streitkräfteausschuss des US-Senats beauftragten Kommission für die Nationale Verteidigungs-Strategie. Sie sieht das Präsidenten-Dekret nur als ersten Aufschlag zu einer neuen China-Strategie, die einen stärkeren Schutz der US-Militär- und Sicherheitsinteressen vorsieht und dafür rote Linien in Bereichen der Nationalen Sicherheit zieht, sagte sie im US-Nachrichtensender Bloomberg. Parallel dazu wollten die USA den Wettbewerb mit China suchen und die Zusammenarbeit etwa in der Klimapolitik vertiefen.

Chinas Hightech-Branche deckt sich mit KI-Chips ein

Neueste Meldungen über den Einkauf von US-Hochleistungs-Chips durch chinesische Hightech-Konzerne scheinen das Vorgehen der US-Regierung zu bestätigen: Chinas Internetgiganten drücken einem Zeitungsbericht zufolge bei der Entwicklung generativer Systeme für Künstliche Intelligenz aufs Tempo. Baidu, der TikTok-Eigentümer ByteDance, Tencent und Alibaba hätten beim US-Chiphersteller Nvidia jeweils Bestellungen im Wert von einer Milliarde Dollar für rund 100.000 A800-Prozessor aufgegeben, die noch in diesem Jahr ausgeliefert werden sollten, berichtete die Zeitung "Financial Times" am Mittwoch unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.

China Nvidia Corporation Computerkonferenz in Hangzhou
Messestand des KI-Chip-Konzerns Nvidia auf einer Computerkonferenz in Hangzhou im Oktober 2021Bild: Long Wei/Costfoto/picture alliance

Die chinesischen Konzerne hätten demnach zudem Grafikprozessoren im Wert von vier Milliarden Dollar gekauft, die bis 2024 ausgeliefert werden sollen. Weder Baidu, ByteDance, Tencent und Alibaba reagierten auf Anfragen der Nachrichtenagentur Reuters für eine Stellungnahme. Nvidia lehnte einen Kommentar ab.

Der durch ChatGPT ausgelöste KI-Boom lässt die Nachfrage nach Chips weltweit kräftig steigen. Nachdem die USA den Export von Hochleistungschips nach China aufgrund von Sicherheitsbedenken eingeschränkt hatten und Nvidia die Ausfuhr seiner beiden Hochleistungschips für künstliche Intelligenz in das Land untersagt wurde, bietet der Chiphersteller nun den A800-Prozessor für China an, der die aktuellen Auflagen der US-Regierung erfüllt.