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Besser sozial als billig

Monika Högen29. Mai 2004

Trotz Sparkurs und Geiz-ist-geil-Mentalität: Viele Deutsche kaufen ihre Produkte schon lange nicht mehr nur allein mit Blick auf den Preis. Soziale Standards und Umweltverträglichkeit stehen hoch im Kurs. Nur eine Mode?

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Bald Vergangenheit? Kinder als billige ArbeitskräfteBild: AP


Spielzeuge, die irgendwo in Hongkong von Arbeiterinnen im unterbezahlten Akkord während eines 18-Stunden-Tages hergestellt werden. Röcke, T-Shirts und Jeans, die aus Fabriken kommen, in denen Gewerkschaften verboten sind. Teppiche aus Indien oder Pakistan, die von Kinderhand geknüpft wurden.

Immer mehr Kampagnen prangern ungerechte Produktionsbedingungen und Ausbeutung weltweit an. Und auch die deutschen Verbraucher machen Druck, weiß Ingeborg Wick vom Institut für Ökonomie und Ökumene SÜDWIND, einer kirchenorientierten Forschungseinrichtung zur Dritten Welt. Kampagnen wie die für "Saubere Kleidung" hätten in den letzten zehn bis 15 Jahren die Missstände bei Zuliefererbetrieben der großen deutschen Bekleidungsunternehmen, aber auch von global agierenden Firmen beklagt. Und hätten darauf hingewiesen, dass die Verantwortung der Unternehmen sei, bei Zuliefererbetrieben auf die Einhaltung von Sozialstandards zu achten.

"Gesellschaftliche Verantwortung"

Karstadt Warenhaus in Düsseldorf
Sozialverträglichkeit beim Lieferanten: Auch bei KarstadtQuelle war das nicht immer so.Bild: AP

Der öffentliche Druck zeigt Wirkung. Immer mehr deutsche Unternehmen kommen an den Themen Nachhaltigkeit und Sozialstandards nicht mehr vorbei. Einige Firmen haben sogar eigene Abteilungen für diesen Bereich gegründet und extra geschultes Personal eingestellt.

Wie zum Beispiel die KarstadtQuelle AG, einer der größten deutschen Einzelhandelskonzerne. Heinz-Dieter Koeppe, Direktor für Umwelt und Gesellschaftspolitik bei KarstadtQuelle, kennt die Motive für das neue Engagement der Wirtschaft: Das Thema Umwelt könne auch zu Kosteneinsparungen führen. Anders als bei den Sozialstandards, da sei das Interesse der Unternehmen eher geprägt von Risikovorsorge, man wolle Imageschäden vermeiden. "Wir haben sicher einiges auf Druck von außen gemacht. Das hätten wir in der Form, oder so schnell, sicher sonst nicht gemacht", sagt Koeppe. Aber die eigene Überzeugung des Unternehmens habe auch eine Rolle gespielt: "Wir haben über 100.000 Mitarbeiter, 70 Prozent weiblich, wir haben jeden Tag zwei Millionen Kundenkontakte. Auch das bringt natürlich letztendlich eine gesellschaftliche Verantwortung."

Gemeinschaftsinitiative

Schon länger gibt es bei Karstadt Produkte mit dem TransFair-Siegel oder auch RUGMARK-Teppiche zu kaufen, die ohne Kinderarbeit hergestellt werden. Jetzt hat sich das Unternehmen mit anderen Mitgliedern der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels, AVE, zu einer Initiative zusammengeschlossen, um Sozialstandards bei den Lieferanten zu sichern. Die Kooperation wird vom deutschen Entwicklungsministeriums unterstützt.

Der Initiative gehören auch andere deutsche Großkonzerne an, wie der Ottoversand, C&A und die Metro Group. Es wurde ein Verhaltenskodex entwickelt, der sich an der Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation ILO orientiert. Angemessene Entlohnung, Gesundheitsschutz und feste Arbeitszeiten sind einige der hier festgelegten Forderungen. 2.500 Produktionsstätten in 15 Ländern sollen durch unabhängige Gutachter überprüft werden.

Transfair Logo
Einheitliches Logo als Erkennungszeichen fair gehandelter Produkte

Markt und Ethik

Ein ehrgeiziges Vorhaben. Sind deutsche Unternehmen damit Vorreiter im Kampf gegen Ausbeutung und ungerechte Arbeitsbedingungen weltweit? Nein, sagt Ingeborg Wick vom SÜDWIND Institut: "Die deutschen Unternehmen haben sich erst Ende der 1990er Jahre dem internationalen Trend angeschlossen und sind heute im Mittelfeld dieser internationalen Kampagne angesiedelt." Unternehmen wie Nike und Reebok hätten bereits in den 1980er Jahren Kampagnen in den USA und Australien gestartet.

Bei den Unternehmen in Deutschland liege das neue ethische Bewusstsein immer noch mit den Gesetzen des Marktes im Widerstreit: "Die Einkaufspraktiken im globalen Wettbewerb sehen heute so aus, dass die Lieferanten, die meist in der Dritten Welt angesiedelt sind, in immer kürzeren Zeiten liefern und produzieren müssen", erklärt Ingeborg Wick. Schuld seien häufige Designwechsel, durch die hohe Anforderungen an Schnelligkeit und bestimmte Vorgaben bei der Preisgestaltung gebunden seien. Bei der Produktbeschaffung für Unternehmen wie C&A oder Metro sei der globale Wettkampf so hart geworden, dass sich die soziale Abwärtsspirale immer weiter drehe.