Berlinale: Wer bekam die Bären?
18. Februar 2006Goldener Bär für den besten Film:
"Grbavica" (Bosnien-Herzegowina / Österreich / Kroatien / Deutschland) von Jasmila Zbanic
Das bosnische Antikriegs-Drama "Grbavica" ist ein überzeugendes Plädoyer für die Aufarbeitung der Traumata des Balkankrieges. Das Drama, benannt nach einem Ortsteil Sarajevos, erzählt vom Leid der 20.000 in den serbischen Gefangenenlagern vergewaltigten Frauen. Die Regisseurin hat dieses Tabuthema bereits mehrfach in Dokumentarfilmen behandelt.
Silberner Bär/Großer Preis der Jury zu gleichen Teilen an:
"En Soap" (Dänemark/Schweden) von Pernille Fischer Christensen und "Offside" (Iran) von Jafar Panahi
Fischer Christensen erzählt in "En Soap" das tragikomische Verhältnis zwischen der Besitzerin einer Schönheitsklinik und eines Transsexuellen. Warum der Film nicht nur den Preis für den besten Debütfilm, sondern auch noch einen Silberbären kassieren konnte, wird das Geheimnis der Jury bleiben.
"Offside" ist eine politische Fußballkomödie. "En Soap" eine melancholische Komödie. Pernille Fischer Christensen gewann damit auch den Preis für den besten Erstlingsfilm.
Silberner Bär für den besten Regisseur:
Michael Winterbottom ("The Road to Guantanamo") Großbritannien
Der semidokumentarische Film zeigt die Wege dreier Moslems aus Großbritannien, die ohne Anklage zwei Jahre in dem US Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba eingesperrt waren. "The Road to Guantanamo" war der politisch brisanteste Beitrag der Berlinale, der seinen folgenreichen Weg um die Welt machen wird.
Silberner Bär für die beste Darstellerin:
Sandra Hüller in "Requiem" (Deutschland)
Die 27-jährige Kinodebütantin Sandra Hüller spielt die Hauptrolle in dem einfühlsamen Film über eine Teufelsaustreibung im Süddeutschland der 1970er Jahre. Die Tragödie galt vielen als künstlerischer Höhepunkt der diesjährigen Berlinale, der mit dem Preis für die beste Darstellerin nicht ausreichend gewürdigt wurde. Warum der Film weder den Goldenen Bären noch den Großen Preis der Jury gewinnen konnte, ist enttäuschend und unverständlich.
Silberner Bär für den besten Darsteller:
Moritz Bleibtreu in "Elementarteilchen" (Deutschland)
Bleibtreus Überraschung bei der Preisvergabe war nicht gespielt - der begabte junge Deutsche wusste selbst, dass er schon in besseren Filmen mitgewirkt hatte als der etwas fragwürdigen Literaturverfilmung von Oskar Roehler.
Silberner Bär für die beste künstlerische Leistung:
Jürgen Vogel (Deutschland) in "Der freie Wille" (Deutschland)
"Der freie Wille" erzählt fast drei Stunden lang die Geschichte eines Triebtäters und Mehrfachvergewaltigers: Unaufgeräumte Wohnungen, Neonbeleuchtung, kaum einer wenigen Sätze wird zu Ende gesprochen. Über die Ursachen, die Mechanik und Funktion sexueller Gewalt erfährt man nichts, auch nicht über die Psyche des Täters. Jürgen Vogel bekam den "Silbernen Bären" für seine Gesamtleistung als Hauptdarsteller, Produzent und Co-Autor.
Der Preis hätte aber der deutschen Produktion "Sehnsucht" von Valeska Grisebach oder auch Robert Altmans vergnüglichem "A Prairie Home Companion" weit besser zugestanden. Beide Filme dokumentieren herausragende Teamleistungen. Aber die Jury unter dem Vorsitz der britischen Schauspielerin Charlotte Rampling entschied auch hier anders.
Silberner Bär für die beste Filmmusik:
Peter Kam für "Isabella" (China/Hongkong)
Alfred-Bauer-Preis für innovativen Film:
"El Custodio" (Argentinien / Frankreich / Deutschland) von Rodrigo Moreno
Der Film beobachtet den tristen Alltag eines Leibwächters. "El Custodio", deutsch "Der Schatten", folgt einem so genannten Minister für Planung auf Schritt und Tritt - ein einsames, mit toter Zeit angefülltes Leben. Für die langen Gänge und Autofahrten, die zuschlagenden Türen und Gesprächsfragmente, die den Film strukturieren, musste der Zuschauer allerdings einige Geduld mitbringen.
Bester Erstlingsfilm (mit 25.000 Euro dotiert):
"En Soap" (Dänemark/Schweden) von Pernille Fischer Christensen
Berlinale-Chef Dieter Kosslick hatte bereits am Morgen den ersten "Bären" verliehen: Sein kleiner Sohn, für den er während des Festivals nicht viel Zeit hatte, bekam einen Teddy zum Trost. Auch während des Festivals hatte Kosslick ein Herz für Kinder. Erstmals gab es für Fachbesucher einen Service für die Betreuung der Kleinen, damit die arbeitenden Eltern in Ruhe ins Kino gehen konnten. (arn)