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Politik

Belit Onay, Hannovers grüner Hoffnungsträger

Uta Steinwehr
11. November 2019

Belit Onay wird gefeiert - als erster Oberbürgermeister mit Migrationsgeschichte in einer Landeshauptstadt. Wer ist der Mann, der nach 70 Jahren Vorherrschaft der SPD in Hannover die Stadt für sich gewinnen konnte?

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Stichwahl Hannoveraner Oberbürgermeister
Wahlparty für Belit Onay (Mitte), an der Seite seiner Frau DeryaBild: picture-alliance/dpa/H. C. Dittrich

Smart, cool, souverän - das sind Worte, mit denen Belit Onay charakterisiert wird. Der Grüne wirkt anders als manch anderer Politiker. Im Wahlkampf tritt er ohne Krawatte auf, zeigt sich auch leger in T-Shirt, Jeans und Turnschuhen. Auf einem Wahlkampfplakat steht der 38-Jährige in Sportklamotten auf einem Basketballplatz. Interviews führt er auch mal mit Mütze auf dem Kopf.

Das mediale Bild verspricht: Das ist ein ganz normaler Mensch, der frischen Wind in Hannovers Politik bringt.

Dabei ist Onay längst kein politischer Neuling mehr. Nach seinem Jura-Studium arbeitete er fünf Jahre lang für die grüne Landtagsabgeordnete Filiz Polat und war parallel als Stadtrat für Hannover aktiv. Seit 2013 ist Onay selbst gewähltes Mitglied des niedersächsischen Landtags für die Partei.

Profiteur des Skandals?

Onay dürfte viel Neues für die Landeshauptstadt bringen. Nie zuvor war dort ein Grüner im höchsten Amt, nie zuvor ein Mensch mit einer Migrationsbiografie. Seit 1946 wurde Hannover von Oberbürgermeistern aus der SPD geführt. Dieses Mal schaffte es der Kandidat der Sozialdemokraten nicht einmal in die Stichwahl. Der Absturz dürfte auch mit dem ruhmlosen Abgang von Onays Amtsvorgänger zu tun haben. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen Stefan Schostok (SPD) Anklage wegen Untreue erhoben. Der Stadtrat versetzte ihn daraufhin in den Ruhestand.

Demonstration Fridays for Future Demo in Hannover Belit Onay
Onay setzt sich für typisch grüne Themen ein, hier bei einer Demo für Klimaschutz von der Bewegung "Fridays for Future"Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Schon den ersten Wahlgang gewann Onay für sich, wenn auch nur hauchdünn mit 50 Stimmen Vorsprung vor seinem Konkurrenten von der CDU, Eckhard Scholz. In der Stichwahl war die Differenz größer, wenngleich der Sieg mit knapp 53 Prozent doch weniger deutlich ausfiel als erhofft. Nun wird er der vierte grüne Oberbürgermeister in einer deutschen Großstadt.

Onay wurde 1981 im niedersächsischen Goslar geboren. Seine Eltern waren aus der türkischen Metropole Istanbul nach Deutschland gekommen. Der Vater arbeitete in der Gastronomie und führte schließlich selbst ein Restaurant. Der Tageszeitung "taz" zufolge bezeichnet sich Onay als "liberaler Muslim".

Einer von vielen

Seine türkischen Wurzeln spielten im Wahlkampf zwar eine Rolle, aber keine übergeordnete. "Selbstverständlich wurde im Wahlkampf über meine türkische Herkunft gesprochen", sagte Belit Onay vor der Stichwahl im Interview mit der Türkisch-Redaktion der Deutschen Welle. "Menschen fragten mich, wo meine Familie herkommt. Aber das waren keine Fragen mit böser Absicht. Mein Migrationshintergrund wird hier als eine Bereicherung angesehen."

Seinen familiären Hintergrund will er auch selbst nicht in den Vordergrund stellen. "Vielfalt ist der Normalfall in dieser Stadt", sagte er. Trotzdem betont Onay auf seiner Webseite auch: "Mir wurde bewusst, wie wichtig es ist, dass (…) Menschen mit Migrationshintergrund (…) den Alltag in der Stadt, in der sie leben, mitgestalten." Knapp ein Drittel der Bevölkerung in Hannover hat inzwischen ausländische Wurzeln, bei Menschen unter 18 ist es jeder Zweite.

OB-Wahl in Hannover
Hier ist das Büro des Oberbürgermeisters, im Neuen Rathaus in HannoverBild: picture-alliance/dpa/S. Schuldt

Das politische Bewusstsein erwachte bei Onay durch den rechtsextrem motivierten Brandanschlag 1993 in Solingen. "Der rassistische Brandanschlag von Solingen, bei dem fünf Türkinnen starben, hat mein Leben verändert. Ich war zwölf Jahre alt und der Vorfall hat mich sehr bewegt," erzählte er der DW.

Politik des Miteinanders

Noch am Wahlabend stellte der Grünen-Politiker klar, er wolle ein Oberbürgermeister "für alle Menschen" sein, egal, wen sie gewählt hatten. In der nächsten Zeit sei es entscheidend, "mit dem Verwaltungsteam ein wirkliches Team zu bilden", sagte der designierte Oberbürgermeister dem Norddeutschen Rundfunk. Dieses brauche er, um seine Pläne für die Stadt verwirklichen zu können.

Sein wichtigstes Projekt ist ein neues Mobilitätskonzept für Hannover: eine nahezu autofreie Innenstadt bis 2030, mehr Platz für Fahrradfahrer, ein attraktiverer öffentlicher Nahverkehr. Doch er will auch bezahlbaren Wohnraum schaffen und die Kultur fördern. Seine Vision ist die einer Stadt der Vielfalt, in der unterschiedliche Lebensentwürfe Platz haben.

Onay spricht klassische Themen der Grünen an. Dass Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Partei, nicht nur im Wahlkampf, sondern auch zur Wahlparty nach Hannover kam, ist sicher ein Zeichen der Wertschätzung. Aber auch der Hoffnung, dass von Onays Strahlkraft im neuen Amt die gesamte Partei profitiert.

Unter Mitarbeit von Tuncay Yıldırım und Aydin Üstünel.