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Politik

Belgiens Regierung in der Krise

Catherine Martens
11. Januar 2018

Der Migrationsminister soll schutzbedürftige Sudanesen dem dortigen Regime ausgeliefert haben. Die Opposition drängt auf seinen Rücktritt. Nun droht die Regierungkoalition über den Skandal zu stolpern.

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Brüssel Inoffizielles Zeltlager für Flüchtlinge im Parc Maximilien
Bild: Reuters/Y. Herman


Selten kann der Auslöser einer Regierungskrise so präzise verortet werden wie derzeit in Belgien. Ort des Geschehens ist der Parc Maximilien in Brüssel. Seit 2015 stranden dort Immigranten. Ein paar Hundert sind es eigentlich immer, die dort auf Papiere warten oder einen Zwischenstopp einlegen auf ihrem Weg Richtung Großbritannien. Der Parc Maximilien ist für viele Belgier Sinnbild für das Scheitern des belgischen Staates in der Flüchtlingskrise. Und die Debatte darum könnte sich zu einer handfesten Regierungskrise auswachsen und sogar Charles Michel den Job als Premierminister kosten.

Nun muss sich die rechtsliberale Regierung unter Premier Michel den Vorwurf gefallen lassen, sie habe in Belgien Schutz suchende Sudanesen an das Regime von Präsident Omar Hassan al-Baschir ausgeliefert, sie dort Verfolgung und Folter ausgesetzt und dies zumindest billigend in Kauf genommen.
Unfassbar, so die Reaktion der Opposition. Zumal Michels rechts-nationaler Koalitionspartner N-VA bereits im Herbst vergangenen Jahres zu diesem Thema eigens eine sudanesische Delegation nach Brüssel hat einfliegen lassen. Diese erstellte auf Anfrage der belgischen Regierung eine handverlesene Liste. Von dieser 43 Sudanesen umfassenden Aufstellung flog Belgien auf Wunsch des Baschir-Regimes neun zurück Richtung Khartum. Solch eine veritable "Kollaboration mit einer Diktatur" könne unmöglich geduldet werden, sagt Julie Fernandez-Fernandez von den Sozialisten.

Belgien riskiert Ansehensverlust

Dass Belgien sich ausgerechnet seit Herbst um einen ständigen Sitz bei den Vereinten Nationen bewirbt, mache das Treiben der Regierung nur noch unwürdiger und schade Belgiens Ansehen auf internationaler Bühne, so  Alexis Deswaef von der Liga der Menschenrechte (LDH).

Im Mittelpunkt der Kritik steht der N-VA-Staatssekretär für Asyl und Migration Theo Francken. Ihm ginge es allein darum, effizient Flüchtlinge loszuwerden. Dies zum Preis von Menschenrechtsverletzungen, sagt die Sozialistin Fernandez-Fernandez. Er habe, ohne jede Transparenz einen "schmutzigen Deal" mit dem Sudan und dessen Präsidenten abgeschlosen, gegen den seit 2009 ein internationaler Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliegt.

Wurden Deportierte gefoltert?

Scharfe Kritik an dieser Politik übt auch der Nahost-Experte Koert Debeuf vom Think-Tanks Tahrir Institute for Middle East Policy: "Dass Belgien Baschirs Leute hofiert und sogar einlädt ist unsäglich." Debeuf hatte mit seiner Recherche die Regierungspraxis überhaupt erst ans Licht gebracht. Der Skandal, so Debeuf, sei, dass Belgien sich eine sudanesische Delegation einlade, ohne zu prüfen, mit wem genau man es zu tun habe. Laut seinen Quellen handelt es sich dabei um Mitarbeiter des sudanesischen Geheimdienstes.
Agenten, vor denen die Flüchtlinge aus ihrer Heimat fliehen, hätten auf belgischem Boden Kreuzchen machen dürfen, wer deportiert werden solle - sozusagen mit dem Segen der belgischen Regierung. Aus seinen Notizen von Gesprächen mit einigen der unfreiwilligen Rückkehrer, die der DW vorliegen, lässt sich schließen, dass mindestens drei der zurückgeführten Personen körperlich schwer misshandelt wurden. Debeuf will Folter nicht ausschließen.

Rechtsnationale Flamen wollen von Kritik am Vorgehen nichts wissen

Die Regierung scheint den seit Wochen andauernden Skandal aussitzen zu wollen. Eine eilig einberufene, unabhängige Untersuchungskommission solle erst einmal ihr Ergebnis vorlegen, bis dahin gebe es keinen Grund sich zu äußern, heißt es auf Anfrage der DW knapp aus dem Ministerium für Asyl und Migration.

Premier Michel untersagte zwar bis auf weiteres jedwede Rückführung. Der Forderung der Opposition, den verantwortlichen Minister zum Rücktritt aufzufordern, kann er jedoch nicht nachkommen, ohne seine Regierung in Gefahr zu bringen. Denn für diesen Fall  droht der rechtsnationale Partner N-VA, die Koalition aufzukündigen.

Brüssel Inoffizielles Zeltlager für Flüchtlinge im Parc Maximilien
Zwischenstopp auf dem Weg nach Großbritannien: Zeltlager im Parc Maximilien in Brüssel. Bild: Reuters/Y. Herman
Sudan Omar Hassan Ahmad al-Bashir
Sudans Präsident Omar Hassan Ahmad al-Bashir. Bild: picture-alliance/AA/E. Hamid