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PolitikEuropa

Belarus: Was genau ist "Nexta"?

Beatrice Christofaro
28. Mai 2021

Der Blogger Roman Protassewitsch sitzt in belarussischer Haft, weil er die Telegram-Kanäle von "Nexta" und "Nexta live" betrieben hat. Was sind das für Kanäle - und was treibt ihre Macher an?

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Screenshot Roman Protasevich telegram Video Nexta
Der Blogger Roman Protasewitsch auf "Nexta"Bild: Telegram/@nexta_tv

Roman Protassewitsch gehört schon, seit er 16 ist, der belarussischen Opposition an. Dass er jetzt vom dortigen Regime als so große Gefahr eingeschätzt wurde, dass es sogar ein Flugzeug aus der EU entführte, hängt vor allem mit seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Telegram-Kanäle "Nexta" und "Nexta Live" zusammen. "Nexta" - ausgesprochen "Nächta" - ist weißrussisch und bedeutet "jemand". Zusammengenommen haben die beiden Kanäle auf dem verschlüsselten Messengerdienst Telegram mehrere Millionen Follower. Sie dienten als wichtigste Austauschplattform für Informationen, Fotos und Videos von Protesten der Opposition. Diese waren 2020 aufgebrandet, nachdem Alexander Lukaschenko sich zum Gewinner der Präsidentschaftswahlen im August erklärt hatte. "Den Leuten ist klar geworden, dass die über unsere Kanäle versendeten Inhalte sicher sind", sagte Protassewitsch der DW noch vor der Wahl.

Protassewitsch drohen 15 Jahre Haft

Zunächst betrieb Protassewitsch die Plattformen von Polen aus, seit September konzentrierte er sich dann von Litauen aus auf andere Aktivitäten – darunter die Arbeit für einen weiteren oppositionellen Telegram-Kanal. In Belarus laufen mehrere Verfahren gegen ihn. Insgesamt drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft. Der KGB hat ihn auf seine Terrorliste gesetzt.

Belarus Minsk Opposition Protest Polizei
Proteste in der belarussischen Hauptstadt Minsk, August 2020Bild: Vasily Fedosenko/REUTERS

Jetzt, nach seiner Festnahme, sendete das belarussische Staatsfernsehen ein Video, in dem Protassewitsch dunkle Flecken auf der Stirn besitzt. Ansonsten ist im Video die Rede davon, dass er in gutem Gesundheitszustand sei. Die Opposition und seine Familie sind sich dagegen sicher, dass das Video nur unter großem Druck zustande gekommen ist, denn dort sagte er: "Ich werde mit den Ermittlern zusammenarbeiten und gestehe, Massenunruhen in Minsk organisiert zu haben".  

Über "Nexta" Proteste koordiniert

Der Gründer von Nexta, Stepan Putilo, hatte das Projekt ursprünglich als YouTube-Kanal gestartet. Erst 2018 wechselte er zu Telegram. Als im August 2020 die Proteste gegen Lukaschenko losgingen, explodierte die Abonnentenzahl des Kanals förmlich. Putilo ist sich sicher, dass die Nexta-Kanäle dazu beigetragen haben, den friedlichen Protest zu koordinieren. "Die Infos, wer wann wo hingehen soll, kamen aber von den Demonstranten selbst", so Putilo im Dezember zur DW. "Wir haben die Informationen lediglich geprüft".

Kritiker bemängeln, dass Nexta Informationen von Usern nicht genügend verifiziere. Am Anfang der Proteste verbreitete Nexta etwa Informationen, dass ein Demonstrant nach einem brutalen Polizeieinsatz gestorben sei - später stellte sich heraus, dass er den Einsatz überlebt hatte.

"Nexta" will Polizeigewalt dokumentieren

Die Kanäle taten sich besonders damit hervor, das Durchgreifen der Polizei zu dokumentieren - denn in den staatlichen belarussischen Medien wurde darüber praktisch nicht berichtet. Ein weiterer Aspekt, der zum Erfolg beitrug, ist die Tatsache, dass Telegram verschlüsselt wird und so nicht zensiert werden kann. Auch die immer wieder auftretenden Einschränkungen der Internetverfügbarkeit konnten der Funktionalität der App nichts anhaben.

Stepan Svetlov alias Stepan Putilo I Gründer von NEXTA
Stepan Putilo hat "Nexta" 2018 gegründetBild: Wojtek Radwanski/AFP/Getty Images

"Was alle, die an dem Kanal mitarbeiten, eint", so Putilo, "ist das gemeinsame Ziel, Belarus in ein freies, demokratisches, normales Land zu verwandeln". Das machte Putilo und Protassewitsch schnell zu Feinden des autoritären Regimes. "Für die Machthaber wird jeder, der gegen sie ist und die Wahrheit aufzeigt, sofort zum Feind, zum Extremisten und Kriminellen", so Putilo, der in Polen lebt und gegen den in Belarus ebenfalls mehrere Verfahren laufen. "Damit zeigt das Regime nicht seine Stärke, sondern seine Schwäche. Denn damit beweist es, dass junge Leute, die gerade mal Anfang 20 sind, eine 26 Jahre währende Diktatur gefährden können".

Aus dem Englischen adaptiert von Friedel Taube.