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Belarus: Erneut Dutzende Oppositionelle in Haft

27. März 2008

Etwa 100 Personen wurden bei der Kundgebung der Opposition anlässlich des 90. Jahrestags der Gründung der Belarussischen Volksrepublik am 25. März festgenommen. Politiker sehen darin auch eine Botschaft an den Westen.

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Gewalt gegen Demonstraten in Minsk (25.3.2008)Bild: AP

Die festgenommenen Aktivisten der demokratischen Kräfte sowie die Passanten, die sich am Ort des Geschehens vom 25. März befanden, wurden in Spezialfahrzeugen in Gerichte der Stadt Minsk gebracht. Keiner der Festgenommenen, deren Angelegenheit von der Justiz geprüft wurde, wurde freigesprochen. Sie erhielten alle die üblichen Strafen – drei bis 15 Tage Haft oder eine für belarussische Verhältnisse hohe Geldstrafe von umgerechnet 200 Euro. Am 26. März standen auch die 12 Aktivisten vor Gericht, die am 25. März in der belarussischen Stadt Baranowitschi eine Aktion wie in Minsk durchgeführt hatten. Sie alle erhielten Geldstrafen von umgerechnet 70 bis 150 Euro.

Verfolgung von Journalisten

Zu 15 Tagen Haft wurde auch der Korrespondent der nicht-staatlichen Zeitung "Nascha niwa", das Mitglied des Belarussischen Journalistenverbandes, Semen Petschenko, verurteilt. Er wurde zusammen mit seinem Kollegen Andrej Ljankewitsch festgenommen, obwohl beide ihren Presseausweis vorgezeigt hatten. Wie die stellvertretende Vorsitzende des Belarussischen Journalistenverbandes, Tatiana Melnitschuk, sagte, seien seit den Präsidentschaftswahlen 2006 in Belarus keine Journalisten mehr festgenommen und verurteilt worden.

Der Jurist des Menschenrechtszentrums "Wesna", Wladimmir Labkowitsch, sagte zu den Gerichtsurteilen, die Staatsmacht handle selektiv, sie bestrafe und spreche Fantasie-Urteile. Es sei schwierig zu sagen, welche Strafe schwerwiegender sei – 15 Tage Haft oder eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 1.000 Dollar. "Man weiß nicht, was in Wirklichkeit schlimmer sei: die Belastung des Etats einer Familie durch die Geldstrafe oder die weitere Laufbahn dieser jungen Menschen nach einer Haftstrafe, sagte Labkowitsch.

Staatsmacht zeigt Stärke

Viele der Angeklagten, aber auch Personen, die einfach nur Zeugen der Zusammenstöße wurden, sind immer noch nicht ansprechbar. Pawel Juchnewitsch, Aktivist der Jugendbewegung "Jeans für Freiheit" und Teilnehmer der Ereignisse vom 25. März, sagte der Deutschen Welle: "Die Menschen wurden erdrückt und geprügelt." Hautverletzungen seien noch das Geringste gewesen. Juchnewitsch zufolge haben einige der Festgenommenen gebrochene Rippen. "In eine der Polizeidienststelle wurde der Notarzt bestellt, aber der wollte die Verletzten aus irgendwelchen Gründen nicht ins Krankenhaus einliefern", berichtete der Aktivist der Jugendbewegung.

Viele stellen sich nun die Frage, warum die Rechtsschutzorgane und die Justiz in Belarus nach einer Phase relativer Ruhe nun wieder mit voller Kraft loslegen und Regimegegner Repressalien unterziehen. Nach Meinung des Vorsitzenden der "Vereinigten Bürgerpartei", Anatolij Lebedko, gibt es dafür verschiedene Gründe: "Einerseits befürchtet Lukaschenko, dass man ihn als schwachen Politiker betrachtet, der die Kontrolle über die Lage im Land verliert. Und natürlich hat er vor jeder quantitativen Vergrößerung der Anzahl von Menschen Angst, die öffentlich protestieren."

Botschaft an den Westen

Lebedko meint, das Vorgehen der Staatsmacht sei auch eine Botschaft an die westliche Staatengemeinschaft: "Lukaschenko macht die Lage im Lande, seine Beziehungen zu seinen Gegnern, zu einem Teil des gesamten Spiels mit der internationalen Gesellschaft". Seine Probleme mit Washington und die zu erwartenden Komplikationen mit Brüssel wolle er damit kompensieren, dass er im Lande selbst die Muskeln spielen lasse, sagte der Vorsitzende der oppositionellen "Vereinigten Bürgerpartei".

Der Vorsitzende der "Belarussischen Volkfront", Ljawon Borschtschewskij, ist davon überzeugt, dass das Vorgehen der Staatsmacht vom 25. März und die strengen Urteile gegen die Teilnehmer der Protestaktion die Position des offiziellen Minsk im Dialog mit Europa wesentlich erschweren werden. Nach seiner Meinung sind dies Rückschritte im Dialog. Um die vorigen Positionen wieder zu erreichen, werde die Staatsmacht große Anstrengungen unternehmen müssen.

Gennadij Konstantinow