Behörden fragen immer häufiger Kontodaten ab
29. Juli 2018Zahlen, die das "Handelsblatt" vorgelegt hat, zeigen das Ausmaß: So haben Justizbehörden in diesem Jahr bei der Verfolgung von Steuerbetrug, Sozialmissbrauch und säumigen Privatschuldnern so häufig Daten von Bankkunden abgefragt wie nie zuvor. Beim zuständigen Bundeszentralamt für Steuern seien im ersten Halbjahr 391.442 Kontenabfragen von Steuerbehörden, Sozialämtern und Gerichtsvollziehern eingegangen, berichtete die Finanz- und Wirtschaftszeitung unter Berufung auf das Bundesfinanzministerium. Das seien 38 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Seit 2005 dürfen Finanzämter und Sozialbehörden Konten von Bürgern ermitteln - seit 2013 auch Gerichtsvollzieher. Seit November 2016 dürften Gerichtsvollzieher auch für Beträge unter 500 Euro einen Kontoabruf beantragen, schreibt das "Handelsblatt". Die Idee dahinter: Der Staat will dabei helfen, Schuldner, die eine Mittellosigkeit vortäuschen, ausfindig zu machen. Das Instrument ist vor allem bei Gerichtsvollziehern sehr beliebt geworden, was sich an den Zahlen ablesen lässt: 75 Prozent der 391.000 Abfragen im ersten Halbjahr 2018 entfielen darauf.
Bundesdatenschutzbeauftragte sieht die Entwicklung kritisch
Die Stellen erhalten allerdings nur Informationen zur Existenz des Kontos sowie einer möglichen Löschung, zudem den Namen und das Geburtsdatum des Bürgers. Kontostände oder Kontobewegungen werden ihnen nicht mitgeteilt. Aufgrund der größeren Zugriffsrechte für Behörden ist die Zahl der Abfragen seit 2010 stark gestiegen, von damals 56.669 auf 692.166 im Jahr 2017.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff sieht die Entwicklung kritisch. Mit der stetig steigenden Zahl an Abrufen auch das Risiko für fehlerhafte Datenübermittlungen oder Personenverwechslungen", sagte die CDU-Politikerin. Für Betroffene könne das im Einzelfall äußerst unangenehme Folgen wie Kontensperrungen nach sich ziehen. "Der Gesetzgeber sollte daher prüfen, ob weit gestreute Abrufbefugnisse wie beim Kontenabrufverfahren wirklich zwingend erforderlich sind." Auch FDP-Bundestagsfraktionsvize Christian Dürr übt Kritik: "Eine Tendenz zum gläsernen Bürger ist nicht von der Hand zu weisen."
Steuergewerkschaftschef Thomas Eigenthaler verteidigt den häufigen Gebrauch der Abfragen dagegen: "Steuern zahlen ist nicht nur etwas für Ehrliche und Dumme", sagte er dem "Handelsblatt".
nob/jj (dpa, Handelsblatt)