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Politik

Beamtenskandal in Tansania

Gwendolin Hilse
17. Mai 2017

Die Frist ist abgelaufen: Tansanias Präsident Magufuli will 10.000 Beamte entlassen. Sie sollen bei ihrer Bewerbung gefälschte Zeugnisse vorgelegt haben. Nicht jedem geht dieser Schritt weit genug.

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Tansania Präsident John Magufuli
John Magafuli sieht sich als Mann der Taten - Hier beim Müllsammeln in DaressalamBild: Getty Images/AFP/D. Hayduk

Afrika schaut gespannt auf Tansania: fast 10.000 Beamte waren aufgefordert, bis zum 15. Mai ihre Arbeitsplätze zu räumen. Den Widerspenstigen drohen bis zu sieben Jahre Haft. Die Aufräumaktion im öffentlichen Dienst ist eine weitere Maßnahme von Staatspräsident John Magufuli, dem sein Volk den Spitznamen "Bulldozer" verpasst hat.

Auf Anordnung Magufulis hatte eine unabhängige Prüfstelle die Abschlusszeugnisse von rund 435.000 Mitarbeitern im öffentlichen Dienst geprüft. Fast 10.000 Beamten konnte sie nachweisen, dass sie bei ihrer Bewerbung gefälschte Dokumente vorgelegt hatten. Gegen weitere 3.000 Staatsdiener wird noch ermittelt, sie sind bis auf weiteres vom Dienst suspendiert. Einige Beamten hätten die Abschlusszeugnisse von Familienangehörigen benutzt oder die Dokumente gefälscht - andere hingegen tauchten nicht einmal in amtlichen Unterlagen auf.

"Während wir hart daran arbeiten, neue Arbeitsplätze zu schaffen, sitzen in der Regierung Menschen mit falschen Abschlüssen", sagte Präsident Magufuli in einer Fernsehansprache. "Diese Menschen besetzen Positionen, ohne die nötigen Qualifikationen zu haben. Sie beklauen uns und benehmen sich damit nicht besser als gewöhnliche Kriminelle." Bis Juni will die Regierung 15.000 Stellen mit neuem Personal besetzen.

Magufuli Cabinet Minister Magufuli ernennt Minister Karikatur Said Michael
"Ihr seid meine Minister! Feiern verboten, hier wird gearbeitet", sagt Magufuli aus dem Fernseher seinem Kabinett. "Meine Güte! Wie können wir mit ihm bloß mithalten?", fragen sich die Minister.Bild: Said Michael

Zustimmung für radikalen Kurs

 Magufuli zog seine Konsequenzen und griff hart gegen die betrügerischen Beamten durch. Die Regierung behielt ihre Löhne ein und kündigte Strafverfolgungen an. Außerdem stellte er sie öffentlich an den Pranger: Magafuli forderte die Medien auf, die Namen der Beschuldigten zu veröffentlichen.

Mit seinem radikalen Kurs findet Magufuli viel Zustimmung. "Wir können nicht in einer Nation leben, in der man sich einfach seine Abschlüsse kauft", sagt Richard Shaba, Programmkoordinator der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung in Tansania. "Man stelle sich vor, ein Doktor, Anwalt oder ein Pilot würde einfach so mit einem gekauften Zertifikat praktizieren. Das wäre eine ziemlich gefährliche Angelegenheit." Auch Tansanias früherer Staatschef Benjamin Mkapa unterstützt Magufuli. "Ich weiß nicht, warum ich zu meiner Zeit nicht auf die Idee gekommen bin, solche Ermittlungen anzustellen. Die Entlassung dieser Beamten war mehr als überfällig", so Mkapa im DW-Gespräch.

Macher oder Entwicklungsdiktator?

Nachdem Magufuli im Oktober 2015 zum Präsidenten gewählt wurde, kündigte er der grassierende Korruption den Kampf an. Außerdem kündigte er an, den öffentlichen Dienst effizienter machen zu wollen. Kurz nach seinem Amtsantritt ließ er im Zuge einer "Disziplinierungskampagne" sechs Beamten für mehrere Stunden in Gewahrsam nehmen, weil sie mit dreistündiger Verspätung zu einer Sitzung erschienen waren.

In seinen populistischen Reden gibt sich John Magufuli als "Mann des Volkes". Bei vielen kommt das gut an. Doch Kritiker werfen ihm Impulsivität und einen autoritären Führungsstil vor. Seit seinem Amtsantritt hat Magafuli mehrere Radiostationen geschlossen und Dutzende für kritische Kommentare auf sozialen Webseiten strafrechtlich verfolgt. Im Januar beschuldigte er zwei tansanische Zeitungen, mit ihren Berichten "die nationale Sicherheit zu gefährden" und gegen ihn "aufzuhetzen".

Tansania Polizei attackiert einen Journalisten in Dar es Salaam
Seit Mugafulis Vereidigung werden immer wieder Journalisten festgenommen - und ohne Prozess fesgehaltenBild: Article19-East Africa

 "Magufuli toleriert keinerlei Kritik an sich selbst, oder seinem politischem Programm", kommentiert die Organisation Reporter ohne Grenzen.  In ihrem aktuellen Bericht zur weltweiten Pressefreiheit liegt Tansania auf Platz 83 von 180 Ländern. Das ist 12 Plätze schlechter als im Vorjahr.

Keine Chance für Vetternwirtschaft

Die Entlassungswelle im öffentlichen Dienst begann im März 2016. Die Regierung hatte mehr als 19.700 "Phantom-Arbeiter" auf ihren Gehaltslisten entdeckt. Bis dahin hatte Tansania jährlich Gehälter in Höhe von etwa 107 Millionen US-Dollar an Arbeiter gezahlt, die gar nicht existierten. "Das Ganze ist das Produkt eines maroden und korrupten Systems, in dem Beamte ohne sorgfältige Auswahlverfahren eingestellt werden", moniert Benson Bana, Politikprofessor an der Universität Daressalam.

Er glaubt, dass die bisherigen Ermittlungserfolge erst die Spitze des Eisbergs sind. "Die Zahl könnte noch massiv ansteigen", glaubt Bana. Zudem dürfe die Regierung jetzt nicht mit zweierlei Maß messen. "Das Gesetz muss auf alle gewählten und ernannten Regierungsangestellte angewandt werden - auf Politiker aller Ebenen."

Nur die 'Spitze des Eisbergs'?

Denn die bisherigen Untersuchungen schlossen Provinz- und Bezirksgouverneure, Abgeordnete, Minister und Berater aus. Die Regierung versichert, dass die Überprüfungen weitergehen werden.

Kritiker haben zum Beispiel Paul Makonda im Blick, Provinzgouverneur von Tansanias größter Stadt Daressalam. "Schon lange besteht der Verdacht, dass Makonda ein Abiturzeugnis benutzt hat, das nicht seines ist und dass er in Wirklichkeit nicht Paul Makonda ist, sondern Dawdi Bashite heißt", sagt Tundu Lissu, Präsident des tansanischen Anwaltsverbands im DW-Interview. Der Verband werde Anzeige gegen ihn erstatten.

Tanzania Paul Makonda
Kritiker werfen Paul Makonda vor, sich mit dem Zeugnis eines Verwandten beworben zu haben Bild: E. Boniphace

Die Regierung müsse den korrupten und aufgeblähten Verwaltungsapparat nicht nur weiter entschlacken, sondern zukünftig auch ein Auge auf die Effizienz seiner Mitarbeiter werfen, sagt der Politikprofessor Bana Benson. "Es muss unbedingt ein angemessenes Performance-Managementsystem für den öffentlichen Sektor eingeführt werden", so Benson. Außerdem sei ein kontinuierliches Training von Beamten nötig, um eine funktionierende Regierung gewährleisten zu können.