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Eine Stadt tanzt

23. April 2009

In der Tanzschule und unter freiem Himmel: Barcelona ist im Swing-Fieber. Das Tanzen zu jazzigen Rhythmen macht gute Laune und bringt den Kreislauf in Schwung.

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Menschen tanzen auf einem Platz vor einer Kirche in Jeans und T-Shirts (Foto: Julia Macher)
Die Plaça de la Virreina im Stadtviertel Gràcia wird zur TanzflächeBild: DW / Macher

Zwei Dutzend Paare, die meisten Mitte 30, wirbeln zu Jazzklängen übers Pflaster der Plaça de la Virreina in Barcelona. Passanten bleiben stehen, ein paar Kurzentschlossene schieben die Einkaufstaschen unter eine Bank und machen mit.

Tanzen unter freiem Himmel

Blick auf den Eingang zum Parc Güell (Foto: AP)
Die Tänzer machen vor keinem Park HaltBild: AP

Jeden letzten Sonntag im Monat verwandelt sich der Platz im Stadtviertel Gràcia zur Open Air Bühne. Eva hat seit zwei Jahren noch kein Wochenende ausfallen lassen. "Swing macht süchtig. Ich mag die Musik und das Soziale des Tanzes: Man wechselt ständig den Partner und sucht mit jedem neu eine Verbindung", erklärt sie die Faszination. "Es wird viel improvisiert und man kann auch als Frau Figuren einführen. Dadurch ergibt sich jedes Mal ein interessanter Dialog mit dem Partner, man lernt immer dazu." Jeder tanze mit jedem und es sei nicht schlimm, wenn einer nicht besonders gut sei, sagt German und wirbelt seine Tanzpartnerin in die Luft.

Etwa 500 Menschen umfasst der harte Kern der barcelonesischen Swing-Gemeinde. Fast jeden Abend kann irgendwo in der Stadt getanzt werden: unter der Woche in Tanzschulen, am Wochenende in Klubs oder auf Plätzen und in Parks - den vielen Sonnenstunden sei Dank. Noch vor ein paar Jahren konnten allenfalls Fans alter Hollywoodfilme etwas mit Begriffen wie "Jitterbug" anfangen. Ende der 90er-Jahre brachte eine kleine, enthusiastische Gruppe von Jazzliebhabern die Swingbegeisterung aus den USA nach Spanien - und verhalf dem Tanzstil aus den 30ern in kürzester Zeit zu einem Revival.

Spaß ist wichtiger als Perfektion

Im Gegensatz zu anderen Salontänzen brauche man hier kaum theoretische Vorbildung, sagt Martí Segelas vom barcelonesischen Swingverband. "Wenn wir im Park tanzen, reihen sich manchmal alte Paare ein, die sich noch an ein paar Foxtrottschritte erinnern. Das finden wir prima", erzählt er. "Das wichtigste ist, dem Rhythmus zu folgen, der Rest kommt dann schon."

Schwarz-weiß-Fotografie von einem Mann mit Posaune (Foto: dpa)
Der amerikanische Musiker Glenn Miller mit seiner Posaune: Swing ist aus den USA nach Europa gekommenBild: dpa

Swing soll vor allem Spaß machen - und den Tänzern ein breites Lächeln ins Gesicht zaubern. "Ich habe mich einmal mit einem Gospelsänger darüber unterhalten, warum die Musik so fröhlich ist, wo sie doch von den Nachfahren der Sklaven, von Diskriminierten und Marginalisierten stammt. Und er sagte, das sei wie ein Ausruf 'Olé, trotz all dem lebe ich noch.' Das macht den Swing zu einer 'Anti-Krisen-Musik'. Warum boomen in Krisenzeiten Lippenstift oder Friseurbesuche? Weil sie einen die Probleme vergessen lassen. Genau das macht der Swing auch", sagt Segelas.

Anstrengender als Fitness-Kurse

Auf der Placa de la Virreina sagt der Moderator den letzten Tanz an. Um halb drei ist Schluss, das hat die Stadt so festgelegt. Eva hat sich auf einen Caféhaus-Stuhl fallen lassen, um einen Moment zu verschnaufen. "Seit ich tanze, brauche ich kein Fitnessstudio mehr. Früher war ich schwimmen und joggen, das brauche ich jetzt nicht mehr", lacht sie. German nimmt einen großen Schluck aus der Wasserflasche - und schnappt sich Eva für den allerletzten Tanz. Soviel Kraft ist dann doch noch übrig.

Autorin: Julia Macher

Redaktion: Julia Kuckelkorn