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Banken an die Zügel nehmen

27. Januar 2010

Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz unterstützt die Banken-Reformpläne des US-Präsidenten. Die durch Subventionen aufgeblähte Finanzbranche bedrohe die gesamte Wirtschaft, meint der Wirtschaftsprofessor.

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Joseph E. Stiglitz (Foto: AP)
Joseph E. Stiglitz: "Es geht um die Funktionsfähigkeit unserer Wirtschaft".Bild: AP

Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat sich immer wieder zu Wort gemeldet, wenn darüber diskutiert wurde, welche Lehren aus der internationalen Finanzkrise gezogen werden sollen. Im Auftrag der Vereinten Nationen hat der streitbare New Yorker Wirtschaftsprofessor und ehemalige ökonomische Chefberater von Ex-Präsident Bill Clinton seine wichtigsten Forderungen in einer Studie formuliert. Und die decken sich so ziemlich mit denen, die Barack Obama Mitte Januar verkündet hat.

US-Präsident Barack Obama (Foto: AP)
Will die Banken zurechtstutzen: US-Präsident Barack ObamaBild: AP

Denn wenn es nach Joseph Stiglitz geht, dann darf es in Zukunft keine Banken mehr geben, die zu groß sind, um sie pleite gehen zu lassen. Jedes staatliche Rettungspaket sei nicht nur ein falsches Signal an Banker, die mit hochriskanten Geschäften die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds gesteuert hätten. Die milliardenschweren Finanzspritzen für Zombie-Banken seien nichts anderes als Subventionen für einen Wirtschaftssektor, der seit Jahrzehnten mit dem Geld der Steuerzahler immer weiter aufgebläht worden sei, argumentiert Stiglitz: "Wir haben den Bankern Geld gegeben, nachdem sie massive Fehler bei der Kreditvergabe gemacht haben. Wenn man das tut, dann ist das nichts anderes als eine Subvention.“ Seit Jahrzehnten sei die Finanzbranche massiv mit Steuergeldern aus Krisen gerettet worden, immer wieder habe der Steuerzahler für gescheiterte Banker geradestehen müssen. Das Resultat sei ein über die Maßen aufgeblähter Finanzsektor gewesen.

Schrumpfen auf gesundes Maß

Stiglitz erinnert daran, dass vor dem Ausbruch der aktuellen Krise unglaubliche 40 Prozent aller US-Unternehmensgewinne aus dem Finanzsektor stammten. Für Stiglitz ein weiteres Indiz, dass etwas fundamental in die falsche Richtung läuft. Dabei argumentiert der Nobelpreisträger nicht nur als Ökonom: "Die Zahlen sind so aus dem Ruder gelaufen, dass wir den Sinn für unsere Werte verloren haben. In nur einer Nacht haben wir 700 Milliarden US-Dollar an die US-Banken überwiesen.“ Eine Summe, die der Entwicklungshilfe entspreche, die in einem Jahrzehnt von den Industriestaaten an Entwicklungsländer gezahlt werde. "Da fragt man sich: 'Wer ist bedürftiger? Die amerikanischen Banker oder die Entwicklungsländer?“.

Steuer auf internationale Finanzgeschäfte

Archivfoto vom Hauptquartier der Lehman Brothers in New York (Foto: AP)
Ehemalige Lehman-Zentrale in New York: "Die Banken werden hoch subventioniert".Bild: AP

Um in Zukunft zu verhindern, dass sich Großbanken eher mit riskanten Geschäften und dem Entwerfen hoch komplizierter und schwer durchschaubarer Finanzprodukte beschäftigen, statt Geld an Unternehmen zu verleihen, müssten Finanz-Transaktionen künftig besteuert werden. Und das möglichst weltweit, fordert Stiglitz: "Im Umweltbereich haben wir Ökonomen eine Grundregel, die besagt: Wenn Du die Umwelt verschmutzt hast, dann musst Du auch für das Saubermachen zahlen. Die Finanzbranche hat die Weltwirtschaft mit toxischen Anlagen vergiftet, und das muss jetzt wieder in Ordnung gebracht werden.“ Es sei nicht hinzunehmen, dass skrupellose Banker die Milliardenverluste, für die sie verantwortlich seien, auf den Rest der Gesellschaft abwälzten. Ganz gleich, ob es unschuldige Arbeiter in Entwicklungsländern oder die Steuerzahler in den Industriestaaten treffe. Doch für Stiglitz steht dabei nicht die Frage nach den Vermögenswerten im Vordergrund, sondern die nach der Funktionsfähigkeit der Wirtschaft.

Lehren für die Finanzaufsicht

Dass neben den Steuern auf internationale Finanz-Geschäfte auch die Finanzaufsicht in den Industrieländern stark verbessert werden muss, steht für Joseph Stiglitz außer Frage. Dabei könnten Amerikaner und Europäer durchaus von ihren Kollegen in Schwellenländern wie Indien oder Brasilien lernen: "Ich habe vorgeschlagen, dass in diesem Fall Länder wie Brasilien, Indien oder die Türkei den Vereinigten Staaten einmal technische Unterstützung leisten könnten“, gibt der Nobelpreisträger augenzwinkernd zu bedenken. Denn dort war es Banken gesetzlich verboten, im großen Stil in hochriskante US-Immobilienpapiere zu investieren.

Autor: Thomas Kohlmann
Redaktion: Rolf Wenkel