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Bangen um Putin-Kritiker Kara-Mursa

11. Juli 2024

Der prominente inhaftierte Kremlgegner Wladimir Kara-Mursa gilt seit langem als schwer angeschlagen. Er wurde Anfang Juli in ein Haft-Krankenhaus verlegt. Jetzt hatte sein Anwalt Kontakt zu ihm.

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Porträtaufnahme von Wladimir Kara-Mursa
25 Jahre Haft - so lautete im April 2023 das Urteil gegen Wladimir Kara-MursaBild: Anton Novoderezhkin/Tass/picture alliance

Eine Woche ohne Lebenszeichen, eine Woche rätseln, bangen, hoffen: Jetzt weiß die Familie von Wladimir Kara-Mursa wenigstens, dass er lebt, denn einer seiner Anwälte durfte ihn besuchen.

Der russische Oppositionspolitiker, der seit April 2023 im sibirischen Straflager Nummer 6 seine 25-jährige Haftstrafe verbüßt, war seit der vergangenen Woche für seine Anwälte nicht mehr erreichbar. Er sei in ein Gefängniskrankenhaus verlegt worden, hieß es lediglich.

Der Kontakt zur Außenwelt brach ab. Doch der Anwalt sagte nach dem Besuch, dass es ihm weder besser noch schlechter gehe. 

Bisher sei nicht klar, was der wirkliche Grund seiner Verlegung gewesen ist, klagt Kara-Mursas Ehefrau Jewgenija im Gespräch mit der Deutschen Welle. Jewgenija Kara-Mursa lebt mit den drei gemeinsamen Kindern des Paares im US-Exil. 

Das Bild zeigt links Wladimir Kara-Mursa in schwarzer Winterjacke im Gespräch mit Lokalpolitikerin Julia Galjamina, in weißer Winterjacke und rotem Schal. Presseleute sind im Hintergrund
Erinnerungsaktion an Kremlkritiker Boris Nemzow 2021: Kara-Mursa (links) hat immer wieder seine Freiheit aufs Spiel gesetzt für den Kampf gegen die UnterdrückungBild: Sergey Satanovskiy/DW

Abgeschottet von der Außenwelt - in Einzelhaft

Wladimir Kara-Mursa überlebte zwei Vergiftungen, 2015 und 2017, für die er und seine Frau den Kreml verantwortlich machen. Sie erzählt, dass ihr Mann seither unter Polyneuropathie leidet, einer Erkrankung des Nervensystems, das außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegt.

"Ich habe weiterhin Angst um seine Gesundheit", sagt sie. Immerhin werde er von denselben Menschen hinter Gittern gehalten, die auch für seine Vergiftungen verantwortlich seien, so Jewgenija Kara-Mursa. Sie erhebt damit schwere Vorwürfe gegen die russischen Behörden.  

Nach Recherchen von Spiegel, Bellingcat und The Insider wurde Kara-Mursa im direkten Vorfeld seiner zwei Zusammenbrüche 2015 und 2017 von Mitarbeitern des russischen Geheimdienstes verfolgt.

Der Kreml hat nach eigenen Worten keinen Einfluss auf die Lage des inhaftierten russischen Kreml-Kritikers Wladimir Kara-Mursa, so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch vor Journalisten.

Dass Wladimir Kara-Mursa eine Woche lang von der Außenwelt abgeschottet war, sei eine Verletzung aller internationalen Justizstandards, kritisiert Wadim Prochorow im DW-Gespräch. Er ist ein weiterer Anwalt von Kara-Mursa.

Auch für ihn sei die Verlegung in ein Krankenhaus unerwartet gekommen. Wobei das Wort Krankenhaus irreführend sei, so Prochorow, denn es handele sich vielmehr um "das gleiche Gefängnis". Man wisse nicht, was dort wirklich mit den Gefangenen passiere.

Russland: Aus dem Exil gegen Wladimir Putin

Überhaupt sei die Behandlung von Kara-Mursa seit seiner Inhaftierung im April 2023 reine Schikane, weil der Oppositionelle seit September vergangenen Jahres durchgehend in einer Einzelzelle gehalten werde, so Prochorow. Maximal sechs Quadratmeter groß soll die Einzelzelle sein, in der der Politiker vor seinem jetzigen Krankenhausaufenthalt gehalten wurde.

Solche Räume seien für den Anwalt Prochorow reine Folterkammern: "Dort bekommt er zwei Gläser heißes Wasser am Tag, weniger Essen als andere Gefangene. Er darf nur 1,5 Stunden am Tag schreiben. Neben dem Bett stehen ein kleiner Tisch und ein Hocker ohne Lehne - sonst nichts."

Hunderte politische Gefangene

Darin sieht der Anwalt eine "Methode gegenüber allen politischen Gefangenen". Die russische Menschenrechtsorganisation schätzt, dass es in Russland zurzeit knapp 700 Personen als politische Gefangene einsitzen. "Das Leben all dieser Menschen ist in Gefahr," warnt auch Jewgenija Kara-Mursa.

Wladimir Kara-Mursa, der neben der russischen auch die britische Staatbürgerschaft besitzt, wurde bereits 2012 zum Hassobjekt für die russischen Eliten, weil er entscheidend dazu beigetragen hat, dass diese Eliten von den USA bestraft wurden. Damals verabschiedete der US-Kongress unter Kara-Mursas Mitwirkung den so genannten Magnitsky Act. Dieses Dokument wurde zu einer wichtigen Gesetzvorlage für persönliche Sanktionen gegen russische Staatsbürger, denen Korruption und Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen werden konnten.

Politiker Kara-Mursa setzte sich immer wieder bewusst dem größten Risiko seines Lebens aus - die Freiheit zu verlieren. Als Kara-Mursa Russlands Krieg gegen die Ukraine 2022 öffentlich kritisierte, nutzte die Polizei die Gelegenheit und verhaftete ihn. Der Journalist und Aktivist war im April 2023 unter dem Vorwurf des Hochverrats zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt worden - und landete in einer Strafkolonie. Hinter verschlossenen Türen wurde er für schuldig befunden, "falsche Informationen" über die russische Armee verbreitet und Verbindungen zu einer "unerwünschten Organisation" unterhalten zu haben. 

Plakate hängen an Gitterzäunen auf einer Straße. Links ist neben einem Plakat mit einem Begleittext ein großes Porträt von Kara-Mursa zu sehen, rechts eines von Sarifa Sautiewa, ebenfalls mit Begleittext
Düsseldorf zeigte 2023 in einer Straßenausstellung "Gesichter des russischen Widerstands" - auch Kara-Mursa war zu sehen (links)Bild: Freies Russland NRW e.V.

Kara-Mursa riskierte immer wieder seine Freiheit

Kara-Mursa verbrachte seit seiner Studienzeit in London viel Zeit im Westen. Trotz der Gefahren für seine Freiheit und sein Leben kehrte er aber immer wieder nach Russland zurück.

"Das größte Geschenk für die heutigen Machthaber wäre, wenn wir alle, die wir gegen das Putin-Regime kämpfen, das Land verlassen würden," sagte der Kremlkritiker in einem Interview mit der Deutschen Welle in Moskau vor drei Jahren.

Sein Argument war: Ein Politiker, der seine Heimat verlasse, verliere das moralische Recht, Politiker zu sein. "Nur jene Politiker dürfen sich Politiker nennen, die die Risiken des autoritären Regimes mit ihren Bürgern in ihrem Land teilen."

In der russischen Öffentlichkeit sorgt der Fall Kara-Mursa kaum für Aufregung, denn dort ist er kaum bekannt - obwohl er einer der größten Kremlkritiker ist. Anders als sein Mitstreiter Alexey Nawalny, der Menschenmassen hinter sich versammelt hatte, agierte Kara-Mursa eher still im Hintergrund.

Für den Kreml waren beide offenbar dennoch gleich riskant: Nawalny als Putins direkter Widersacher, der vor allem bei vielen jungen Russen punktete und Kara-Mursa, auf den die Amerikaner hörten, wenn sie russische Eliten bestraften.

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Juri Rescheto Studioleiter Riga