1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ballbach: "Noch keine Eskalationsgefahr"

Esther Felden5. Dezember 2012

Mit der jüngsten Raketentest-Ankündigung provoziert Pjöngjang gezielt Seoul. Der Zeitpunkt ist kein Zufall, erklärt Eric Ballbach vom Korea-Institut der FU Berlin: Denn Südkorea steht kurz vor der Präsidentenwahl.

https://p.dw.com/p/16vGl
Die Raketenanlage in Nordkorea. (Foto:David Guttenfelder, File/AP/dapd).
Die Raketenanlage in NordkoreaBild: AP

Deutsche Welle: Herr Ballbach, acht Monate nach einem gescheiterten Raketentest will Nordkorea jetzt offenbar einen neuen Versuch wagen. Am Wochenende hat das nordkoreanische Staatsfernsehen angekündigt, man wolle in wenigen Wochen einen Beobachtungssatelliten ins All schießen. Eine überraschende Ankündigung oder war mit so einem Schritt zu rechnen?

Eric J. Ballbach: Überraschend ist diese Ankündigung sicherlich nicht, da sie auch immer im historischen und im konkreten politischen Kontext betrachtet werden muss. Dieser angekündigte Raketentest ist Teil eines größeren und umfassenderen Programms, und insbesondere nach dem Scheitern des vorangegangenen Tests im Frühjahr war ein neuer Anlauf zu erwarten. Über den Zeitpunkt lässt sich sicherlich streiten. Wir haben in der Vergangenheit schon häufiger erlebt, dass Nordkorea zu oder vor politisch wichtigen Terminen - nicht nur in Ostasien wie jetzt vor der anstehenden Wahl in Südkorea, sondern auch immer wieder im Zusammenhang mit wichtigen politischen Daten in den USA - zu solch provokanten Mitteln gegriffen hat. Insofern kommt das jetzt sicher nicht ganz überraschend. Zum Scheitern des letzten Tests möchte ich aber noch sagen, dass es sich dabei sicherlich auf den ersten Blick um ein Scheitern gehandelt hat, dass Nordkorea aus jedem Scheitern aber auch wichtige Lektionen lernen und Lehren ziehen kann.

Eric J. Ballbach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Korea-Studien an der Freien Universität Berlin. (Foto: privat)
Eric J. Ballbach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Korea-Studien an der Freien Universität BerlinBild: Eric J. Ballbach

Das Zeitfenster für den geplanten Raketenstart ist sicher nicht zufällig gewählt, neben der Präsidentenwahl in Südkorea am 19. Dezember steht auch der erste Todestag vom Ex-Diktator Kim Jong Il am 17. Dezember an. In einer ersten Reaktion hat der südkoreanische Außenminister gesagt, die jüngste nordkoreanische Provokation fordere geradezu eine Reaktion heraus. Wie könnte die aussehen?

Ich bezweifle, dass tatsächlich eine nachhaltige politische oder gar militärische Reaktion von Seiten des Südens stattfinden wird. Sicherlich wird man in Südkorea die Lage auch weiterhin genau beobachten und politische Rückschlüsse aus dem Verhalten Nordkoreas ziehen. Dieses stellt aus südkoreanischer Perspektive natürlich eine Provokation dar. Insofern führt das Verhalten Nordkoreas quasi naturgemäß dazu, dass Südkorea politisch reagieren wird. Wie genau das aussehen wird, bleibt abzuwarten, denn viel Spielraum hat die südkoreanische Regierung in diesem Fall nicht, da die Sanktionen gegen Nordkorea ja schon jetzt sehr scharf sind. Beispielsweise hat man ja nach der Cheonan-Geschichte (gemeint ist der Untergang des südkoreanischen Kriegsschiffes Cheonan im Frühjahr 2010, für den Nordkorea verantwortlich sein soll, Anmerk. d . Red.) bereits jegliche wirtschaftliche Kooperation mit dem Norden gestoppt - mit Ausnahme des gemeinsamen Industrieparks Kaesong. Es bleibt abzuwarten, ob vielleicht in dieser Hinsicht eine Maßnahme aus dem Süden stattfindet und man unter Umständen sogar dieses letzte gemeinsame Kooperationsprojekt in Frage stellt.

Sehen Sie derzeit die Gefahr einer Eskalation auf der koreanischen Halbinsel?

Die Gefahr einer militärischen Eskalation sehe ich zurzeit nicht, da sowohl der Norden als auch der Süden sehr darauf bedacht sind, auf ihre innenpolitischen Entwicklungen zu schauen - im Süden auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen, im Norden auf die Konsolidierung der Macht des neuen Führers Kim Jong Un. Es steht bald der erste Todestag von Ex-Diktator Kim Jong Il an, insofern befindet sich Kim Jong Un noch mitten im Prozess seiner Machtkonsolidierung, und inwiefern da eine tatsächliche militärische Auseinandersetzung zuträglich wäre, wage ich zu bezweifeln. Sicherlich sind kleinere Provokationen in Nordkorea durchaus auch Teil dieser Machtkonsolidierung. Aber eine größere Eskalationsgefahr sehe ich momentan nicht.

Inwiefern könnte ein nordkoreanischer Raketentest Auswirkungen auf die Präsidentenwahl in Südkorea haben? Genau das hat ja der scheidende südkoreanische Präsident Lee Myung-Bak Pjöngjang vorgeworfen.

Auch da würde ich Einschränkungen machen, weil beide Präsidentschaftskandidaten im Süden - sowohl die konservative Kandidatin Park Geun-Hye als auch ihr liberaler Konkurrent Moon Jae-In - bereits angekündigt haben, die Haltung gegenüber dem Norden aufweichen zu wollen. Es gibt sicherlich konservative Einflussgruppen im Süden, die versuchen werden, die jüngste provokante Aktion des Nordens politisch zu nutzen. Aber man muss auch sehen, dass die südkoreanische Bevölkerung mit der demokratischen Wahl ein wesentliches Mitspracherecht hat, und letztlich wird das Volk darüber entscheiden, in welche Richtung die Politik des Südens ausgerichtet sein wird, auch in Bezug auf Nordkorea. Und hier muss man einfach abwarten, wie das südkoreanische Volk gewichten wird, ob Nordkorea tatsächlich in der Wahlentscheidung eine große Rolle spielen wird oder ob es primär wirtschaftliche Faktoren sind, die diese Wahlentscheidung maßgeblich beeinflussen werden. Die Wahl von Lee Myung-Bak beispielsweise war primär eine wirtschaftliche Entscheidung. Dagegen stand seine Position gegenüber Nordkorea eher im Hintergrund.

Die kritischen Reaktionen aus dem Ausland auf die nordkoreanische Ankündigung kamen prompt und fielen eindeutig aus. Welche Konsequenzen drohen Nordkorea im Fall eines Raketenstarts tatsächlich?

Es bleibt abzuwarten, ob es sich dabei um UN-Maßnahmen handelt und ob es über den Weltsicherheitsrat eventuell zu einer neuen Resolution kommt – so wie es beispielsweise nach den beiden nordkoreanischen Atomtests der Fall war. Eine andere Möglichkeit wären verschärfte Sanktionen auf bilateraler Ebene. Das heißt, dass beispielsweise Länder wie Japan oder die USA ihre Sanktionen weiter verschärfen. Wobei auch da die langfristige Wirksamkeit angezweifelt werden muss, denn letztlich steht Nordkorea seit den 50er Jahren unter einem konstanten Sanktionskatalog und hat durchaus gelernt, unter diesen Bedingungen zu bestehen. Mehr noch: Letztlich ist Nordkorea ein Land, das diese Art von Feindbildkonstruktion durchaus nutzen kann und nutzt, beispielsweise innenpolitisch über die Ideologie des Landes, so dass man sogar die provokante These aufstellen könnte, dass Nordkorea seine Feinde durchaus benötigt.

Eric J. Ballbach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Korea-Studien an der Freien Universität Berlin.


Das Interview führte Esther Felden.