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Reformkongress?

Matthias von Hein5. März 2008

Erster Großereignis im Olympia-Jahr 2008 in China: Es ist mal die Zeit für den Nationalen Volkskongress. Der politische Apparat soll reformiert werden - unter zwei großen Vorzeichen.

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Verstärkte Polizeipräsenz an der VolkshalleBild: AP
BdT China Volkskongress in Peking
Die Delegierten des VolkskongressesBild: AP
Haben die Olympischen Spiele etwa schon begonnen? Bis zu einer Million Freiwillige sind in diesen Tagen in Peking unterwegs, um an Straßenecken, Bushaltestellen und in ihren Stadtvierteln für mustergültige Ordnung zu sorgen. Gleichzeitig garantieren Tausende von Polizisten und Militärs überall in der chinesischen Hauptstadt Friedhofsruhe. Die Ordnung gilt den 3000 Abgeordneten des Nationalen Volkskongresses - so heißt das chinesische Parlament. Am Mittwoch (5.3.2008) kommen die Delegierten - wie stets im März - zu ihrer jährlichen Sitzung zusammen.

Nichts verweigert - noch nie

Laut chinesischer Verfassung ist der Nationale Volkskongress das höchste Organ des chinesischen Staates - theoretisch. Wäre da nicht die Kommunistische Partei, die praktisch über dem Staate steht. Denn die Partei wählt die Delegierten aus. Sie setzt die Agenda. Und sie bereitet die Sitzungswochen penibel bis ins Detail vor. Die Rechenschaftsberichte der Führung vor dem Volkskongress zum Beispiel wurden in der letzten Woche bereits im 270 Köpfe umfassenden Zentralkomitee der KP Chinas genau abgestimmt.

Die Mühe zahlt sich aus: Seit seiner ersten Sitzung 1954 hat der Volkskongress nie auch nur ein einziges Gesetz abgelehnt oder die Annahme eines einzigen Rechenschaftsberichtes verweigert. Natürlich gibt es auch in China heftige Diskussionen um den zukünftigen Kurs des Landes, die Probleme sind drängend genug. Nur finden diese Diskussionen im Vorfeld des Volkskongresses statt - in den kleinen Zirkeln der Macht, dort wo die unterschiedlichen Fraktionen innerhalb der Kommunistischen Partei ihre Interessen ausbalancieren.

Die beiden Vorzeichen

Der Volkskongress ist insofern lediglich die Bühne für ein hinter den Kulissen bereits ausgekungeltes Drehbuch. In diesem Jahr steht die Aufführung unter zwei großen Vorzeichen: Da sind die Olympischen Spiele im August. Sie werden zu einer noch stärkeren Betonung von Einheit und Stabilität führen, als ohnehin üblich.

China Volkskongress in Peking
Die Halle des Volkes am Platz des Himmlichen Friedens mitten in PekingBild: AP
Das zweite große Vorzeichen ist der Parteitag der Kommunistischen Partei vom letzten Herbst. Der tritt nur alle fünf Jahre zusammen und legt jeweils die große politische Linie fest. Der Volkskongress muss sie dann umsetzen. Bei der jetzigen Sitzung geht es zunächst einmal um Personalien: Hu Jintao wird für weitere fünf Jahre in seinem Amt als Staatspräsident bestätigt werden, Wen Jiabao in seinem Amt als Ministerpräsident. Da die KP ungern etwas dem Zufall überlässt, werden die möglichen Spitzen des Staates, die ab 2013 das Ruder übernehmen sollen, bereits jetzt auf die Positionen des Vizepräsidenten und eines stellvertretenden Ministerpräsidenten befördert. Das hat mehr mit der Vorgehensweise und Zukunftsplanung eines religiösen Ordens zu tun als mit Demokratie.

Keine Anzeichen für Reformen

In der bisherigen Amtszeit von Staatspräsident Hu Jitao gebe es keine Hoffnung für politische Reformen, sagt Jin Zhong, Chefredakteur des Hongkonger Nachrichtenmagazins "Open". "Die Regierung hat schon viel zu viele praktische Probleme - sie steht unter enormem Druck: die soziale Stabilität, die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, Korruption und der katastrophale Zustand der Umwelt. Und die Chinesen haben in diesem Jahr noch die Olympischen Spiele. Sie werden der Führung viel Geld, Zeit und Energie kosten."

Immerhin aber gab es im letzten Jahr eine öffentliche Diskussion über politische Reformen. Der ehemalige Vizepräsident der Pekinger Renmin-Universität, Xie Tao, hatte in einem Presse-Artikel die Vorzüge eines demokratischen Sozialismus gepriesen und das skandinavische Modell des Sozialstaats gelobt. Der Beitrag rief umgehend scharfe Kritik aus konservativen Kreisen hervor. Mit Blick auf den Volkskongress warnte der Herausgeber des Pekinger Parteiorgans "Peking Daily", Shi Zhang, deswegen vor kurzem in einem langen Beitrag auf der Titelseite vor einer Überschätzung der Demokratie.

Die Macht zurück in die Zentrale

Beim Volkskongress wird es nun nicht um eine Reform des politischen Systems, sondern um eine Reform des politischen Apparates gehen. Geplant ist ein ehrgeiziger Umbau der Regierung, die Zahl der Ministerien soll um ein Viertel massiv verringert werden. Insgesamt gibt es derzeit 75 Organe auf Ministeriumsebene, davon 28 auf der Kabinettsebene.

Stattdessen sollen Superministerien entstehen. Die sollen die Macht wieder in den Händen der Führung zentralisieren - vor allem in den Bereichen Energie, Finanzen, Landwirtschaft, Verkehr und Umwelt. Der Verfassungsrechtler Zhang Zuhua ist allerdings skeptisch, ob der gewünschte Erfolg erzielt werden kann. Bisher hat sich der Beamtenapparat noch jedem Verschlankungsversuch zu widersetzen gewusst: "Seit der Gründung der Volksrepublik 1949 hatten wir bereits sieben so genannte Verwaltungsreformen. Das ist überhaupt keine neue Idee. Das Ergebnis war immer: Je mehr Reformen wir durchgeführt haben, desto mehr Verwaltungsorgane hatten wir am Ende. Während des Booms sind einige Provinzregierungen und einige Ministerien sehr mächtig geworden. Jetzt will die Zentralregierung diese Macht durch die Verwaltungsreform zurück gewinnen."